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Hartz IV

Aktion AufRecht bestehen am 10.09.2021 in Bremerhaven

Hartz IV endlich ohne Wenn und Aber abschaffen

Foto: Klaus Schiesewitz

Am 10. September von 10 – 12 Uhr haben wir, die Erwerbslosengruppen von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Bremen, die Bremerhavener Arbeitsloseninitiative (Bali) und ver.di Bremen eine Aktion in der Bremerhavener Innenstadt gemacht (das Jobcenter war geschlossen). Die Corona-
Regeln hielten wir selbstverständlich ein. Initiiert wurde diese Aktion von dem Bündnis AufRecht bestehen, s. unten. 
Es ging um das Forderungspapier von „AufRecht bestehen“:  
„Hartz IV endlich ohne Wenn und Aber abschaffen“, in der die Eckpunkte für eine menschenwürdige Existenssicherung und Arbeitsmarktintegration vom Gesetzgeber gefordert wird.  
 

Unsere Hauptforderungen:  
Abschaffung des Systems SGB II (Hartz IV), das Recht auf monatlich mindestens 600 Euro, die regelmäßige Übernahme der tatsächlichen Wohnkosten, Freigrenze von Vermögen mindestens 60.000 Euro, keine Anrechnung von Erwerbseinkommen bis zur Höhe von 200 Euro, Nichtanrechnung des 
Kindergeldes auf die Leistungen der Grundsicherung, Erhöhung des Mindestlohn auf mindestens 13 Euro (die Inflationsrate liegt jetzt bei mittlerweile 3,9%, die Erhöhung des ALG II von nur € 3 für das Jahr 2022 ist ein weiterer Affront gegen die Arbeitslosen). 
Die Umverteilung von unten nach oben muss gestoppt werden! 


In Bremen betrug die Arbeitslosenquote im August 2021 10,7 %; für 39.032 Arbeitslose gab es nur 7.090 gemeldete Stellen. Deutschlandweit lag die Arbeitslosenquote im August bei 5,6 %. D. h. Bremen hat damit die doppelte Zahl an Arbeitslosen als der Bundesdurchschnitt. 
In Bremerhaven sieht es noch düsterer aus, dort betrug die Arbeitslosenquote im August 2021 sogar 13,2 %; auf 7.954 Arbeitslose kamen 1.253 gemeldete Stellen. 
In der Statistik sind aber nicht alle aufgeführt, z. B. alle die weniger als 15 Stunden arbeiten und auch nicht die 1 Euro Jobber. Es lässt sich schwer schätzen wie viele Arbeitslose es wirklich gibt.  
Die bremischen Häfen zählen zu den wichtigsten Universalhäfen in Europa. Bremerhaven ist einer der größten Umschlagplätze für Automobile. 
Kurzarbeiter:innen, die Arbeitslosen von übermorgen? 
Durch die Corona-Pandemie gibt es viele Kurzarbeiter:innen, diese werden ebenfalls nicht mit in der Statistik aufgeführt.  
Gegenüber der großen Kirche in Bremerhaven haben wir große Aufmerksamkeit erzeugt durch unsere „Brillen“ und unsere Fahnen. Es gab gute Gespräche und manches Mal konnten wir den einen oder anderen Tipp geben, sei es zur Beantragung der Leistungen oder aber auch nur Trost spenden und zum Mutmachen und Mitmachen auffordern. 

Das Bündnis ‚AufRecht bestehen‘ wird getragen von der Arbeitslosenselbsthilfe Oldenburg (ALSO), „ARBEITSLOS – NICHT WEHRLOS“ Wolfsburg (ANW), Gruppe Gnadenlos Gerecht Hannover Gewerkschaftliche Arbeitslosengruppe im DGB-KV Bonn/Rhein-Sieg, Frankfurter Arbeitslosenzentrum e.V.(FALZ), Koordinierungsstelle gewerkschaftlicher Arbeitslosengruppen (KOS), Tacheles e.V. Wuppertal, ver.di Bundeserwerbslosenausschuss, Widerspruch e.V. Bielefeld sowie vielen örtlichen Bündnissen und Initiativen  

Wir halten fest, Hartz IV ist gescheitert, denn weder die Beseitigung von Langzeitarbeitserwerbslosigkeit ist gelungen, noch ist eine nachhaltige Integration von Menschen in eine von ihnen gewünschte Erwerbsarbeit erreicht worden. Stattdessen hat Hartz IV insbesondere 

