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KiTa-Politik

Kindergartenarbeit auf „wackligen Beinen“

Ein Erzieher berichtet

Foto: GEW Bremen | Kay Michalak

Seit Längerem prasseln Schlagzeile auf Schlagzeile auf die Kinder, deren Eltern und die Beschäftigten der Kindertageseinrichtungen ein: „Kitastrophe“, „KiTas kurz vor dem Kollaps“, „KiTas am Anschlag“ seien genannt. Hinzu kommen unzählige Studien, Handlungsempfehlungen, Forderungen der Bildungsexpert*innen unterschiedlichster Disziplinen und Gesetze der Bundesregierung zum Thema „Frühe Bildung“.

Trotz alledem besteht eine Lücke zwischen den bisher erreichten Fortschritten (zum Beispiel neue Ausbildungsformate, Gewinnung neuer Fachkräfte, massiver Ausbau der KiTas) einerseits und dem, was sich vor Ort wiederfindet. Vorweg, ich bin sehr gerne Erzieher. Ich freue mich täglich auf die Kinder und die Eltern, die Kolleg*innen und den Kindergarten und möchte nichts anderes tun und sein, obwohl der Beruf psychisch wie physisch sehr fordernd und belastend ist. Seit August 2023 bin ich als staatlich anerkannter Erzieher in Gröpelingen tätig. Einem sogenannten „Brennpunkt Stadtteil“. In meinem KiTa-Alltag besteht die Kunst darin, einen angemessenen Umgang zwischen den vielfältigen ggf. widrigen Situationen zu finden, zu gestalten und/oder auszugleichen. 

Zweifel, Zielmarken zu erreichen

Wenn ich das Bremische Tageseinrichtungs- und Kindertagespflegegesetz (BremKTG) berücksichtige, kommen mir Zweifel, inwieweit die KiTa-Träger diese Zielmarken unter den gegebenen Ausgangsbedingungen realisieren können. Der gesetzliche Betreuungsschlüssel liegt im Elementarbereich bei einer Fachkraft zu 20 Kindern. Dies inkludiert auch einen erhöhten Förderbedarf für einzelne und verhaltensoriginelle Kinder. Durch einen längeren Personalausfall leite ich die Elementargruppe mit 20 Kindern zurzeit allein. Die inklusiven und verhaltensoriginellen Kinder der Gruppe benötigen eine ganztägige 1:1-Unterstützung, um den KiTa-Alltag zu bewältigen. Was bleibt, ist eine fragmentierte und rudimentäre Zugewandtheit den Kindern gegenüber. Eine vollumfängliche gesetzeskonforme Bildung, Erziehung und Betreuung sind nur mit einem erhöhtem Fach-Personalbestand zu realisieren. Eine gute Beziehungsarbeit zu den Kindern ist noch möglich. Beobachten und Dokumentieren sind erschwert umzusetzen.

KiTa-Träger sind die Hände gebunden

Auf „wackligen Beinen“ steht das Angebot des Übergangs zur Grundschule der Vorschulkinder. Bald wechseln viele Kolleg*innen in den Ruhestand. Ist eine Überwälzung dieser umfänglichen Bildungsarbeit in den Gruppendienst denkbar und leistbar? Beschwert wird der KiTa-Alltag auch durch Bildungsarmut, soziale Armut, Sprachbarrieren (auch elternseitig) des Stadtteils. Motorische und sozial-emotionale Besonderheiten treten bei den hier aufwachsenden Kindern häufiger in Erscheinung. Hierzu berät man die Eltern über die hausinternen und externen Fördermöglichkeiten (bei Bedarf) für deren Kinder. Das ist ein langer und zeitaufwändiger Gang durch die Institutionen und kann verstörend wirken. Auch fehlendes Personal, fehlende Räume, unzeitgemäße Bauweise, ausstehende digitale Ausstattung, unzureichende Budgetierung der KiTa-Ausstattung und der Erhaltungsaufwendungen für die Gebäude tun ihr Übriges dazu. Ein wenig sonderbar kam der Übergang von der haushaltslosen Zeit (Landesregierung) zur Haushaltssperre (Senatorische Bildungsbehörde). Da sind dem KiTa-Träger die Hände gebunden.  

Weiterhin müssen die sprichwörtlichen „Dicken Bretter“ in der Politik gebohrt werden. Alle Akteure sind aufgerufen, sich in geeigneter Weise, zum Beispiel in Elterngremien, in Gewerkschaften, in sonstigen gesellschaftlich relevanten Institutionen, mit ihren Ideen und Können einzubringen, damit der „Tanker“ Bildung in ruhigeres Fahrtwasser gelenkt werden kann.