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Rechtsextreme an Schule

Mitten unter uns

PädagogInnen mit völkischem Hintergrund sind keine Seltenheit

copyright: Berliner Botschaft

Ortrun G. studiert auf Lehramt an der Universität Bremen, Dietlind B. ist bereits Lehrerin, Almuth S. hat ihr Pädagogikstudium in Sachsen aufgenommen, Irmhild M.-S. unterrichtet Musikunterricht an einer Waldorfschule in Schleswig-Holstein, befindet sich aber zur Zeit im Schwangerschaftsurlaub, Gerhild D. arbeitet als selbstständige Musiklehrerin in der Lüneburger Heide, nebenher bringt sie Kameraden Volkstanz bei. Diese jungen Frauen gehören zur rechtsextremen Szene, sie waren in völkisch-nationalistischen Jugendorganisationen aktiv oder beteiligen sich an Aktionen der Identitären Bewegung. Pädagoginnen mit völkischem Hintergrund sind keine Seltenheit. 2018 stellte der ehemalige Gymnasiallehrer Björn Höcke als Fraktionsvorsitzender der Alternative für Deutschland (AfD) im Thüringer Landtag ein Positionspapier zur „Leitkultur“ vor, darin heißt es: „Vor allem in den Schulen und Bildungseinrichtungen muss die Förderung einer lebendigen Vermittlung der identitätsprägenden Inhalte unserer Kultur und Geschichte wieder zur pädagogischen Leitlinie werden“. Höcke ist Kopf des völkischen „Flügel“ innerhalb der weit rechten Partei. Der redegewandte Populist bewegt sich zwischen reaktionärer Ideologie und Rechtsextremismus.

Sportlehrer Höcke

Seine Tätigkeit an einer Integrierten Gesamtschule beendete Höcke nach nur vier Jahren, weil er bald gespürt habe, dass seine „Bildungsbemühungen meist verpufften, dass die Schüler – viele mit Migrationshintergrund – für meine Bildungsanliegen, also auch eine Weitergabe deutscher und europäischer Kulturtraditionen, nicht aufzuschließen waren.“ Seine Erfahrungen als Lehrer seien ein Motiv dafür gewesen in die Politik zu gehen In Groß-Gerau habe er „das Desaster der Multikulturalisierung“ erlebt. Stolz berichtet Höcke davon, als junger Sportlehrer in einem schwarz-weißen Hemd mit „Deutschland“ -Aufschrift in den Unterricht gegangen zu sein. „Zu meiner Freude sah man in der Folgezeit den einen oder anderen Schüler, der es seinem Lehrer nachtat.“[Zitiert aus: „Nie zweimal in denselben Fluß“, Björn Höcke im Gespräch mit Sebastian Hennig; erschienen im rechten Manuscriptum-Verlag] Ansonsten zeigten deutsche Schulen seiner Meinung nach „eindeutige Verfallssymptome“. Es klingt nach nichts anderem als völkischer Rhetorik, wenn Björn Höcke dann eine „alte Einsicht“ zitiert: „Gesunde Gesellschaften haben gesunde Schulen.“

 

Sprecherin der AfD Bremen

Auch Natalia Bodenhagen ist Pädagogin und Mitglied im Landesvorstand der AfD in Bremen. Bei Wahlen warb die Bio- und Chemielehrerin aus Bremerhaven damit, die „rot-grüne Bildungsmisere“  stoppen zu wollen. Ihre politische Karriere hatte sie bei der rechten Law-and-Order-Partei Bürger in Wut begonnen. Inzwischen ist Bodenhagen Stadtverordnete in Bremerhaven und Bildungspolitische Sprecherin der AfD. Bei „abgeordnetenwatch“ schrieb sie unter anderem: „Vandalismus, körperliche und verbale Gewalt, Respektlosigkeit, Schulabsentismus, Drogenmissbrauch und Drogenhandel gehören an vielen Schulen in Bremen und Bremerhaven mittlerweile zum Alltag. Als Lehrerin an einer Oberschule weiß ich wovon ich rede. Grüne, Linke und Sozialdemokraten schweigen zu diesen Problemen gerne. Daher setze ich mich dafür ein, diese Probleme ohne ideologische Vorbehalte zu benennen.“  Bisher ist sie als Stadtverordnete ihrer Heimatstadt allerdings nicht in Erscheinung getreten, wie die Protokolle der Sitzungen belegen.