  • Armut von Leistungsberechtigten und ihren Angehörigen verfestigt, 
  • Menschen in nicht gewollte und oft prekäre Beschäftigungen gepresst, 
  • Menschen oft in teure und nicht sinnvolle Maßnahmen oder Ein-Euro-Jobs gezwungen, 
  • Menschen durch Sanktionen unter das ohnehin nicht menschenwürdige Existenzminimum gebracht und damit das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit gefährdet, 
  • Menschen davon abgehalten, überhaupt Leistungen zu beantragen, weil sie nicht diskriminierend behandelt werden wollen. Eine Begegnung auf Augenhöhe mit den Mitarbeiter:innen des Jobcenters ist nicht möglich, da die Bedrohung durch Sanktionen, sonstige Leistungskürzungen oder andere Repressionen immer im Raum steht und Leistungsberechtigte deshalb allen Entscheidungen existenziell ausgeliefert sind; 
  • die Bürokratie der Arbeitsverwaltungen erheblich ausgeweitet, 
  • die im Sozialgesetzbuch vorgeschriebenen Beratungspflichten nicht ständig geleistet, 
  • Menschen kaum oder gar nicht gefördert. 

Deswegen brauchen wir einen Neuanfang, der das Leitbild der Menschenwürde des Grundgesetzes strikt beachtet. Dieser Neuanfang einer menschenwürdigen Arbeitsmarktintegration kristallisiert sich insbesondere in den nachfolgenden Eckpunkten: 
 
Stärkung der Arbeitslosenversicherung und Abschaffung des Systems SGB II („Hartz IV“) 

  • Der Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung besteht für die gesamte Dauer der Erwerbslosigkeit. 
  • Nach sechsmonatiger Beschäftigung besteht ein Anspruch auf reguläre Versicherungsleistungen. 
  • Das System SGB II wird abgeschafft mit dem Ziel einer gemeinsamen, mit denselben Rechten versehenen Arbeitsförderung für Menschen im Rahmen des SGB III. 
  • Die aktuell im SGB II und im SGB III geltenden Zumutbarkeitsregeln werden grundlegend überarbeitet. 
  • Die Sanktionen bzw. die Sperrzeiten im SGB II und SGB III werden abgeschafft und es soll keinen anderen Zwang zur Aufnahme einer Tätigkeit oder einer Maßnahme geben. 
  • Beratung, Arbeitsvermittlung und Qualifizierung werden strikt von allen Geldleistungen getrennt. 
  • Jede*r hat Anspruch auf eine umfassende soziale Beratung, sowohl durch die Behörde als auch zusätzlich durch unabhängige Beratungseinrichtungen 
  • Jede*r hat Anspruch auf eine Bildungs- und Integrationsberatung mit genauen Informationen über Förderungsmöglichkeiten für eine gewünschte Berufslaufbahn sowohl durch die Behörde als auch zusätzlich durch unabhängige Beratungseinrichtungen. 

 Menschenwürdiges Existenzminimum 

  • Alle, die keinen Anspruch auf Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung haben, sowie alle, deren Arbeitslosengeld unterhalb des Existenzminimums liegt, haben ein Recht auf monatlich mindestens 600 Euro (jährlich an die Inflationsrate anzugleichen), auf die regelmäßige Übernahme der tatsächlichen Wohnkosten (Bruttokaltmiete und Heizkosten) sowie auf die anfallenden Mehrbedarfe. 
  • Die Anschaffungen von Haushaltsgeräten (sogenannte „weiße Ware“), orientiert an der jeweils geltenden höchsten Effizienzklasse, wird gesondert gefördert. 
  • Die Kosten für Brillen werden übernommen (wie jetzt schon bei unter 18-Jährigen). 
  • Bei allen Leistungsberechtigten wird ein Strombudget bis 2.000 kwh (ohne Heizstrom) bzw. das entsprechende Äquivalent bei Personen, die mit Gas kochen, übernommen. 
  • Die Freigrenze von Vermögen beträgt mindestens 60.000 Euro. 
  • Generell wird Erwerbseinkommen bis zur Höhe von 200 Euro (Grundfreibetrag) nicht angerechnet, darüber hinaus gilt ein Freibetrag von 30%. 
  • Leistungen für Kinder müssen existenzsichernd und teilhabefördernd ausgestaltet werden, z.B. durch die Nicht-Anrechnung des Kindergeldes auf die Leistungen der Grundsicherung oder durch die Einführung einer auskömmlichen Kindergrundsicherung. 

 
Der Mindestlohn wird deutlich auf mindestens 13 Euro erhöht. 
 
Wir wollen die Umverteilung von unten nach oben stoppen. Die Arbeitgeber*innen und die Vermögenden müssen bei den Kosten für gesamtgesellschaftliche Aufgaben in die Verantwortung genommen werden. 
 
 
8. Juni 2021