Die Uni Bremen wurde 1971 bekanntlich als Reformuniversität gegründet. Im Jahre 2012 erwarb sie sich aufgrund ihrer erfolgreichen Antragstellung in der Exzellenzinitiative den Titel einer »Eliteuniversität«, welcher eher auf das Gegenteil der ursprünglichen Grundgedanken der Hochschulreform in den 70ern verweist: soziale Öffnung des Studiums, Bildung für alle! Immerhin bescherte ihr dieser Sieg erhebliche (befristete) Zusatzfinanzen, auch wenn diese sich in ganz wenigen Bereichen sog. Spitzenforschung konzentrieren und die chronische Unterfinanzierung für die gesetzlichen Aufgaben in der Breite des Lehrbetriebes nicht ausgleichen können. Im Jahrbuch der Uni Bremen für 2012 bestätigt sich dies im Vorwort des damals neuen Rektors Scholz-Reiter. Dieser erwähnt stolz, dass die Uni aufgrund ihrer Erfolge in der Exzellenzinitiative als »Exzellenzuniversität« (so die offizielle Bezeichnung, für die sich in den Medien allerdings der Begriff »Eliteuniversität« unausrottbar durchgesetzt hat) zur »Spitze der deutschen Forschungslandschaft« gehöre »und das trotz ihrer mangelhaften Grundfinanzierung«. Im Text heißt es dann weiter: »Unsere Universität hat jedoch auch Probleme. Wegen der unzureichenden Grundausstattung vom Land sind einige Bereiche mangelhaft ausgestattet. Raumnot und überfüllte Hörsäle bestimmen bei ihnen den Uni-Alltag…« Erwähnt werden hier zwei Phänomene – erfolgreiche Einwerbung von Exzellenzmitteln hier, Unterfinanzierung dort -, die offenbar mehr oder weniger zufällig gleichzeitig nebeneinander existieren. Der Gedanke, dass das eine die logische Kehrseite des anderen ist, kann so nicht aufkommen.
Stillschweigender Paragigmenwechsel in der Hochschupolitik
Der renommierte Kasseler Hochschulforscher Ulrich Teichler (em.) vertritt in der Zeitschrift des bayrischen Staatsinstituts für Hochschulforschung 4/2007 hingegen die mir plausibel erscheinende These, dass es nach der Jahrtausendwende offenbar einen »stillschweigenden Paradigmenwechsel« in der Hochschulpolitik gegeben hätte, Qualitätsunterschiede zwischen den Hochschulen durch eine zunehmend ungleiche Verteilung von Finanzen zu fördern. Das wäre dann gleichbedeutend mit der Absicht, finanzielle Zuwächse, die über ›Wettbewerbe‹ verteilt werde, nur noch an ganz wenigen Standorten zu konzentrieren und den seit mehr als zwei Jahrzehnten unterfinanzierten Regelbetrieb mehr oder weniger sich selbst zu überlassen. Zumindest ist dieser Effekt der Exzellenzinitiative – ob beabsichtigt oder nicht – bisher eingetreten. Folglich ist es weder logisch noch politisch konsequent, Exzellenzerfolge zu bejubeln und gleichzeitig die Unterfinanzierung des Regelbetriebes zu beklagen.
Verteilungspolitik
Die Exzellenzinitiative entstammt einer Verwaltungsvereinbarung zwischen Bund und Ländern aus dem Jahre 2005. Rein technisch betrachtet ist sie ein wettbewerbliches Antragsverfahren für befristete Forschungsprojekte, in dem sich die Universitäten bisher für drei Förderlinien bewerben konnten: erstens für Graduiertenschulen der Doktorandenausbildung, zweitens für sog. Exzellenzcluster, d.h. Forschungsverbünde auch unter Einbeziehung der hochschulfreien Forschung, drittens für (auf die gesamte Hochschule bezogene) Zukunftskonzepte zum Ausbau der Spitzenforschung. Diese dritte Förderlinie ist nicht nur die finanziell lukrativste, sondern auch der eigentliche Ritterschlag der Exzellenzinitiative: Wer hier siegt, gehört zum erlauchten Kreis der derzeit elf »Eliteuniversitäten«. Für das gesamte Programm insgesamt wurden seit seinem Start (2006) insgesamt 4,6 Mrd. Euro staatliche Gelder ausgegeben. Das ist angesichts der allgemeinen Finanznot der Hochschulen nicht wenig. Dies erhärtet zudem den Verdacht, dass die Exzellenzinitiative vor allem eine verteilungspolitische Weichenstellung ist – und nicht in erster Linie ein fairer wissenschaftlicher Leistungsvergleich.
Dieser Verdacht wird durch eine Analyse der Verteilungsstruktur der Exzellenzfinanzen, die weitgehend der Drittmittelkonzentration der jüngeren Vergangenheit folgt, bestätigt. 2012 bestanden 28 Prozent des Gesamtbudgets der Hochschulen (1998: 16 Prozent) aus Drittmitteln im Gesamtumfang 6,8 Mrd. Euro. Diese befristeten Zusatzfinanzen für Forschungsprojekte verteilen sich allerdings nicht gleichmäßig über das System. Über 60 Prozent davon konzentrieren sich auf eine in ihrer Zusammensetzung relativ stabile Spitzengruppe von 20 Universitäten bei einer Gesamtzahl von 110. Diese Top-20-Liga teilte auch in den ersten beiden Förderrunden 80 Prozent der Exzellenzfinanzen unter sich auf. Die ersten vier Hochschulen an der Spitze des Förderrankings der Deutschen Forschungsgemeinschaft 2009 – die beiden Münchener Universitäten, die RWTH Aachen und die Universität Heidelberg – erhielten alleine mit 650 Mill. Euro ein Drittel des damaligen gesamten Exzellenzbudgets (1,9 Mrd. Euro). Dass alle vier in der dritten Förderlinie auch zu »Eliteuniversitäten« in beiden bisherigen Programmphasen erhoben wurden, liegt in der Logik des Vorganges einer offenbar bewusst in Kauf genommenen Verteilung nach dem Matthäus-Effekt.