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„Ich fühle mich nicht ausgegrenzt“

Das Schild “Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage” fehlt an den Wänden der Allgemeinen Berufsschule (ABS). Die Schule in Bremen-Walle mit ihren 45 Lehrkräften unternimmt aber dennoch große Anstrengungen, jede Form von Gewalt, Ausgrenzung und Fremdenfeindlichkeit zu verhindern.

Ein zentrales Unterstützungsangebot für die rund 620 Schülerinnen und Schüler aus insgesamt 61 Nationen ist der Kooperationspartner der ABS, das Zentrum für Schule und Beruf (zsb). Die 17 zsb-Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen arbeiten in vielfältigen Projekten daran, das das Schulklima angenehm bleibt und dass die heterogene Schülerschaft einen erfolgreichen Übergang in den Beruf schafft. Allerdings ist die dauerhafte Finanzierung dieser Projekte auch ein Dauerproblem

Eine Schule ohne Rassismus - geht das? “Eher nicht”, sagt eine 16jährige Schülerin. “Gerade an der ABS, wo so viele verschiedene Schüler zusammen sind, kann es immer mal zu Konflikten kommen”. Ihre Eltern kamen aus Südafrika nach Deutschland. Sie sieht aber “keinen offenen Konkurrenzkampf auf dem Schulhof.” Ihre Mitschülerin Nadine (17) ergänzt: “Man kommt klar. Auch deshalb, weil die Ausländer hier klar in der Überzahl sind.” Ein positives Fazit zieht auch Hudeifa: “Ich fühle mich nicht ausgegrenzt. Mein Bruder hatte an seiner Schule viel größere Probleme. Da gab es schon handfeste Schlägereien.” Der 18-Jährige, dessen Eltern aus der Türkei stammen, sammelt in einer so genannten “Praktikantenklasse” erste Berufserfahrungen, um so seine Chancen auf einen Ausbildungsplatz zu erhöhen.
Die meisten Schülerinnen und Schüler an der ABS stammen aus Familien, die ihre Wurzeln in der Türkei, in Bulgarien und Afghanistan haben. Viele kommen auch aus afrikanischen Ländern. Flüchtlinge, die erst wenige Monate in Deutschland sind, werden ebenfalls in Walle unterrichtet. Sie lernen die deutsche Sprache, holen ihren Schulabschluss nach oder versuchen, den Einstieg in die Arbeitswelt zu schaffen.
Dass es an der ABS trotz eines Migrationsanteils von bis zu 70 Prozent relativ selten zu Konflikten oder Handgreiflichkeiten kommt, liegt für Schulassistent Thomas Grahl vor allem an der “ausgeprägten interkulturellen Kompetenz der Schüler. Viele leben schon lange in multiethnischen Zusammenhängen und haben mehr Berührungspunkte und Lebenspraxis beim Thema Integration.” Vorteilhaft sei auch die Zweisprachigkeit vieler Schüler mit Migrationserfahrung, so Grahl. Weil neben den Migranten auch viele sozial- und bildungsbenachteiligte Jugendliche zur ABS kommen, wünscht sich der Schulasisstent “ein noch offeneres System, modernere Lehrformen und ein noch geringeres Curriculum-Diktat, damit das motivierte Kollegium noch effektiver arbeiten kann”.
Sein Kollege Ali Kaya betreut an der ABS den Trainingsraum: “Die Ursachen von Konflikten liegen selten im fremdenfeindlichen Bereich. Bei den Streitigkeiten geht es oft um Stadtteil-Auseinandersetzungen, beispielsweise Gröpelingen gegen Huchting.” Für präventiv konfliktentschärfend hät Sozialarbeiter Kaya das “multikulturelle Lehrerkollegium” der ABS, in dem sich mittlerweile Pädagogen aus sechs Nationen befinden. Den sogenannten “Quoten-Türken” gibt es in der ABS nicht. Mit offenem Rassismus haben wir auch deshalb fast nie zu tun, das haut hier zu 99 Prozent hin.” Kaya ist froh, dass die Zeiten, in denen “Migrationspolitik ein reiner Kostenfaktor war” lange vorbei sind.
Jörg Achenbach, pädagogischer Leiter des zsb, macht sich allerdings Sorgen um die Nachhaltigkeit solcher Erfolge: “Den sozialpädagogischen Projekten fehlt die Kontinuität. Die Finanzierung ist unsicher und nahezu immer befristet. Der unvermeidbare Peronalwechsel in den Projekten wirkt sich natürlich negativ aus.”