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Berufsschulen

Mehr Illusion als Vision

Anmerkungen zur Schulstandortplanung für die Berufsbildenden Schulen   

Nebulöses Projekt. Das geplante Hauptgebäude des Campus Nord. Foto: Ingo Lenz

Politik braucht Visionen. Eine aktuelle bildungspolitische Vision ist die Zusammenlegung der bisher 16 Berufsschulstandorten zu weniger und größeren Schulen. Wie viele neue Standorte es werden sollen ist nach dem jetzigen Stand noch unklar. Genannt wurde bisher, der alleinige Umzug des Technischen Bildungszentrums Mitte auf das Brinkmanngelände in Woltermershausen und die Teilnutzung des Geländes der ehemaligen Wollkämmerei in Blumenthal. Ebenso sind die fachlichen Kriterien nach denen die Schulen zusammengelegt werden sollen noch nicht wirklich zur Diskussion gestellt. Einziger Hinweis ist, es sollen gleichartige Profile konzentriert werden.

 

Blumenthaler Pilotprojekt

Am weitesten sind die Ideen zur Nutzung des Blumenthaler Geländes fortgeschritten. Mitte 2018 erstmalig formuliert, schien diese Orientierung eher als eine Maßnahme den darbenden Blumenthaler Ortskern zu revitalisieren und der Ortspolitik einen neuen Hoffnungsschimmer zu bieten und weniger eine Bildungspolitisch durchdachte Orientierung zu sein.

Diese pädagogisch didaktische Begründung wurde erstmals in einer Deputionsvorlage vom 19.02.2019 nachgeliefert.

Darin heißt es: „Die berufsbildenden Schulen in Bremen stehen vor vielfältigen Herausforderungen. Zum einen entsprechen die Schulgebäude in ihrer Aufteilung häufig nicht den pädagogisch didaktischen Bedarfen an einen zeitgemäßen, praxis- und lernfeldorientierten Unterricht.“ Genannt wurde ebenso der gestiegene Differenzierungsbedarf angesichts inklusiver werden beruflichen Schulen.

Daher, so die Schlussfolgerung, werden moderne Schulgebäude benötigt um zeitgemäße Lernsituationen ermöglichen zu können.“

 

So weit so gut. Was ist angedacht und inwieweit entsprechen diese Vorstellungen dem hohen Ziel anforderungsgerechter Lernräume und Arbeitsbedingungen?

 

Territorium statt Profil

Auf dem Gelände der ehemaligen Bremer Wollkämmerei ist beabsichtigt fünf berufliche Schulen aus dem Bremer Norden und Oslebshausen zusammenzuziehen. Dabei handelt es sich um drei Schulen mit dem Schwerpunkt einer gewerblich technische Ausrichtung (Bauberufe, Metalltechnik, Elektrotechnik (HW) Sanitär Heizung Klima) um eine mit kaufmännischen Zuschnitt sowie eine für sozialpädagogische, gesundheits und hauswirtschaftliche Dienstleistungen.

Eigentlich soll am Prinzip der Profil-Berufsschulen festgehalten werden. D. h., dass die berufsbildenden Angebote in den einzelnen Fachrichtungen (kaufmännisch, personenbezogene Dienstleistungen, gewerblich-technisch, gestalterisch, etc.) jeweils auf einem Campus gebündelt werden sollen (Deputationsvorlage).

Eine nachvollziehbare pädagogische Begründung, warum das Prinzip der Profil-Berufsschulen in dem Blumenthaler Projekt nicht umgesetzt werden soll, steht noch aus. 

 

Lern-Räume neu Gedacht?

Das denkmalgeschützte Sortiergebäude spielt in dieser Planung eine zentrale Rolle. In diesem Gebäude sollen gleich mehrere Schulen beheimatet werden. Wobei eine Erweiterung der Räumlichkeiten auf angrenzenden Flächen notwendig wird.

Jedoch sind Zweifel angebracht, inwieweit das 1910 gebaute Kulturdenkmal zu einem modernen Schulgebäude mit anforderungsgerechter Lernumgebung umgewidmet werden kann. Wird die Raumplanung in einem Korsett unveränderbarer Fassaden entwickelt kann der Ausgangspunkt für die Überlegungen eben nicht die Bedarfe und Bedürfnisse der Lernenden und Lehrenden, sondern es wird immer ein Kompromiss sein.

Inwieweit die Werkstätten und Labore für den praxis- und handlungsorientierten Unterricht der drei handwerklich orientierten Berufsschulen dem jetzigen Raumangebot entsprechen ist eine weitere offene Frage          

 

Viele gleich gut?

Ebenso stellt die Anzahl und Diversität der dort zu beschulenden Schülerinnen und Schüler eine zu diskutierende Thematik dar. Auf der Grundlage der Schulstatistik des Sj. 2018/19 ist geplant dass insgesamt 4042 [Anmerk.: In der Deputationsvorlage sind „nur“ 3899 genannt. Da wurden die Werkschulen vergessen] SuS diesen Campus besuchen sollen. Wobei 2498 Auszubildende im Dualen System entweder im Blockunterricht oder i.d.R an zwei Tagen der Woche beschult werden und 1544 [Anmerk.: Diese Angabe kann evt leicht nach unten revidiert werden, einige wenige Klassen werden auf Teilzeitbasis angeboten, obwohl sie nicht dem Dualen System angehören ] SuS Vollzeitunterricht wahrnehmen.      

