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Institut für Qualitätsentwicklung (IQB)

Mehr Tests oder mehr Lehrkräfte?

Warum die Hamburger IQB-Ergebnisse besser sind

In den letzten Jahren hat das Bundesland Hamburg in den Rankings, die das Institut für Qualitätsentwicklung (IQB) auf Basis von Testergebnissen regelmäßig aufstellt, seinen Rangplatz teilweise deutlich verbessert. Seit PISA 2000 standen die drei Stadtstaaten traditionell am Ende der Skala. So wurde 2006 durch IGLU die Lesefähigkeit am Ende der Grundschulzeit abgeprüft und die Punktzahl lag bei allen dreien ganz unten: Bremen 522, Berlin 525, Hamburg 528, Bundesdurchschnitt 548 und Bayern 569. Inzwischen hat sich weitgehend herumgesprochen und ist auch wissenschaftlich belegt, dass die Stadtstaaten als „Großstädte ohne Umland“ im Vergleich zu den Flächenländern einen unverhältnismäßig hohen Anteil an Kindern mit Migrationshintergrund und aus armen Familien beherbergen und daher in den Tests so schlecht abschneiden. Umso auffälliger ist der langsame Aufstieg Hamburgs in diesen Rankings.

Die Veränderung wird in folgender Tabelle deutlich, die das IQB nach Auswertung seiner Tests aus den Jahren 2011 und 2016 herausgegeben hat:

Testergebnisse im Lesen
Angaben in %

  unter Regelstandard Regelstandard Optimalstandard
  2011 2016 2011 2016 2011 2016
Bremen 21,3 25,5 52,1 47,7 6,8 5,2
Berlin 22,2 20 53,7 57 7,4 10,1
Hamburg 18,3 14,2 58,6 65 8,2 9,3
Deutschland 12,4 12,5 66,7 65,5 12 10,2

Quelle: IQB-Bildungstrend 2016

Während im Lesen im Bundesdurchschnitt nur leichte Veränderungen zu verzeichnen waren, ist in Bremen der Anteil der Ergebnisse unter dem Regelstandard von 21,3% auf 25,5% angestiegen, in Hamburg dagegen konnte er von 21,3% auf 14% minimiert werden. Im Laufe der Jahre hat sich eine merkliche Differenz entwickelt. Während Hamburg sich dem Bundesdurchschnitt nähert, liegen Berlin und Bremen weit darunter. Hier schließt sich natürlich die Frage an, was diesen Unterschied ausmacht.

Gerade bei Tests im Lesen könnte ein Unterschied in den Voraussetzungen liegen, die die Kinder mitbringen. Aber hier ist keine große Differenz feststellbar. Der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund betrug 2016 in Bremen 52% und in Hamburg 48%. Auffällig ist dagegen der Unterschied in der Ausstattung der Schulen mit Lehrkräften. Die folgende Tabelle zeigt die Entwicklung der Schüler-Lehrer Relationen seit 2006:

Schüler-Lehrer-Relation in der Grundschule

  2006 2011 2016
Bremen 18,4 15,1 15,3
Berlin 17,3 16 15,5
Hamburg 17,9 13,8 13,2
Deutschland 19,4 17 16,3

Quelle: KMK

Hier ist Hamburg einen besonderen Weg gegangen. Die Zahl der Schüler*innen hat sich in diesem Zeitraum in den Stadtstaaten wenig verändert. Von 2006 bis 2011 sank sie überall leicht und stieg dann bis 2016 wieder auf den vorherigen Stand an. Die Zahl der Lehrkräfte in den Grundschulen wurde auch in Bremen und Berlin erhöht, aber in Hamburg stieg sie außergewöhnlich. Dies zeigt ein Blick auf die absoluten Zahlen:

Zahl der Lehrkräfte in der Grundschule
(VZE)

  2006 2011 2016
Bremen 289 1371 1470
Berlin 6505 6309 7575
Hamburg 2978 3747 4328
Deutschland 162687 164199 170393

Quelle: KMK

In einer Phase leicht sinkender Schüler*innenzahl, von 2006 bis 2011, hat Hamburg den Lehrkräftebestand an den Grundschulen um 769 Vollzeitstellen erhöht. Das sind 26%. Und bis 2016 sind noch einmal 581 Stellen hinzugekommen. Damit hat Hamburg an den Grundschulen jetzt eine Schüler-Lehrer-Relation, wie sie international nur in wenigen OECD-Ländern erreicht wird.

Was läge näher, als hier eine Ursache für die Erfolge zu suchen? Aber die Aufmerksamkeit der Bremer SPD-Politiker*innen ging von Beginn an in eine ganz andere Richtung. Hamburg weist neben der besseren Ausstattung eine zweite Besonderheit auf: Die Evaluation und Steuerung durch Tests ist hier weiter ausgedehnt als in jedem anderen Bundesland. Die Stadt leistet sich ein Qualitätsinstitut mit ca. 50 Mitarbeiter*innen, das zusätzlich zu VERA 3 und VERA 8 flächendeckende Tests im 2., 5., 7., 9. und 10. Jahrgang  produziert und auswertet. Die Kritik an einer solchen Produktion von Massendaten ist vielfältig, sie reicht von „wirkungslos“ über „teaching to the test“ bis hin zu „neoliberale Überwachung und Steuerung durch Rankings und Ziel-Leistungs-Vereinbarungen“. (Siehe hierzu die Beiträge in diesem Heft.)

Auf jeden Fall ist diese Ausdehnung der Testerei bedeutend billiger als die Behebung des Personalmangels an den Schulen. Und hier dürfte ein wesentliches Motiv der Initiatoren der beabsichtigten Übernahme der Hamburger Testkultur liegen. Im Juni 2017, als sich schon vor der Veröffentlichung des IQB-Bildungstrends 2016 die schlechten Bremer Ergebnisse herumsprachen, ließen sich die Bildungssenatorin und die SPD-Fraktion von Norbert Maritzen, dem Leiter des Hamburger Instituts, dessen Arbeitsweise erläutern. Im September war im „Weser-Kurier“ zu lesen: „Vorstoß für ein Qualitätsinstitut. Mehr Tests, genauer Hinsehen. Die SPD fordert eine neue Form der Schulaufsicht.“ (WK 11.09.2017) Nach der IQB-Veröffentlichung ging es dann ganz schnell. Im Oktober wurde ein entsprechender Dringlichkeitsantrag zur Gründung eines „Bremer Instituts für Qualitätsentwicklung“ (IQHB) in der Bürgerschaft gestellt. Begleitschutz kam von Petra Stanat, wissenschaftliche Direktorin des IQB. Sie äußerte im „Weser-Kurier“: „Forderungen nach mehr Lehrern und kleineren Klassen beurteilt sie als 'vorschnell'. Es gebe keine Untersuchung, 'die einen signifikanten Zusammenhang zwischen Größe der Lerngruppen und Schulleistungen belegt', sagte die Bildungsforscherin. Ein qualitativ schlechter Unterricht werde mit weniger Schülern nicht besser.“ (WK 19.10.2017)

Der ganze Ablauf der IQHB-Einführung entlarvt nicht etwa diejenigen als „vorschnell“, die eine bessere Ausstattung der Schulen fordern, sondern diejenigen, die permanente Tests als Heilmittel propagieren.