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Altersteilzeit für junge KollegInnen … ?

Seltsame Frage, schließlich ist Altersteilzeit nur was für die alten KollegInnen – oder doch nicht?

Tatsächlich: warum und wie Altersteilzeit ist ein beliebtes Thema bei den Älteren im Kollegium. Schließlich geht es um weniger oder kürzer Arbeiten und Entlastung und manchmal auch um Licht am Ende des Tunnels, aber auch um weniger Geld und die Abwägung von individuellen finanziellen und Zeit-Perspektiven. Altersteilzeit ist aber mehr als eine individuelle Arbeitszeit-Alternative für Ältere.
Altersteilzeit, zumal für Lehrkräfte, beinhaltet auch direkte Perspektiven für jüngere Lehrkräfte, die Möglichkeit für neue pädagogische Chancen und positive Auswirkungen für Arbeitsmarkt und Sozialpolitik. Insofern ist Altersteilzeit auch für jüngere KollegInnen, SchülerInnen und Eltern sowie für wirtschafts- und sozialpolitisch Interessierte ein wichtiges Thema.

Wieso nutzt Altersteilzeit ReferendarInnen und neuen Lehrkräften?

Auch wenn viel vom anstehenden Lehrermangel die Rede ist, gibt es noch längst keine Übernahmegarantie für ReferendarInnen nach ihrer Zweiten Staatsprüfung in Bremen. Viele, die in Bremen bleiben wollen, müssen sich dennoch in andere Bundesländer bewerben. Wenn ältere KollegInnen in die Altersteilzeit gehen, hat das direkte Auswirkungen auf die Einstellungszahlen für ReferendarInnen: 100 neue Altersteilzeiten pro Jahr sorgen für etwa 40 zusätzliche Stellen pro Jahr. Da in der Altersteilzeit durchschnittlich nur noch 60% gearbeitet wird, muss 40% der Arbeit durch Neueinstellungen ersetzt werden. Bei „realer Altersteilzeit“ tritt dieser Effekt sofort ein, bei Block-Altersteilzeit verzögert spätestens mit Beginn der Freistellungsphase. Das bedeutet, dass viele jüngere Lehrkräfte eigentlich ihren KollegInnen in Altersteilzeit ihre Stelle verdanken. Also: je mehr Altersteilzeit, desto mehr neue Lehrkräfte.

Was bedeutet Altersteilzeit für die pädagogische Arbeit an der Schule?

Da Altersteilzeit für mehr neue Lehrkräfte an den Schulen sorgt, entsteht dadurch auch eine bessere Altersmischung des Kollegiums und möglicherweise kommen auch mehr und andere pädagogische Ideen in die Schulen, die die wichtigen pädagogischen Erfahrungen der älteren KollegInnen ergänzen und der Schul- und Unterrichtsentwicklung neue Impulse geben können. Gleichzeitig bewirkt die Altersteilzeit eine Entlastung der älteren Lehrkräfte, die in Altersteilzeit sind. Nach aller Erfahrung gilt diese gefühlte Entlastung auch für die Lehrkräfte, die die Blockteilzeit gewählt haben, da auch die Perspektive der baldigen Freistellungsphase entlastend wirkt. Beide Altersteilzeit-Faktoren, einerseits mehr jüngere Lehrkräfte und andererseits Entlastung für die älteren Lehrkräfte, haben in der Regel positive Auswirkungen auf die pädagogische Arbeit in der Schule. Dieses Argument ist sicher auch für Eltern und SchülerInnen von Bedeutung.

Was bringt die Altersteilzeit für den Arbeitsmarkt und das Sozialsystem?