 

„Linksgepolte“ Lehrer

Auch im Bundesland Bremen sollten nach dem Willen der AfD  ab 2018 „politisch inkorrekte“ Pädagogen, die zum Beispiel Kritik an der rechten Politik äußerten, per Meldeportal angeschwärzt werden können. Der stellvertretende AfD-Landesvorsitzende Thomas Jürgewitz gab als Begründung für die Freischaltung an, über „linksgepolte“ Lehrer würden Schüler mit einem „links-grünen Weltbild“ geprägt und ergänzte: „Wie unter Margot in der DDR, in Bremen nur subtiler, als Gutmenschenerziehung verbrämt!“ [Anmerk.: https://afd-bremerhaven.de/neutrale-schule-der-stich-ins-gew-wespennest-das-afd-meldepoltal-gegen-ideologie-und-indoktrination-in-der-schule/

]. Der Aufruf zur Online-Denunziation stieß auf breite Gegenwehr. Die Datenschutzbeauftragte des Landes Bremen untersagte die Meldeseite [Anmerk.: www.faz.net/aktuell/karriere-hochschule/afd-meldeportale-werden-diese-plattformen-ueberhaupt-genutzt-16501860.html ].


Weil das Verbot in der Hansestadt von der AfD nicht angefochten wurde, blieb der Fall wenig bekannt.

 

Erst Konrektor, dann AfD

„Fest in der Hand von Lehrern“ sei die Führung des AfD-Kreisverbands Oldenburg-Land/Wesermarsch schrieb die Lokalzeitung Anfang 2015. Gemeint war auch Harm Rykena, heute Landtagsabgeordneter in Hannover.  Mit „großer Sorge“ sahen er und seine Mitstreiter dem neuen Schulgesetzentwurf in Niedersachsen entgegen und sprachen sich gegen die verstärkte Einführung von Gesamtschulen aus. Rykena, Jahrgang 1963, war bis 2017 Konrektor der Grundschule in Ahlhorn. Gemeinsam mit seinem Vater, einem Schulrektor im Ruhestand, vertrat er die AfD zunächst im Gemeinderat seines Wohnorts. In seiner Freizeit trainierte Rykena die Jugend im ASV Ahlhorn. Auf seinem Facebook-Profil postete er Seiten wie: „Wir lieben Ärsche und stehen dazu“ oder likte eine Facebook-Gruppe gegen Gender-Mainstreaming. Die befasst sich mit angeblichen Problemen des „Gender-Wahns“. Rykena mag zudem das Profil „Solidarität mit Tatjana Festerling“. Die ehemalige Frontfrau von „Pegida“ in Dresden bewegt sich im radikalen, rassistischen Lager. Im Sommer 2016 schloss sie sich für einen Tag einer paramilitärischen Bürgerwehr in Bulgarien an, die dort an der Grenze Flüchtlinge jagte. Am 1. September 2018 beteiligte sich der ehemalige Grundschullehrer an einem gewaltbereiten Aufmarsch von Anführern des „Flügel“ um Björn Höcke und Anhängern rechtsextremer Gruppen in Chemnitz.

 

NPD-Erzieherin

Um „kulturelle Hegemonie“ im vorpolitischen Raum ist nicht nur die Alternative für Deutschland bemüht. Auch die rechtsextreme NPD setzte frühzeitig auf eine Strategie der Akzeptanzgewinnung – auch im Bildungssektor. Bereits 2010 hatte die NPD-nahe Zeitung „Deutsche Stimme“ angemahnt: Erziehung sei eine „nationale Lebensaufgabe“ und dazu aufgefordert,  Ausbildungen zur »Sozialassistentin« oder zu »Erziehern« abzuschließen, denn die vorschulische Erziehung und Kinder- und Jugendarbeit würde noch »allzu oft ungenützt von uns Nationalen« bleiben.  Im selben Jahr sorgte der Fall einer Klassenlehrerin aus der Nähe von Husum für Schlagzeilen. Die Parteifunktionärin hatte einen ihrer Schüler für die NPD angeworben und Mails an ihn mit „88“, dem Szenecode für „Heil Hitler“ unterzeichnet. 2013 willigte Birkhild Theißen aus Lübtheen in ihre Kündigung ein. Jahrelang hatten Eltern und Medien immer wieder daraufhin gewiesen, dass die Erzieherin eines Kindergartens in Lüneburg nicht nur mit einem mecklenburgischen NPD-Funktionär verheiratet ist, sondern selbst in ihrer Jugend die später wegen ihrer Verfassungsfeindlichkeit verbotene Wiking-Jugend mitangeführt habe. 2018 beklagt sich Theißen öffentlich in einem Video mit dem Titel „Ausgrenzung & Sippenhaft“. Sie spricht in die Kamera eines rechtsextremen Youtubers, der sich  „Der Volkslehrer“ nennt. In dem veröffentlichten Gespräch verharmlost Theißen die NPD als „reguläre Partei“ und relativiert ihre Zeit in der paramilitärischen Wiking-Jugend, einer Nachfolgeorganisation der Hitlerjugend. Es sei nur darum gegangen „die Kultur zu erhalten“, behauptet die Erzieherin. Ihr Interviewpartner zeigt viel Verständnis. Wenig verwunderlich, denn hinter dem Youtuber Der Volkslehrer verbirgt sich der ehemalige  Berliner Grundschullehrer Nikolai Nerling. Dem 38-jährigen Rechtsextremisten war im Mai 2018 gekündigt worden. Der Clip mit der weinenden Erzieherin wurde bisher über 51.000 Mal angeklickt.