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Neue ErzieherInnenausbildung endlich realisieren – die Konzepte liegen vor!

„Neue Anforderungen ergeben sich insbesondere daraus, dass Kindertagesbetreuung stär-ker unter dem Bildungsaspekt in den Blick genommen wird, dass die Zahl von Kindern mit Sprachproblemen zugenommen hat und aus einem Bedeutungsgewinn sozial integrativer Arbeit in der Kinderbetreuung.“ (aus dem Beschluss der Bremischen Bürgerschaft Drs. 17/Stand 02.09.09)

ErzieherInnenarbeit ist Bildungsarbeit. Dies gilt mehr denn je in einer Zeit, in der Kindern und Jugendlichen die Erfahrung der Welt vorenthalten oder erschwert wird. ErzieherInnenarbeit ist es, den Ausgleich für das herzustellen, was unter den waltenden Umständen nicht erfah-ren werden kann, aber erfahren werden müsste. Wie noch nie zuvor bedarf es hoch qualifi-zierter Fachkräfte gerade im lern- und erfahrungsintensiven vorschulischen Bildungs- und Erziehungsbereich. So macht es auch der oben zitierte Bürgerschaftsbeschluss in seinen Ausführungen deutlich.

Das Land Bremen „leistet“ sich zurzeit noch eine Form der ErzieherInnenausbildung, aus der sich bereits fast alle Bundesländer zugunsten der Verbesserung der Qualität der Ausbildung verabschiedet haben: Einem nur wenig schulisch begleiteten Vorpraktikum schließt sich eine zweijährige Ausbildung an der Fachschule für Sozialpädagogik an. Ein einjähriges Berufs-praktikum ohne schulische Begleitung beschließt die Ausbildung.

VertreterInnen der Senatorischen Behörden für Soziales und Bildung und der Bremer Fach-schulen für Sozialpädagogik haben gemeinsam in 2010 ein Rahmenkonzept entwickelt, das den gestiegenen gesellschaftlichen Anforderungen, dem bundesweit bereits erfolgten Pro-zess der Anhebung des Qualifikationsniveaus und nicht zuletzt auch den im Bürgerschafts-beschluss vom 02.09.09 formulierten Ansprüchen gerecht wird: Zwei Jahre berufliche Erst-ausbildung zur Sozialpädagogischen AssistentIn mit der Möglichkeit der anschließenden dreijährigen Ausbildung zur ErzieherIn an der Fachschule für Sozialpädagogik. Damit erst wird die Fachschule für Sozialpädagogik zur „richtigen“ Fachschule, denn die derzeitige Ausbildung zur ErzieherIn ist eine berufliche Erstausbildung und entspricht nicht den Vorga-ben der Kultusministerkonferenz für eine Fachschule.

Den Ausbildungskonzepten zur ErzieherIn und zur Sozialpädagogischen AssistentIn ist ge-meinsam, dass sie ein Theorie-Praxis-Verständnis zugrunde legen, welches als „Praxis ge-leitete Theorie“ und „Theorie geleitete Praxis“ seine treffende Kurzbeschreibung erfährt. Er-gänzt wird dieser Prozess – so im Rahmenkonzept für die ErzieherInnenausbildung vorge-sehen – durch ein einjähriges schulisch begleitetes, bezahltes Berufspraktikum unter Anlei-tung qualifizierter PraxisanleiterInnen, bei fachwissenschaftlicher Begleitung durch die Fach-schule und unter Berücksichtigung der spezifischen Anforderungen des jeweiligen sozialpä-dagogischen Arbeitsfeldes.

Allein: Diese neue, eine deutliche Qualitätsverbesserung versprechende Ausbildung, wird gerade in Frage gestellt. In der Bremischen Politik wirken Kräfte, die den Versuch unterneh-men, dieses den gestiegenen Qualitätsanforderungen verpflichtete Rahmenkonzept politisch zu verhindern.

Dauert die Ausbildung zu lange?

Eine in der aktuellen Diskussion vorgebrachte Überlegung rechnet vor, dass die Ausbildung zur ErzieherIn nun statt vorher 4 Jahre, dann nach dem Rahmenkonzept 5 Jahre dauert. Dies ist rein rechnerisch richtig, aber unter zweierlei Gesichtspunkten dann doch falsch:

