Schwerpunkt
„Ja, wir wollen das Bildungsressort“
CDU-Bildungspolitikerin Yvonne Averwerser über ihre Ambitionen, Mehrarbeit und den Ausbildungsunterstützungsfonds
Wer wird nach der Bürgerschaftswahl das Bildungsressort führen?
Wenn ich die Frage beantworten könnte, würde ich nicht hier sitzen. Wünschenswert wäre es sicherlich, wenn es nicht mehr von der SPD geführt wird.
Haben Sie Ambitionen?
Ja, absolut. Wenn wir die Möglichkeit bekommen, werden wir das Ressort annehmen. Wir haben Lust und den Anspruch darauf. Das Thema Bildung haben wir ganz nach vorne gestellt. Wir wollen Veränderungen.
Durch Sie als Senatorin?
Das wird sich zeigen. Wir werden dann nach der Wahl sicherlich die beste Wahl treffen.
Was würden Sie denn als Erstes tun, wenn Sie Senatorin werden würden?
Eine schwere Frage. Da sind so viele Baustellen. Was mir am Herzen liegt, ist eine tatsächliche Priorisierung bei den Schulen, eine Priorisierung bei der Sprachförderung und eine Erhebung über den Personalbedarf, den wir an den Schulen auch zukünftig wirklich brauchen.
Derzeit ist die CDU in der Opposition. Natürlich sollen und müssen Sie kritisieren. Bei Ihren Vorstößen in Sachen Bildung hieß es zuletzt „Bildungsinfarkt“, „Staatsversagen“ oder „Generation im Stich gelassen“. Das ist ziemlich starker Tobak und wenig konstruktiv.
Natürlich sind das die Überschriften. Aber die Inhalte waren schon sehr dezidiert. Wir haben kleinteilig auf die Probleme hingewiesen. Zum Beispiel bei der fehlenden durchgängigen Sprachförderung, bei der nicht ordentlich ausgestatteten Inklusion, beim Qualitätsinstitut, das nie so richtig installiert wurde, wie es in die Hand versprochen worden war. Ich möchte es der Koalition so schwer wie möglich machen, unsere gut formulierten Anträge abzulehnen.
Sie meinen also, die Überschriften braucht man, um die Inhalte zu transportieren?
Ja. Die haben Sie sich ja auch gemerkt.
Der Fachkräftemangel in Kita und Schule ist bundesweit ein großes Problem. Was hätte die CDU in Regierungsverantwortung anders gemacht?
Seit 2006 gibt es das zweigliedrige Schulsystem. Falsch gelaufen ist, dass man die Lehrkräfteausbildung auch zweigliedrig organisiert hat. Das war zu kurzsichtig. Uns fehlen jetzt viele Sek-1-Lehrkräfte. Das ist vor allem problematisch im MINT-Bereich. Ich weiß, dass es entsprechende Hinweise von Referenten aus dem Ressort gab. Hamburg zum Beispiel hat diesen Fehler nicht gemacht.
Und was würde Ihre Partei in Zukunft tun?
Zudem haben wir den für einen Bildungsstaatsvertrag in die Bürgerschaft im Februar eingebracht, weil wir davon überzeugt sind, dass Bremen allein das Problem des Lehrkräftemangels nicht lösen wird. Bundesweit gehören neben den Kultusministerien auch die Wissenschaftsministerien an den Tisch. Und auch in Bremen muss es zukünftig eine zielgerichtetere Zusammenarbeit mit dem Wissenschaftsressort geben, dafür werden wir uns einsetzen.
Die Anerkennung ausländischer Abschlüsse soll vereinfacht werden. Auch Ein-Fach-Lehrkräfte sollen das Problem lindern. Sind das auch für Sie Schritte in die richtige Richtung?
Es ist jetzt leider der Schritt, den wir gehen müssen, weil wir es nicht geschafft haben, bedarfsgerecht auszubilden. Die Bildungsbehörde weiß bis heute nicht, wie hoch der tatsächliche Lehrkräftebedarf ist. Es gibt immer noch kein Personalentwicklungskonzept. Wir müssen so schnell wie möglich wieder vollständig ausgebildete Lehrkräfte bekommen. Gerade im Hinblick auf den bundesweiten Bildungsvergleich können wir es uns in Bremen nicht leisten, dauerhaft auf nicht vollständig Ausgebildete zu vertrauen. Wir brauchen hier die besten Lehrkräfte.
Es wird auch über Lehrkräfte-Abordnungen diskutiert.
Ich sage ja zu Abordnungen. Wir müssen gucken, dass wir die Schulen, die es am meisten brauchen, am meisten stärken. Wie diese Abordnungen dann im Einzelnen aussehen können, welche Voraussetzungen man dafür braucht oder wie man das umsetzt, das muss man sich im Detail mit allen zuständigen Parteien ansehen. Die Schulen im Land Bremen stehen so sehr mit dem Rücken an der Wand, dass wir dieses Instrument nicht komplett ausschließen dürfen.
Wie ist Ihre Haltung zu Mehrarbeit für Lehrkräfte? In Sachsen-Anhalt hat das Ihre Parteikollegin und Bildungsministerin Eva Feußner angeordnet.
Ich glaube, dass das hier in Bremen und Bremerhaven nicht der richtige Schritt ist. Jetzt Mehrarbeit von den eh schon belasteten Kolleginnen und Kollegen zu erwarten, davon nehme ich Abstand. Unsere Lehrkräfte machen das Allerbeste aus der Situation. Auf einer Veranstaltung bei der GEW habe ich mitbekommen, dass viele nur deswegen - „nur“ in Anführungszeichen - in Teilzeit arbeiten, weil sie erst dann glauben, ihrem Anspruch gegenüber dem Kind und dem, was sie eigentlich machen wollen, gerecht werden können. Da müssen wir ansetzen.
Fachkräftemangel gibt es auch in den Betrieben. Der jetzt auf den Weg gebrachte Ausbildungsunterstützungsfonds honoriert das Einstellen von Lehrlingen. Sie sind trotzdem strikt dagegen. Warum?
Wir haben gerade nicht das Problem, dass viele Jugendliche keine Lehrstelle bekommen können. Die Lehrstellen sind ja da. Nur haben wir in der Tat häufig die Situation, dass die Bewerber nicht ausbildungsfähig sind. Wir müssen die jungen Menschen ausbildungsfähig machen. Es darf nicht sein, dass die Wirtschaft mit kleinen und mittelständigen Unternehmen, die wir dringend brauchen, Reparaturbetriebe für den Bildungsbereich werden, der hier sehenden Auges seit 70 Jahren an die Wand gefahren wird. Es ist unverantwortlich, dass viele Jugendliche nicht den Beruf frei wählen können, den sie tatsächlich wollen, weil sie ohne ausreichende Kenntnisse die Schule verlassen. Es ist desaströs, dass man diesen Anreiz schaffen muss.