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Bildung für Geflüchtete

Auch wenn die Senatorin zweifelt:

Mindestens 160 Klassenverbände, 200 Lehrkräfte und über 30 Sozialarbeiter*innen GEW Bremen zur Abschätzung des Bedarfs für die Flüchtlingsintegration im Schuljahr 2016/17 für die Stadtgemeinde Bremen

Bremen – Die Personalversammlung der Bremer Lehrkräfte am 01. Dezember hat für das nächste Schuljahr aufgrund der Flüchtlingsbeschulung ca. 160 neue Klassenverbände und ca. 200 neue Lehrkräfte zusätzlich zu den bisher versprochenen gefordert. Die Senatorin für Kinder und Bildung hat diesen Bedarf angezweifelt. Die GEW erläutert im Folgenden die Berechnungsgrundlagen für diese Forderung für die Schulen der Stadtgemeinde Bremen.

Vorbemerkung

Bei dieser Vorausberechnung geht es nach Angaben der GEW nicht um den aktuellen Bedarf an Vorkursen, sondern um den dauerhaften Zusatzbedarf in den Schulen über mehrere Jahre. Die Vorkurse dagegen müssen jeweils kurzfristig nach der Ankunft der Flüchtlinge eingerichtet werden. Ihre Gesamtzahl wird ca. 250 betragen. Laut Vorstandssprecher Gloede käme hinzu, dass auch die unter 6-jährigen Kinder ins Schulalter hineinwachsen und es aufgrund der ca. 900 unter 6-jährigen Kinder aus Flüchtlingsfamilien einen erheblichen Mehrbedarf an der Einrichtung zusätzlicher Kitas gibt. Insofern müsse auch die Kita-Ausbauplanung dringend diesem Mehrbedarf angepasst werden.

Zahl der Kinder und Jugendlichen und zusätzlicher Finanzbedarf

Laut Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft vom 10. November haben wir in der Stadtgemeinde Bremen im Jahr 2015 mit ca. 8000 Flüchtlingen plus ca. 3000 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen zu rechnen. Es wird vom Senat geschätzt, dass von den 8000 Flüchtlingen ca. 20% schulpflichtig sind (also ca. 1600). Bei den unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen gibt es immer eine gewisse Abwanderung. Daher lässt sich die Zahl derer, die in Bremen bleiben, nur schwer abschätzen. Im Jahr 2014 sind 495 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge nach Bremen gekommen, im Schuljahr 2014/15 wurden 344 in den Schulen aufgenommen. Verlängert man diesen Trend in die Zukunft, werden im Schuljahr 2016/17 von den ca. 3000 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen ca. 2100 in den Schulen sein. Zusammen mit den Flüchtlingskindern aus Familien ergibt das 3700 Schüler*innen. Die GEW geht angesichts der zu erwartenden Zuwanderung (siehe auch die Senatsprognose vom 10. November) von insgesamt ca. 3700 bis 4000 Kindern und Jugendlichen aus. Der zusätzliche Finanzbedarf hierfür errechnet sich aus dem Bremer Durchschnittswert von 6300 € pro Schüler*in (Bildungsfinanzbericht des Statistischen Bundesamtes 2014 für Bremen). Er beträgt ca. 23 bis 25 Mio. €. Dieser Wert liegt im Stadtstaatenvergleich sehr niedrig (Hamburg und Berlin: 7400 € pro Schüler*in).

Zusatzbedarf in den allgemeinbildenden Schulen

Es wird weiterhin davon ausgegangen, dass die 1600 Schüler*innen, die zunächst in Vorbereitungsklassen gehen, im Schuljahr 2016/17 im allgemeinbildenden System in die Regelklassen übernommen werden (in der Primarstufe nach einem halben Jahr, in der Sekundarstufe nach einem Jahr; zum Teil sind sie jetzt schon mit einigen Stunden Klassen zugeordnet). Bei einer Richtfrequenz von 25 Schüler*innen pro Klasse besteht für diese 1600 Schüle**innen ein rechnerischer Zusatzbedarf von 64 Klassenverbänden. Diese Klassen können jedoch nicht auf einmal gebildet werden, da die Flüchtlingskinder sich auf sehr viele Standorte verteilen und nicht in isolierten Flüchtlingsklassen unterrichtet werden sollen. Neue (gemischte) Klassenverbände können im ersten und fünften Jahrgang gebildet werden. Außerdem müssen bei Überschreitung der Richtfrequenz an einer Schule neue Klassenverbände durch Teilung gebildet werden.

