Sehr geehrte Damen und Herren,
die Klage des Gymnasiums Horn gegen die Aufnahme von Kindern mit dem Förderstatus W+E hat zu umfassenden und deutlichen Reaktionen geführt. Neben bundesweit beachteten Artikeln auf Spiegel Online und Stern Online haben u.a. auch Stellungnahmen des Landesbehindertenbeauftragten, des Landesteilhabebeirates, der GEW, der Lebenshilfe, des Verbandes Sonderpädagogik, des ZentralElternBeirates und des Vereins "Eine Schule für Alle Bremen" in unterschiedlichen Medien deutlich formuliert, dass das Gymnasium Horn damit (mindestens) gegen das Bremer Schulgesetz verstößt und eine diskriminierende Ausgrenzung von Kindern mit Beeinträchtigung legitimieren möchte. An dieser Stelle ist also schon vieles gesagt.
Mit der Novellierung des Bremer Schulgesetzes wurde 2009 allen Schulen der verpflichtende Auftrag erteilt, sich zu inklusiven Schulen zu entwickeln. Die Gymnasien sind von diesem Auftrag ausdrücklich nicht ausgenommen. Die Klage des Gymnasiums Horn gegen die Aufnahme von Schülerinnen und Schülern mit dem Förderstatus W+E lässt erkennen, dass diese Schule in den vergangenen neun Jahren anscheinend nichts getan hat, um den eindeutig formulierten Auftrag des Bremer Schulgesetzes ernsthaft anzunehmen und Schritte zur Umsetzung zu entwickeln und durchzuführen. Es stellt sich die Frage, wie es sein kann, dass die Schule sich so lange unbemerkt der Entwicklungs- und Veränderungspflicht entziehen konnte.
Die gesetzliche Grundlage für ein inklusives Schulsystem zu schaffen, war ein erster wichtiger und grundlegender Schritt. Dieser bedingt jedoch nicht automatisch eine Änderung hin zu einer inklusiven Haltung bei den handelnden Personen. Eine inklusive Haltung und die damit verbundenen Handlungen stetig zu befördern, zu steuern und auf ihre "Qualität" zu prüfen sowie selbstverständlich auch die notwendigen Ressourcen (sowohl personell als auch sachlich) zur Verfügung zu stellen, sind Gelingensbedingungen und Aufgaben der Politik und der zuständigen Behörde.
Der Gedanke, dass alle Schulen für alle Kinder zuständig sind, ist auch nach neun Jahren längst nicht in allen Schulen angekommen. Genauso wenig wie die Tatsache, dass ein inklusives Schulsystem sich nur dann so nennen dürfte, wenn es in Bezug auf die Beschulung von Kindern mit dem Förderstatus W+E nicht die Fortsetzung der Kooperation unter einem anderen Namen ist.
Es ist leider festzustellen, dass die ursprüngliche Absicht des Bremer Konsenses zur Schulentwicklung („Bremer Schulfrieden“) - nämlich die Zusicherung an Schulen, im vereinbarten Reformprozess verlässlich Zeit zu haben, sich qualitativ weiterzuentwickeln - an der einen oder anderen Stelle ausgenutzt wurde, wesentliche Entwicklungsaufträge „auszusitzen“. Insbesondere der Auftrag an die Gymnasien, sich ebenfalls zu inklusiven Schulen zu entwickeln, zeitigt eine Gymnasiallandschaft, die sich heute nicht von der vor neun Jahren unterscheidet. Hier haben sich bremische Schulen hinter dem „Schulfrieden“ versteckt (und verstecken können!) und unter seinem Deckmantel wichtige Entwicklungen schlicht ignoriert.
Die aktuelle Diskussion über eine Verlängerung des Schulfriedens muss die überfälligen Entwicklungen entschieden einfordern. Das bedeutet, dass alle Schulen, inklusive aller Gymnasien, ihren Weg zu inklusiven Schulen endlich beschreiten müssen und nicht hoffen dürfen, dass dieser Kelch nochmal zehn Jahre an ihnen vorübergeht. In diesem Prozess müssen alle Schulen qualitativ hochwertig durch die zuständige Behörde begleitet, gefordert und ausgestattet werden. Die politischen Kräfte müssen dafür die Weichen stellen und verbindliche Vereinbarungen treffen.
Mit freundlichen Grüßen
Eine Schule für Alle Bremen e.V.
- für den Vorstand -
Elke Gerdes
-- INKLUSION in BILDUNG und POLITIK ins ZENTRUM RÜCKEN! Das Bremer Memorandum für schulische Inklusion wird von 30 Organisationen, Verbänden und Vereinen unterstützt. http://www.eine-schule-fuer-alle-bremen.de/