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Bin ich gleichberechtigt?

Mühsam, mit Witz und kluger Strategie erkämpft“

Eine Buchrezension

Bin ich gleichberechtigt? Unter diesem Titel veröffentlicht die Bremer Autorin, ehemalige Lehrerin und langjährige Funktionärin der GEW, Romina Schmitter, ein Buch. Sie beschreibt historische Entwicklungen und Wendepunkte in der Entwicklung der Frauenbewegung hin zu gleichberechtigterer Teilhabe und Gestaltungsmöglichkeit in unserer Gesellschaft. Gleich vorweg gesagt: in diesem Buch wird deutlich, dass nichts von dem, was uns heute selbstverständlich erscheint, auch so ist oder gar in unserer „Gesellschaftsordnung“ angelegt ist, sondern alle einzelnen Facetten sind von Frauen mühsam und hartnäckig, aber auch mit Phantasie, Witz und kluger Strategie erkämpft worden. So legt sie dar, dass auch in unserer (Kultur-) Geschichte die Konditionierung von Weiblichkeit hin zu Unterordnung unter den Mann und häusliche Fürsorge angelegt sind und über Jahrhunderte den Diskurs bestimmte.

Auch im Ehe- und Familienrecht war über Jahrhunderte im europäischen Raum die Vormundschaft der Männer festgeschrieben. Die vielfältigen Unterdrückungsmöglichkeiten im familiären Raum wurden nur in keinen Schritten und bis in die jüngste Zeit hinein, verringert. So schrieb noch das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) um 1900 fest,  dass der Ehemann fast alles zu bestimmen hatte (Familienname, Wohnort, Angelegenheit der gemeinsamen Kinder, Vermögen, (Mit)Arbeit der Ehefrau, Gewalt in der Ehe). Schrittweise wurden diese Regelungen geändert. „Hintergrund der Geschlechtervormundschaft … waren die frauenfeindlichen Vorstellungen arabischer wie europäischer Theologen und Philosophen.“ Ob in der 4. Koransure „Die Männer sind den Weibern überlegen….“ oder aus der Bibel (1. Paulusbrief an die Korither: „Christus (ist) das Haupt eines jeden Mannes; der Mann aber ist das Haupt der Frau…)“, so wimmelt es auch in unserer Tradition von Abwertungen der Frau und Überhöhungen der Männer, die sich nicht nur geistesgeschichtlich, sondern auch in der gesellschaftlichen Lebensorganisation niederschlagen. Dafür gibt es erhellende Beispiele und kluge Einordnungen, die uns daran erinnern, dass die jetzige Situation in langwierigem Kampf errungen wurde und überhaupt nicht selbstverständlich ist.

Wie gelang es, diese Strukturen zu verändern und weitere Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten für Frauen zu entwickeln? Dazu lässt Romina Schmitter eine ganze Reihe von Frauenkämpferinnen in verschiedensten Feldern und durch die Jahrhunderte zu Wort kommen, zeigt ihre Lebensumstände und Leistungen  liefert wunderbare Porträts, eingebettet in die politischen Diskussionen der jeweiligen Zeit. So die Frauenrechtlerin Hedwig Dohm mit ihrer Streitschrift „Der Frauen Natur und Recht“ von 1876 , die Sozialdemokratin Marie Juchacz, die als erste Frau 1919 in der Weimarer Nationalversammlung sprach und ihre Rede mit den Worten „Meine Herren und Damen“ begann, (was laut Protokoll zu «Heiterkeit» führte) bis zum Ringen um das Grundgesetz. Die Juristin und Sozialdemokratin, Elisabeth Selbers setzte den kleinen, feinen Satz durch „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“. Das Ringen um diesen schlichten selbstverständlichen Satz, die Diskussionen, die Ablehnung in der 2. Lesung und der Kampf sowie die Mobilisierung der Frauen, bis er endlich in der 3. Lesung aufgenommen wurde, zeigen meines Erachtens noch einmal exemplarisch, das nichts von dem, was erreicht wurde, leicht oder einfach war.

Auch die aktuellen Debatten um Quoten, Quoren, Präsenz und Repräsentanz werden aufgegriffen und beleuchtet.

Insgesamt ein rundum gelungener, griffiger Abriss, der Mut macht, weiter zu kämpfen um gleichberechtigte Teilhabe, um Gleichwertigkeit – nicht Gleichartigkeit.

Eine lebendige Darstellung, die die Prozesse und Strategien bei einzelnen Konfliktlinien erläutert, machen das Buch auch zu einer Lehrschrift. Nicht nur das ausführliche Quellenverzeichnis, sondern auch das sorgfältige Personenverzeichnis erleichtern den Zugriff und die Arbeit damit.

Insbesondere auch die Erkenntnis, das alles das, was wir jetzt haben, sehr jung ist und damit vielleicht auch verletzlicher oder noch nicht gefestigt, bewegt mich. Nicht zuletzt erging es mir beim Lesen so, dass ich vor dem Hintergrund der Auseinandersetzungen, die wir auch in GEW um Quoten, Statuten und Schwerpunkte führen, vieles wiedererkannte und mir mehr Mut zum Weiterarbeiten zuwuchs. Dafür möchte ich Romina Schmitter meinen Dank aussprechen.

Romina Schmitter, Bin ich gleichberechtig? Historischer Streifzug zu einem aktuellen Problem Edition Falkenberg, Bremen 2018, € 14,90