Bedeutend sicherer lässt sich der zusätzliche Lehrkräftebedarf errechnen. Er ergibt sich aus der derzeitigen Schüler/Lehrer-Relation. Diese lag in Bremen nach den neuesten verfügbaren Daten der Kultusministerkonferenz (KMK - Dokumentation 2015: Schüler-Klassen-Lehrer) im allgemeinbildenden System Bremens bei 13,7 Schüler*innen pro Lehrkraft. Der zusätzliche Bedarf beträgt hier also 116,7 Lehrer-Vollzeiteinheiten, wenn die Schüler/Lehrer-Relation nicht verschlechtert werden soll. Und dies ist unabdingbar: Bremen hat ohnehin im Vergleich zu den anderen Stadtstaaten und auch den meisten Flächenstaaten eine der schlechtesten Schüler/Lehrer-Relationen (Hamburg: 12,8, Berlin: 13,2, Niedersachsen: 13,5, Baden-Württemberg: 13,5, Bayern: 13,4, Hessen: 13,4). Diese 116,7 Stellen (zusätzlich zu den vom Bürgermeister versprochenen zur Minimierung des Unterrichtsausfalls und Absicherung der Inklusion) sind auch deshalb dringend notwendig, weil nach den ersten Erfahrungen die Flüchtlingskinder weiterhin großen Sprachförderbedarf haben, wenn sie aus den Vorkursen in die Regelklassen kommen.

Zusatzbedarf in den berufsbildenden Schulen

Hinzu kommt der Bedarf im berufsbildenden Bereich. Die ca. 2100 bis 2400 unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge werden nach den Vorkursen zum größten Teil in Berufsvorbereitungsklassen gehen müssen. Hier beträgt die durchschnittliche Klassenfrequenz nach KMK - Daten 10,3 Schüler*innen. Würden alle unbegleiteten minderjährigen Flüchtlinge im Schuljahr 2016/17 in das BVJ übergehen, entstünde ein Zusatzbedarf von 233 Klassenverbänden. Bei einer aktuellen Schüler/Lehrer-Relation von 11,5 Schüler*innen pro Lehrkraft betrüge der Zusatzbedarf 208 Lehrer-Vollzeiteinheiten. Wir gehen jedoch davon aus, dass dieser Bedarf an BVJ-Klassen erst nach und nach entstehen wird und sind für das Schuljahr 2016/17 vorsichtig geschätzt von zunächst 100 Klassenverbänden ausgegangen, in denen gut 1000 Schüler*innen nach dem Besuch eines Vorkurses unterrichtet werden. Der Lehrkräftebedarf für diese Zahl von Klassenverbänden beträgt ca. 89 Lehrer-Vollzeiteinheiten. Hinzu kommt (gerade in diesem Bereich) die notwendige Neueinstellung von Sozialarbeiter*innen. Angesichts des hohen Bedarfs bei den minderjährigen unbegleiteten Flüchtlingen muss hier eine Sozialarbeiterstelle für höchstens drei Klassenverbände angesetzt werden (dies wäre eine Ausstattung entsprechend derjenigen der Werkschule). Das bedeutet für das Schuljahr 2016/17 einen Bedarf von ca. 33 zusätzlichen Sozialarbeiter*innen.

Zusammenfassung:

Es ist also für das Schuljahr 2016/17 von folgendem Zusatzbedarf auszugehen:

  • 116,7 Lehrer-Vollzeiteinheiten  in den allgemeinbildenden Schulen
  • 89 Lehrer*innen-Vollzeiteinheiten und
  • 33 Sozialarbeiter*innen in den berufsbildenden Schulen
  • Für die Bildung neuer Klassenverbände sind außerdem frühzeitig die Raumkapazitäten zu sichern. Umwidmungen oder Verkäufe von Schulraum dürfen auf keinen Fall mehr stattfinden.

Für Nachfragen steht zur Verfügung: Christian Gloede