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Neues zum Streikrecht für Beamte

Zur Erinnerung: Im Februar 2009 rief der GEW Landesverband die Beamtinnen und Beamten in Bremen und Bremerhaven zum Streik auf, um die parallel laufenden Tarifverhandlungen aktiv zu unterstützen. Nachfolgend gab es in mehreren Bundesländern ähnliche Aktionen. Die Klagen gegen die anschließend ausgesprochenen Disziplinarmaßnahmen sind derzeit vor dem Oberverwaltungsgericht Bremen ruhend gestellt. In einem Fall aus NRW fand am 27.07.2014 die Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) statt, die schriftliche Urteilsbegründung liegt seit kurzem vor. Unser Ziel ist es nach wie vor, Arbeitskampfmaßnahmen wie den Streik entgegen aller bisherigen Rechtsauffassung des Staates wie der Gerichte auch für Beamte zu legitimieren.

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts

Auch wenn die Entscheidung des BVerwG nur eine Zwischenetappe unserer rechtlichen Bemühungen darstellt, können wir schon jetzt festhalten, dass wir in unseren juristischen Bemühungen einen Schritt weitergekommen sind:
So wird zwar einerseits in dem Urteil argumentiert, dass die sogenannten hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums in Artikel 33 Abs.5 GG für die vorliegende Konstellation nur in dem Sinne ausgelegt werden können, dass sie ein generelles Streikverbot beinhalteten, und damit verstoße ein auch durch Streik verursachtes Fernbleiben vom Dienst bereits gegen die formale Dienstleistungspflicht des Beamten und stelle danach ein Dienstvergehen dar.
Andererseits wird aber die Rechtssprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) auf wohl überraschend weitreichende Weise gewürdigt:
So wird zunächst festgestellt, dass der EGMR für alle Angehörigen des öffentlichen Dienstes sowohl das Recht auf Tarifverhandlungen als auch kollektive Kampfmaßnahmen aufgrund des Artikel 11 Europäischer Menschenrechtskonvention (im folg. Konvention) vorsieht, und zwar bezogen auf nicht unmittelbar hoheitlich tätige Beamte. Bereits seit Jahren ist in Deutschland durch das BVerfG geklärt, dass Lehrkräfte dieser Gruppe zuzurechnen sind. Der EGMR beurteilt Beamte im Hinblick auf den Umfang der ihnen zustehenden Rechte demnach nach ihrer Funktion und lässt allein den Status, nämlich Beamter zu sein, nicht als hinreichenden Grund zu, ihre Rechte bezogen auf die Europäischen Menschenrechtskonvention einzuschränken. Anders ausgedrückt: Alle Angehörigen der öffentlichen Verwaltung, egal ob Angestellter oder Beamter, sollen gleich behandelt werden, es sei denn, ihre besondere Funktion als unmittelbar hoheitlich Tätige (Polizei, Militär, vielleicht Richterschaft) lässt eine Einschränkung dieser Rechte zu.

Diese beiden Sichtweisen, also des mit den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums durch Rechtssprechung festgemeißelten Traditionsbestandes einerseits, und der aufgrund ihrer Funktion in ihren Rechten nicht einschränkbaren Lehrkräfte nach der Sichtweise des EGMR andererseits, erklärt das BVerwG nunmehr als miteinander unvereinbar, so dass sich die Frage stellt, was denn nun gelten soll, wenn Recht gesprochen werden muss. In den Vorinstanzen und sehr ausdrücklich in dem Urteil des OVG Münster wurde dieser Widerspruch durch eine Hierarchisierung der jeweiligen Normen aufgelöst: Da die hergebrachten Grundsätze bei uns Verfassungsrang haben, steht die Europäische Menschenrechtskonvention (in der Auslegung des EGMR) im Gesetzesrang niedriger, da völkerrechtliche Verträge (wie die Konvention) in Deutschland einfachen Gesetzesrang haben, und damit unterhalb der Normgebung der Verfassung stehen. Danach schlägt das Verfassungsrecht jedes Bundesgesetz, wenn dieses der Verfassung widerspricht. Genau an dieser Stelle setzt das höchste deutsche Verwaltungsgericht nun neue Akzente:
Es stellt fest, dass bei inhaltlicher Unvereinbarkeit von Artikel 33 Abs. 5 GG und Artikel 11 Abs. 2 EMRK Verfassungsrecht sich nicht automatisch durchsetzt. Die Bundesrepublik sei völkervertragsrechtlich verpflichtet, der Konvention in der Auslegung durch den EGMR innerstaatliche Geltung zu verschaffen, d. h., dass deutsche Recht grundsätzlich konventionskonform zu gestalten. Dies korrespondiere mit der Verpflichtung zur Völkerrechtsfreundlichkeit als deutschem Verfassungsgrundsatz. Daher müsse die Bundesrepublik Deutschland sicherstellen, dass ihre Rechtsordnung in der Gesamtheit nach Möglichkeit mit der Konvention übereinstimmt. Dabei gelte diese Konvention als Auslegungshilfe für die Bestimmung von Inhalt und Reichweite der Grundrechte und der rechtsstaatlichen Grundsätze des Grundgesetzes. Danach seien die Verwaltung und insbesondere die Gerichte verpflichtet, im Rahmen ihrer Befugnisse das gesamte innerstaatliche Recht in Einklang mit der Europäischen Menschenrechtskonvention auszulegen. Wenn aber im Wege der Auslegung - wie hier – eine konventionskonforme Anpassung innerstaatlichen Rechts nicht möglich sei, sei der Gesetzgeber gefordert, diese Kollisionslage aufzuheben. Bis dies geschehe, bleibe allerdings das statusbezogene beamtenrechtliche Streikverbot bestehen.