Diese Rechnung geht davon aus, dass jegliche Dauer einer Ausbildung ab dem Abschluss der Mittleren Reife zu berechnen sei. Die Voraussetzung einer Fachschulausbildung ist aber zusätzlich eine bereits abgeschlossene berufliche Erstausbildung. Ist für ein Studium das Abitur oder die (Fach-) Hochschulreife Voraussetzung, so ist dies für die Fachschule die be-rufliche Erstausbildung. Mit der beruflichen Erstausbildung wird ein Zugang zu einem höhe-ren Qualifikationsniveau erworben, welches sonst nur durch einen höheren allgemeinbilden-den Schulabschluss erworben werden kann. Damit eröffnet die berufliche Erstausbildung den Weg über den studienqualifizierenden Abschluss einer Fachschule zum Hochschulstu-dium und ist ein wesentlicher Faktor zur gesellschaftlichen Wertschätzung beruflicher Bil-dung. Der Weg an die Universität steht damit nicht mehr nur dem Menschen mit Abitur offen, sondern gleichermaßen dem Menschen mit beruflicher Qualifikation. Dass dieser Weg etwas länger dauert, ist eine Chance: Menschen, die aufgrund ihres persönlichen Lebensweges wenig Zugang zu klassischer schulischer Bildung hatten, wird die Möglichkeit geboten, ihre praktischen beruflichen Erfahrungen und Qualifikationen zum Gegenstand der Reflexion zu machen und Theorie auf Praxiserfahrungen zu fundieren.
Das ist Durchlässigkeit.
Eine Alternative wäre es, der Forderung zu folgen, die ErzieherInnenausbildung an die Hochschule zu verlagern. Begründung: Das geforderte Niveau ist so hoch, dass ein allge-meinbildender Abschluss der Mittleren Reife dies nicht erreichen lässt. Diese Position impli-ziert, dass eine berufliche Erstausbildung dies nicht ermöglicht, also ein Bildungsverständnis, welche die klassische gymnasiale Bildung verabsolutiert und davon ausgeht, dass berufliche Bildung es nicht vermag, das erforderliche Niveau zu erreichen.

Wie lässt sich das Niveau der Fachschulausbildung genauer beschreiben?

Die gültige Rahmenvereinbarung der Kultusministerkonferenz v. 07.01.2002 definiert Fach-schulen als „Einrichtungen der beruflichen Weiterbildung. Die Bildungsgänge in den Fachbe-reichen schließen an eine berufliche Erstausbildung und an Berufserfahrungen an.“ Das ge-forderte Niveau einer Fachschulausbildung wird deutlich, wenn es an gleicher Stelle heißt: „Fachschulen qualifizieren für die Übernahme von Führungsaufgaben und fördern die Bereit-schaft zur beruflichen Selbstständigkeit.“ Im Beschluss der Kultusministerkonferenz v. 06.03.2009 wird festgehalten, dass Inhaber von Fachschulabschlüssen mit diesem Ab-schluss die Hochschulzugangsberechtigung erwerben, vergleichbar einem Meister im Hand-werk. Die Fachschulausbildung entspricht einer beruflichen Erstausbildung also weder in schulischer noch in dualer Form, sondern ist immer als Weiterbildung definiert, um einen beruflichen Abschluss auf höherem Niveau zu erreichen, der auch die Studierfähigkeit bein-haltet.

Sozialpädagogische Qualifikation unterhalb der ErzieherInnenausbildung?

Tatsächlich existiert hier ein Dilemma, wenn wir davon ausgehen, dass komplexe berufliche Anforderungen in sozialpädagogischen Tätigkeitsfeldern hochqualifizierte Fachkräfte erfor-dern. Bislang waren es die KinderpflegerInnen, die als beruflich Erstausgebildete mit der Eingangsvoraussetzung des Erweiterten Hauptschulabschlusses einen sozialpädagogischen Berufsabschluss erwarben. Dieser Bildungsgang läuft aus, d.h. es ist nicht mehr möglich, unterhalb der Mittleren Reife eine sozialpädagogische Berufsausbildung zu beginnen. Diese SchülerInnen müssen nun zunächst in anderen Bildungsangeboten (z.B. einjährige Berufs-fachschule) den Realschulabschluss erwerben, bevor sie sich für die Sozialpädagogische Assistenz bewerben können. In den Bundesländern, die die Ausbildung zur SozialassistentIn oder Sozialpädagogischen AssistentIn anbieten (das sind fast alle), gibt es für die Ausgebil-deten in der Regel die Beschäftigungsmöglichkeit als Assistentin der ErzieherIn (Thema: Zweitkraft).
Alternativ zur beruflichen Tätigkeit als AssistentIn besteht die Möglichkeit des anschließen-den Erwerbs der Fachhochschulreife mit der Perspektive eines Fachhochschulstudiums oder bei entsprechendem Notendurchschnitt die Möglichkeit der anschließenden Ausbildung an der Fachschule.

Qualifizierte Ausbildung - anspruchsvolle Tätigkeit – geringe Bezahlung?