In der Deputationsvorlage wird fest gehalten:
“Auf dem Campus Nord werden am Ende etwa 30 bis 40 Ausbildungsberufe des dualen Systems – darunter alle Bauhaupt- und Nebengewerke sowie kaufmännische Bildungsgänge – auch sozialpädagogische Bildungsgänge nach Landesrecht sowie sämtliche Bildungsangebote des schulischen Übergangssystems, die Bildungsgänge Werkschule und Werkstufe und studienqualifizierende Bildungsgänge (Fachoberschule und berufliches Gymnasium) angeboten werden.“

 

Insbesondere ist Skepsis im Hinblick auf die Praktikabilität angebracht, wenn es darum gehen soll in einer solch großen Struktur, berufsorientierende Bildungsgänge, die Werkschule und die Werkstufe zu vereinen. Schülerinnen und Schüler dieser Klassen stellen oftmals bereits in kleinen Gruppen eine pädagogische Herausforderung dar. Für diese Jugendlichen ist eine überschaubare Umgebung und klare Strukturen eine wesentliche Voraussetzung für den Lernerfolg. Ist nun vorgesehen ca. 40 dieser Klassenverbände unter einem „Dach“ zu beschulen, besteht die erhöhte Gefahr unübersichtlicher und eskalierender Situationen.

 

Betriebliches Management?

Eine weitere Frage ist die nach der Organisationsform. Werden es weiterhin fünf Schulen mit fünf Schulleitungen und Gremien bleiben, oder wird aus den fünfen eine Schule mit einer Leitung gebildet, oder wird es etwas zwischen diesen beiden Organisationsformen sein? Die Aussage der Deputationsvorlage deutet darauf hin, eine große Einheit schaffen zu wollen, weil, so ist in der Vorlage zu lesen, diese effektiver in der Lage sein sollen, eigenverantwortlich gemanagt zu werden, weil Investitionssummen in größeren Einheiten umfangreicher ausfallen und ein größeres Innovationspotential entfalten könnten und größere Verbünde würden Ausfälle besser kompensieren können.

 

Große Organisationen können jedoch auch eine Entdemokratisierung von Entscheidungsprozessen begründen. Angesichts der Vielzahl der zu treffenden Entscheidungen und der Vielzahl von Betroffenen werden Überzeugungs- und Aushandlungsprozesse einen immer geringeren Stellenwert in der Leitungsarbeit bekommen. Somit scheinen insbesondere große Schulen eine Ausweitung der Entscheidungsbefugnisse von Schulleitenden im Hinblick auf die Organisations- und Personalentwicklung bis hin zum Disziplinarrecht zu erfordern. Somit können die Forderung nach der Stärkung der Leitungsfunktion und mehr Entscheidungsbefugnisse für die Schulleitenden, wie sie im Bildungskonsenz und anderen Papieren formuliert wurden, letztendlich zum Sachzwang erhoben werden.  

Aus Gewerkschaftlicher Sicht ist es wichtig, dem Streben nach mehr Managementbefugnisse, die Durchsetzung wirksamer Mitbestimmungsregularien entgegenzusetzen. Positiv betrachtet könnten sich bessere Möglichkeiten gewerkschaftlicher Interessensvertretungsarbeit ergeben.

 

Folgewirkungen

Kaum Beachtung finden bisher die Folgen für die drei noch verbliebenen Schulzentren Lange Reihe, Rübekamp und Bördestraße. Eine bildungspolitische Reformidee aus dem letzten Jahrtausend. Diese Schulen vereinen mit ihren Oberstufen, gymnasiale Allgemeinbildung und die berufliche Bildung unter einem Dach und könnten somit die Gleichwertigkeit dieser beiden Bildungsformen vorleben. Das nun auch die letzten drei dieser Schulform im Zuge der Neuorientierung abgewickelt werden sollen, wird zumindest im Bremer Westen noch nicht absehbare Auswirkungen auf die regionale Schulstruktur nach sich ziehen.

 

Noch ist Zeit

In der Deputationsvorlage ist ein Zeitraum von 10-12 Jahren angegeben, bis der geplante Zusammenschluss der fünf Schulen in Blumenthal abgeschlossen sein soll. Nachfolgend sollen die noch ausstehenden Zusammenschlüsse organisiert werden.

Bis dahin wird noch viel Wasser die Weser rauf und runter fließen.

Das Personalvertretungsgesetz sieht vor dass die „Auflösung, Einschränkung, Verlegung oder Zusammenlegung von Dienststellen, Behörden oder Betrieben oder wesentlicher Teile von ihnen“ der Mitbestimmung unterliegt und das der Personalrat bereits in der Planungsphase mit einzubeziehen sei. Klar ist auch, dass diese Planungen nur durch Partizipation der Kollegien erfolgreich realisiert werden können. Das beinhaltet eventuell auch die Erkenntnis im Prozess, dass diese Vision sich als eine nicht tragfähige Illusion herausstellt.     

Noch ist Zeit die aufgeworfenen und noch aufkommenden Fragen nach der euphorisch anmutenden Anfangsphase unter Einbeziehung aller Beteiligten sachlich zu durchdenken.