Konsequenzen

Auch wenn das BVerwG für die Umsetzung durch den Gesetz-(Verfassungsgesetz-?)Geber keine Fristen setzen kann, hat es doch aus seiner Sicht Lösungsmöglichkeiten angeboten:
So könne der statusbezogene Rechtsgrundsatz zunächst für unmittelbar hoheitlich tätige Beamte bestehen bleiben. Für die anderen käme jedenfalls eine erhebliche Erweiterung der Beteiligungsrechte der Gewerkschaften in Richtung eines Verhandlungsmodells in Betracht. Die derzeit eingeräumten Beteiligungsrechte nach § 53 BeamtStG genügten nicht. In diesem Sinne käme eine Öffnung des Beamtenrechts für eine tarifautonome Gestaltung für den Bereich der innerdienstlichen sozialen und personellen Angelegenheiten in Betracht. Absolute Tarifautonomie könnte es aber wohl nicht geben, da hiermit das öffentlich- rechtliche Dienst- und Treueverhältnis in Frage gestellt werden könne. Allerdings gelte dies nicht für die Beamtenbesoldung. Diese stünde ohnehin in einem Zusammenhang mit der Entwicklung der Gehälter der Tarifbeschäftigten, also den Tarifabschlüssen für den öffentlichen Dienst. Da die Amtsangemessenheit der Alimentation bereits jetzt aufgrund eines Vergleiches mit dem Einkommen der Tarifbeschäftigten zu beurteilen sei, könne die Beamtenbesoldung nicht verfassungswidrig von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt werden.

Dieser Hinweis ist unabhängig vom Gegenstand des Urteils ein für uns wichtiger Hinweis: Wir halten bereits jetzt die im letzten Jahr nicht erfolgte Besoldungsanpassung an die Tarifentwicklung für rechts- und verfassungswidrig. Daher wird uns dieser Hinweis in den demnächst auch in Bremen anstehenden Gerichtsverhandlungen über die Anpassung der Beamtenbesoldung an die Tarifergebnisse deutlich helfen, den Anspruch auf bessere Besoldung auch auf diesem Wege durchzusetzen.

In Zusammenhang mit dem Streikurteil sieht das BVerwG hier die Möglichkeit, dass die Beamtenbesoldung in die Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst einbezogen werden könne, ohne die Balance des beamtenrechtlichen Regelungsgefüges zu gefährden!

Es bleibt spannend

Das BVerwG hat mit diesem Urteil eindrucksvoll bestätigt, dass wir mit unserer Linie, das Streikverbot für Beamte erneut vor die Gerichte zu bringen, richtig gelegen haben. Es muss und wird sich etwas tun im Hinblick auf die Ausweitung der eingeschränkten Rechtsposition von Beamtinnen und Beamten. Die gerichtliche Auseinandersetzung geht aber weiter. Die Verfassungsbeschwerde ist bereits anhängig, wir werden sie aufgrund dieses Urteils nochmals konkretisieren. Nach dem vorliegenden Urteil wird auch das BVerfG nicht wieder in alte Rechtsdogmatik zurückfallen können. Es bleibt also spannend.

Der Autor:

  • Gerd Rethmeier ist Referent für Rechtsschutz im GEW-Landesverband Bremen
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Gerd Rethmeier
Referent für Rechtsschutz
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