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Informationskompetenz

“In die Kommunikation kommen”

BLZ-Interview: Der Medienpädagoge Markus Gerstmann über Möglichkeiten und Gefahren bei digitalen Bildungsprozessen

Markus Gerstmann ist Dipl. Sozialarbeiter, seine Arbeitsfelder sind Medienkompetenz, Medienpädagogik, Lernraumentwicklung und Vernetzung. Zudem leitet er das ServiceBureau Jugendinformation, Am Deich 62. Ferner hat er an der Hochschule einen Lehrauftrag im Bereich Medienpädagogik. Markus Gerstmann kommt zu Workshops und Projektagen in die Schulen und informiert über Themen der digitalen Transformation.

Wie würden Sie die Mittel aus dem Digitalpakt an die Schulen verteilen, damit effektive Strukturen entstehen?

Ich würde Geld vor allem in interaktive „Fernseher“ investieren. Nicht nur Lehrkräfte bedienen die Geräte frontal, sondern jede Schülerin, jeder Schüler kann muss direkt von einem Endgerät auf diesen Bildschirm zugreifen und die eigenen Ergebnisse mit den Anderen teilen. Alle sehen somit die Ergebnisse und kommen darüber ins Gespräch. Flächendeckendes Wlan ist natürlich auch Vorraussetzung.  

Reicht der Finanzumfang des Digitalpakts dafür aus?

Das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es müsste noch viel mehr investiert werden. Leider haben wir dazu eine Ausschlussdiskussion. Wenn die einen sagen “digital”, sagen die anderen “Sanierung”. Wir brauchen eine Verbesserung der Infrastruktur in allen Bereichen. Die Schülerinnen und Schüler müssen für ein digitales Leben fit gemacht werden, das bei ihnen bis 2070 in der Arbeitswelt stattfindet. Sie müssen mit digitalen Prozessen vertraut gemacht werden, aber auch mit den Grundlagen von Mensch sein und klassischer Bildung.   

Sie sagen also nicht “entweder oder” sondern “und”?

Genau. Es muss alles miteinander verpflochten werden. Digitalisierung bedeutet nicht alles zu ersetzen. Lernen und leben bedeutet natürlich auch, dass philosophischen Fragen vermittelt werden müssen. Was mache ich, warum mache ich es, was ist wichtig? Schule ist ein großer Baustein, der upgedatet werden muss. Schule kann ein Wohlfühllernort sein, dies sehe ich häufig, wenn ich außerhalb von Bremen Schulen besuche. Wir haben hier zwar ein paar Leuchtturmschulen, aber wir müssen Schule neu und ganzheitlicher denken.

Wenn Sie Lehrer wären, mit welcher Didaktik würden Sie digitales Wissen vermitteln?

Ich würde digitale Bildung in den Lernprozess einpflechten, in dem es selbstverständlich ist, digitale Tools, digitale Endgeräte zu benutzen. Egal in welchem Fach. Hierfür brauchen wir keinen separaten Medienkompetenzunterricht. Hauptziel ist dabei Informationskompetenz. Kann ich einer Information im Internet trauen oder nicht? Wie kann ich Informationen aufbereiten? Am Bespiel Youtube sehen wir, damit können Schüler*innen gut lernen, aber auch überprüfen ist es wahr und richtig. Hier in Bremen gibt es auch dafür gute Beispiele. 

Viele Schülerinnen und Schüler haben schon große Erfahrungen mit digitalen Prozessen, haben schon langjährige Erfahrungen, häufig auch mehr als Lehrkräfte. Was heißt das für die Lehrkräfte-Fortbildung?

Ich empfehle den Lehrkräften immer, dass sie Moderatoren sein sollten. Es gilt Lernprozesse zu initieren. Das meist spielerisch angeeignete Wissen der Schülerschaft sollte zu einem Werkzeug werden. Diese Transformationskompetenz sollten Lehrkräfte haben oder bekommen. Die digitale Kreativität der Schülerinnen und Schüler kann gut im Unterricht instrumentalisiert werden. Lehrkräfte stellen dabei viele Fragen, die Lernende entwickeln die Antworten und werden somit Wissensgeber.

Was sind Kernkompetenzen in der digitalen Bildung?

Digitale Bildung ist ein komplexes Phänomen. Ich muss wissen, was ist eine seriöse Information ist?. Wie kann ich dies überprüfen? Wichtig ist auch das Aufbereiten von Informationen. Welche Auswirkungen können Informationen in der Öffentlichkeit haben?.Eine Abgrenzung zwischen privat und öffentlich muss erarbeitet werden. Ziel sollte eine digitale Gesellschaft mit demokratischen Strukturen sein.

Was sind die größten Gefahren im Bereich der digitalen Bildung?

Wir dürfen nicht nur digitale Geräte hinstellen und die Fortbildung der Lehrkräfte vergessen. Die Folge könnte sein, dass wie bei den Whiteboards Geräte unbenutzt im Schulkeller stehen. Mit einer Methodenkompetenz kann vieles in Bewegung kommen. Gute Idee und Methoden werden im Internet unter dem Hashtag #Twitterlehrerzimmer ausgetauscht. Einfach bei Twitter mitlesen und sich inspirieren lassen.  

Internet, Smartphone und soziale Medien sind für Schülerinnen und Schüler höchst attraktiv. Wie können und sollten Lehrkräfte Grenzen setzen?

Lernen heißt Auseinandersetzung, nicht nur etwas bei Youtube angucken. Das ist das Schwierige. Endgeräte dürfen nicht allein und wahllos benutzt werden, sondern in schulischen Lernprozesse immer mit zwei, drei Personen, die über die Recherche und Aufbereitung in die Kommunikation kommen.