Erstaunlich ist, dass als Argument gegen das Rahmenkonzept die Bezahlung besonders für Frauen genannt wird, die der langen Ausbildungszeit nicht entspräche. So ist es: Die Bezah-lung entspricht weder dem Qualifikationsniveau noch der Ausbildungsdauer. So ist es in der Regel in hochqualifizierten Frauenberufen und das macht es nicht besser.
Sollen wir mit diesem Argument aber Frauen abhalten, einen längeren qualifizierten Bil-dungsweg zu gehen, wohl wissend, dass die anschließende Eingruppierung zu niedrig ist? Oder sollen wir eine Ausbildung anbieten, die in Dauer und Qualifikationsniveau der an-schließenden Entlohnung entspricht? Beides kann keine Option sein, weder im Interesse der Qualifikation von Frauen und Männern noch im Interesse der Kinder und Jugendlichen, um die es immerhin geht. Sowohl gesellschaftspolitisch als auch frauenpolitisch kann es nur darum gehen, ein hohes Qualifikationsniveau zu realisieren bei gleichzeitigem politischem Engagement um die angemessene Eingruppierung. Dazu gehört zweifellos auch der Erhalt des derzeitigen Praktikantenentgelds nach dem Berufsbildungsgesetz.
Die Struktur des vorgelegten Rahmenkonzepts ermöglicht dies ausdrücklich: Das dritte Aus-bildungsjahr ist dort als bezahltes Berufspraktikum in fachschulischer Begleitung konzipiert mit dem Ziel, ein hohes Ausbildungsniveau in der Verzahnung von Theorie und Praxis zu gewährleisten.

Sparen um jeden Preis?

In Zeiten knapper finanzieller Ressourcen wird gerade in Bremen danach gesucht, die je-weils billigste Lösung zu finden: So nimmt es nicht Wunder, dass die Idee der Streichung des Praktikantenentgelts im dritten Ausbildungsjahr – sprich Anerkennungsjahr – aufkam. Noch günstiger ist es (mit dem Blick auf Niedersachsen), das Anerkennungsjahr ganz zu streichen, denn dabei können auch die anfallenden LehrerInnengehälter und Ressourcen für die Betreuung durch die PraxisanleiterInnen eingespart werden. Klug ist dies nicht, denn es be-deutet, dass die Ausbildung zur ErzieherIn an der Fachschule insgesamt nur noch 2 Jahre dauert. Dies ist nur möglich, wenn große Teile der Praxiserfahrung und des Theorieanteils entfallen.
Möglicherweise wird sich aber jemand finden, der auch diese „Reform“ als Zuwachs an Qua-lität frühkindlicher Bildung und Entwicklung preist.
Anmerkung für die Träger: Es wird nach dieser Option keine JahrespraktikantInnen mehr geben, weder für das einjährige Vorpraktikum noch für das Anerkennungsjahr.
Anmerkung für die Finanzplaner: Der genaue Blick auf das scheinbar verlockende Nieder-sächsische Modell (2 + 2 Jahre) wird dem Fachkundigen verdeutlichen, dass dort jede(r) BewerberIn der Fachschule den Abschluss der SozialassistentIn vorher erworben haben muss. Dies ist auch nicht anders vorstellbar in einer auf zwei Jahre gekürzten Fachschule, bedeutet aber einen außerordentlich hohen Kostenfaktor im Vergleich zum vorgelegten Bre-mer Rahmenkonzept, welches für Bewerberinnen mit bereits erworbener Hochschulreife und abgeschlossener Berufsausbildung davon unabhängige Praktika (kostenneutral) als Zu-gangsvoraussetzung ermöglicht. (In Bremen sind es zurzeit ca. 50 % der FachschülerInnen, die über eine Hochschulreife oder eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügen, Ten-denz steigend) Das dann aus dem Rahmenkonzept gekürzte dritte Jahr der Fachschule schlägt stattdessen als Vollzeitschuljahr der Berufsfachschule für Sozialpädagogische Assis-tenz zu Buche. Ergebnis: Die Qualität wird nicht erhöht – die Kosten bleiben gleich.

In jedem Fall wird es spannend sein, wie sich die VertreterInnen der politischen Parteien in Bremen zum vorliegenden Rahmenkonzept und zu den Streichungsvorschlägen verhalten, um die Umsetzung des Bürgerschaftsbeschlusses zu realisieren.
„Gleichzeitig muss auch die ErzieherInnenausbildung qualitativ weiter entwickelt werden, um den gestiegenen Anforderungen und Erwartungen an die Bildungs- und Erziehungsarbeit der Fachkräfte entsprechen zu können.“ (aus dem Beschluss der Bremischen Bürgerschaft Drs. 17/Stand 02.09.09)