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Debatte

Hol’s Stöckchen – oder auch nicht...

Welche Position sollte eine Interessenvertretung zu Corona-Streitfragen einnehmen?

In den letzten Ausgaben dieses Magazins konnte man eine Debatte zur Coronapolitik in Schulen verfolgen. Da wurde von „Wachhund“ zu „Zwingerhund“ hin- und hergeschrieben. Auch von Druck der Personalvertretungen auf Schüler:innen und Kolleg:innen war an einer Stelle die Rede. Das kann ich als Personalrätin nicht so stehen lassen. Meine Intention ist aber nicht, jetzt auch reflexhaft jedem Argumentationsstöckchen hinterherzuhecheln. Ich glaube, wir alle kennen inzwischen zu Genüge die verschiedenen Sichtweisen, die in der Gesellschaft und damit auch in den Schulen bestehen. Ich möchte eher dafür werben, den Blick auf unsere kollegialen und menschlichen Beziehungen jetzt und in der Zukunft zu lenken. Dazu möchte ich zunächst erläutern, welchen Weg wir als Personalrät:innen gewählt haben, um auch in diesen schwierigen Zeiten den Anliegen der Kolleg:innen so gut wir können gerecht zu werden. Vielleicht kann sich daraus eine Haltung ergeben, die uns allen weiterhilft.

Gleich zu Beginn der Pandemie, als schon deutlich wurde, dass die Meinungen über die Coronamaßnahmen sehr geteilt waren, haben wir im Personalrat darüber diskutiert, wie wir uns verhalten sollen. Eine unserer drängendsten Aufgaben ist der Arbeits- und Gesundheitsschutz der Beschäftigten. Wir haben also eine Verpflichtung, der wir nachkommen müssen - und wollen. Aber auch die Vermeidung von belastenden Arbeitsbedingungen und Mehrarbeit sowie ein respektvoller Umgang mit Kollgeg:innen sind Ziele, die wir verfolgen. Wie kann ein Personalrat das machen, wenn die einen eine Infektion und deren Folgen fürchten, die anderen die Maßnahmen als übertrieben und belastend empfinden? Wir bekamen und bekommen immer wieder aufgeregte Mails und Anrufe in die eine oder andere Richtung. Und auch in unseren eigenen Reihen haben wir dazu ja keine Einheitsmeinung.

Fachfragen den Fachleuten überlassen

Dennoch wurde schnell klar, dass unsere Haltung eigentlich ganz einfach ist: Wir überlassen die Fachfragen den Fachleuten – wen interessiert unsere persönliche Meinung dazu? Aber: Wir beziehen uns nicht auf irgendwelche Fachleute, die gerade in unsere Argumentation passen, sondern auf die Institutionen, die wir uns als Gesellschaft dazu ja eigens leisten. Dazu gehören zu allererst das RKI, dessen Berichte und Einschätzungen wir regelmäßig anschauen, und natürlich Gesundheitsbehörde und Gesundheitsamt.

Das, nicht mehr und nicht weniger, erwarten wir auch von der Bildungsbehörde. Es heißt zwar nicht mehr „Senatorin für Bildung und Wissenschaft“, dennoch sollten dort wissenschaftliche Grundsätze hochgehalten werden. Und – bevor wieder jemand knurrt – natürlich muss intensiv auf die Belange der Kinder und Jugendlichen geachtet und dann abgewogen werden. Leider hat sich die Bildungsbehörde mehr als einmal eher von ihren Lieblingswissenschaftler:innen und -berater:innen oder von den grade lautstärksten Forderungen leiten lassen und stand und steht damit immer einmal wieder in Konflikt mit der Gesundheitsbehörde – und mit uns.

Zu unserer Haltung gehört aber auch, die individuellen Belange der Kolleg:innen zu beachten, auch wenn wir deren Meinung nicht unbedingt teilen. Ein Beispiel: Wir haben uns intensiv und inzwischen auch erfolgreich dafür eingesetzt, dass ungeimpfte Kollg:innen ihren täglichen Test in den Schulen machen können und nicht extra in ein Testzentrum fahren müssen. So lange es keine Impfpflicht gibt – und es ist glücklicherweise nicht an uns darüber zu urteilen – dürfen auch kein Druck und zusätzliche Erschwernisse aufgebaut werden. Überzeugungsarbeit ja – Schikanen nein.

Fair und kollegial trotz gegensätzlicher Meinung

Und jetzt komme ich am Schluss doch noch mit meiner persönlichen Sichtweise: Ich glaube, wir sollten wieder in den Fokus nehmen, dass wir trotz aller gegensätzlichen Positionen doch weiter gemeinsam an unseren pädagogischen Aufgaben arbeiten wollen. Wir werden nicht jede:n überzeugen können, aber wir können trotzdem fair und kollegial miteinander umgehen. Also vielleicht etwas weniger tierische Rhetorik und dafür mehr Rücksicht auf die Sorgen der anderen. Gerade in Zeiten wie diesen ist es gut auch verbal abzurüsten.