Tatsächlich wirkt sich die Altersteilzeit – wenn auch in bescheidenem Umfang – auch auf den Arbeitsmarkt aus. Alleine für die Bremer Schulen ist von über 40 zusätzlichen Arbeitsplätzen jährlich (teilweise sogar deutlich mehr) auszugehen. Bei dem Heer an Arbeitslosen ein „Tropfen auf den heißen Stein“ – aber „Steter Tropfen höhlt den Stein“! Und jeder Arbeitsplatz ist nicht nur individuell finanziell und psychologisch wichtig, sondern verbessert auch die wirtschaftliche und finanzielle Situation Bremens.
Faktisch nützt die Altersteilzeit auch dem Sozialsystem – selbst bei BeamtInnen. Jede/r zusätzlich Beschäftigte erspart Hartz IV, Wohngeld u.Ä. - wenn auch manchmal nur indirekt, weil er/sie nicht jemand anderes einen anderen Job „wegnimmt“, der/die dadurch Transferleistungen in Anspruch nehmen muss. Darüber hinaus erarbeiten die zusätzlich Beschäftigten ihre Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung selbst, anstatt als Arbeitslose de facto von den Arbeitsplatzbesitzern mitfinanziert zu werden. Außerdem erarbeiten sich die zusätzlichen Arbeitskräfte eigene Ansprüche aus der Rentenversicherung bzw. der Pensionskasse und entlasten damit indirekt die zukünftigen Sozialetats für die Grundsicherung bei Altersarmut.
Jeder zusätzliche Arbeitsplatz entlastet den Arbeitsmarkt, verringert die staatlichen Tranferleistungen (Hartz IV u.a.) und verbessert die Situation der sozialen Sicherungssysteme.

Aber was kostet die Altersteilzeit?

Das Bremer Modell der Altersteilzeit ist aus Sicht des Arbeitgebers praktisch selbstfinanzierend und kostenneutral. Das liegt schlicht und einfach daran, dass die Altersteilzeit-Vergütung von 83% bzw. 80% des letzten Nettogehaltes den Arbeitgeber nur durchschnittlich 70% der Gesamtpersonalkosten bei 100% Nettogehalt und entsprechender Arbeit kostet, weil die Altersteilzeit-Zulage, die das Arbeitsentgelt für 60% Arbeit auf 83% bzw. 80% aufstockt, steuerfrei ist.
Die restlichen 30% der Gesamtpersonalkosten werden für die Finanzierung des Ersatzes der wegfallenden 40% Arbeit verwendet. Da die Ersatzeinstellungen in der Regel junge Lehrkräfte sind, werden sie normalerweise in deutlich niedrigeren Besoldungsstufen rund 25% geringer vergütet. So reichen die 30% der Gesamtpersonalkosten für 40% Arbeit.
Für die KollegInnen, die in Altersteilzeit gehen, ist die Altersteilzeit sogar ein Gewinn im Vergleich zur normalen Teilzeit: für 60% Arbeit erhalten sie 83% bzw. 80% (statt 60%) des Nettogehalts und 90% (statt 60%) der Pensionsansprüche während der Altersteilzeit. Im Vergleich zum Antragsruhestand mit 63 Jahren wurde dieser Gewinn manchmal erst nach ein paar Jahren realisiert, durch die geplante Erhöhung der Altersgrenze wird wahrscheinlich aber der finanzielle Vorteil der Altersteilzeit noch verstärkt.

Fazit

Altersteilzeit ist nicht nur individuell und pädagogisch sondern auch finanz-, wirtschafts- und sozialpolitisch sehr sinnvoll. Daher muss die Altersteilzeit weiter ausgebaut werden. Bisher gibt es in Bremen nur noch eine fünfjährige Altersteilzeit für BeamtInnen. Die Möglichkeit zur Altersteilzeit für ArbeitnehmerInnen im öffentlichen Dienst ist 2009 ausgelaufen, von den Gewerkschaften wird aber eine Neuauflage angestrebt. Die fragwürdige Erhöhung der Altersgrenze auf 67 Jahren (bei ArbeitnehmerInnen bereits realisiert, bei BeamtInnen aktuell ab 2012 geplant) verschlechtert die bereits sehr belastende Arbeitssituation in den Schulen. Deshalb ist es jetzt dringend geboten, die Altersteilzeitdauer auf zehn Jahre (also von 57 bis 67 Jahren) zu verlängern! Zumal diese Altersteilzeit für den Arbeitgeber selbstfinanzierend und kostenneutral zu realisieren ist.
Senat und Koalitionsparteien sind aufgefordert, die sinnvolle Altersteilzeit ab 57 Jahren umgehend im Beamtenrecht gesetzlich zu regeln und damit die Mehrbelastung durch die geplante Altersgrenze 67 Jahre kostenneutral zu verringern.
Also: mehr und längere Altersteilzeit nutzt allen auch den jungen KollegInnen!