Insbesondere im letzten Jahr stand die Umsetzung des Rechtsanspruchs auf Kindertagesbetreuung für die unter 3-jährigen Kinder zum 1. August 2013 im Mittelpunkt des politischen und öffentlichen Interesses. Seitdem ist lediglich für die jüngsten Kinder im ersten Jahr nach der Geburt die Familie weiterhin fast ausschließlich der zentrale Betreuungsort. Bereits von den 1 bis 2-jähigen Kinder besuchen 23 Prozent dieser Altersgruppe in Westdeutschland eine Kin-dertageseinrichtung und 62 Prozent in Ostdeutschland. Bei den 2 bis 3-jährigen Kindern sind es mittlerweile fast schon die Hälfte (47 Prozent), in Ost-deutschland 83 Prozent. Zahlreiche Prozesse des Aufwachsens, die früher aus-schließlich im privaten Nahraum der Familie abliefen, finden nun verstärkt in öffentlicher Verantwortung statt. Die zentrale Frage lautet, ob durch die ver-stärkte Übernahme öffentlicher Verantwortung ein Abbau sozialer Ungleich-heiten möglich wird? Oder verstärken sich die Ungleichheiten sogar? Gleichzeitig zeigen alle Studien, dass der größere Teil der Kinder- und Jugend-lichen in Deutschland gesünder, besser gebildet, gewaltfreier, sicherer, wohl-habender und in besserem Einverständnis mit ihren Eltern aufwächst als je zu-vor. Sie blicken einigermaßen sorgenfrei in die Zukunft und sind über ihre El-tern mit Netz und doppeltem Boden abgesichert. Das alles gilt aber nicht für etwa jedes fünfte Kind bzw. jeden fünften Jugendlichen in Deutschland. Sie wachsen in einem Haushalt auf, in dem ihre Eltern lediglich über geringe for-male Qualifikationen verfügen, von Armut bedroht sind oder keiner dauerhaf-ten Erwerbstätigkeit nachgehen. Sie erleben Probleme im Familienleben, ha-ben häufiger Schwierigkeiten beim Lernen und überdurchschnittlich oft ge-sundheitliche Probleme. Entsprechend pessimistischer betrachten sie selbst ihre Zukunftsaussichten. Besonders ausgeprägt ist diese „soziale Kluft“ zwischen den weitgehend gesichert aufwachsenden Kindern und Jugenlichen und jenen in unsicheren Lebenslagen in den deutschen Großstädten. Bedenklich ist vor allem, dass sich diese „soziale Kluft“ in den letzten Jahren trotz Wirt-schaftswachstum, sprudelnden Steuereinnahmen und rückläufiger Arbeitslo-sigkeit weiter auseinander entwickelt hat. Das gilt auch für die Großstädte Bremen und Bremerhaven. Wachsende Gefährdung in Bremen und Bremerhaven durch Armut Ob Stadt oder Land, in Bremen und Bremerhaven sind immer mehr Menschen von Armut gefährdet. Zwischen 2007 und 2013 stieg der Anteil der Armutsgefährdeten im Land Bremen von 19 auf 24,6 Prozent. Aktuell ist von den rund 646.000 Einwohnerinnen und Einwohnern jeder vierte durch Armut gefährdet, insgesamt 161.000 Menschen (Einkommensarmut). Auch im Vergleich mit ähnlichen Großstädten zählt Bremen mit einer Quote von 23 Prozent (2013) zu den mit am stärksten von Armut betroffenen Großstädten in Deutschland. Aus Bremer Sicht ist gerade die Entwicklung der vergangenen Jahre beunruhigend. Denn in Berlin, Hamburg, Essen und Hannover stagniert die Gefährdung durch Armut, in Nürnberg ist sie rückläufig. Dagegen steigt sie in Bremen und Bremerhaven ebenso wie in Duisburg, Leipzig und Dortmund, wo sie sowieso schon am höchsten ist. Noch häufiger durch Armut gefährdet sind in Bremen und Bremerhaven die Kinder und Jugendlichen. Von den unter 18-Jährigen ist im Land Bremen mehr als jedes dritte Kind durch Armut gefährdet. Und auch der Anteil der durch Armut gefährdeten Kinder und Jugendlichen stieg seit 2007 im Land Bremen von 26 auf aktuell 35,9 Prozent (2013). Kinder haben kein eigenes Einkommen und leben – in der Regel – in einem Haushalt mit ihren Eltern oder zumindest mit einem Elternteil. Wenn Kinder also als arm gelten, dann deshalb, weil ihre Eltern von Einkommensarmut betroffen sind. Kinder sind lediglich „vermittelt“ über ihre Eltern durch Armut gefährdet, jedoch direkt den Folgen von Einkommensarmut ausgesetzt. In ihren wichtigsten Entwicklungsphasen, wenn die Weichen für den späteren Lebensweg gestellt wer-den, ist für fast 36 Prozent aller Kind und Jugendlichen unter 18 Jahren Armut eine Alltagsrealität. Einkommensarmut heißt aber nicht allein, dass diese Familien mit wenig Geld wirtschaften müssen. Einkommensarmut prägt die Lebenslage „rund um die Uhr“. Sie begrenzt ebenso Handlungsmöglichkeiten und Entscheidungsspielräume. Für die Debatten über Armut ist es zwar wichtig, ob die Anzahl der armutsgefährdeten Erwachsenen und Kinder steigt oder sinkt und wie viele es insgesamt sind. In der Öffentlichkeit und in der Politik ist das Augenmerk jedoch stärker darauf gerichtet, wie viele Menschen tatsächlich staatliche Grundsicherungsleistungen beziehen. Über diese sogenannten Leistungsbezieherinnen und Leistungsbezieher liegen außerdem detailliertere Informationen vor. Sie müssen genaue Angaben machen, um die öffentlichen Leistungen nach dem zweiten Gesetzbuch (SGB II / Hartz IV) erhalten zu können. Von staatliche Grundsicherungsleistungen nach dem zweiten Gesetzbuch (SGB II) lebten im Land Bremen im Juni 2014 insgesamt 25.300 Kinder unter 15 Jahre. In der Stadt Bremen sind das insgesamt 19.800 Kinder in dieser Altersgruppe, in Bremerhaven insgesamt 5.400 Kinder. Im Vergleich mit der Situation ein Jahr zuvor, im Juni 2013, ist das ein leichter Ansteig der Kinderarmut von 30,9 auf 31,3 Prozent. Wie bereits bei der Armutsgefährdung steigt damit auch die Kinderarmut im Land und in der Stadt Bremen weiter, ebenso wie in den Großstädten Hannover, Duisburg, Essen, Dortmund, Frankfurt und Nürnberg. Dagegen entwickelt sich die Kinderarmut in diesem Zeitraum rückläufig in Berlin, Leipzig, Dresden. Politischer Handlungsbedarf besteht vor allem bei den Kindern und Jugendlichen. Denn von den 7- bis 15-jährigen Schulkindern befinden sich in der Stadt Bremen bereits über die Hälfte seit zwei Jahren und länger im Leistungsbezug und mehr als jedes vierte Kind bereits vier Jahre und länger. In Bremerhaven ist die Situation der verfestigten Kinderarmut noch ausgeprägter. Von den 7- bis 15-jährigen Schulkindern befinden sich über 70 Prozent seit zwei Jahren und länger im Leistungsbezug und 60 Prozent bereits seit vier Jahren und länger.