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Mittbestimmung

Hilko Beloch sprach auf Senatsempfang

Eine beeindruckende Rede hielt der Betriebsratsvorsitzende des Martinsclubs Hilko Beloch (GEW) beim Senatsempfang für Personal- und Betriebsräte im Rathaus.

vlnr: Elke Suhr (Personalrat Schulen Bremerhaven), Hilko Beloch (Betriebsrat MC), Stefan Beloch-Czerbinski (Betriebsrat MC), Dennis Ehmke (Betriebsrat ASB), Croinna Genzmer (Personalrat Schulen Bremen) | Foto: Susanne Carstensen

Er sprach über die derzeit prekäre Lage der Inklusion in Bremer Schulen. Vehement forderte er eine bessere finanzielle Ausstattung ein. Diese Botschaft hörte auch Gastgeber und Bürgermeister Andreas Bovenschulte. Viele seiner Kolleginnen und Kollegen bedankten sich danach für seinen Beitrag: 

Sehr geehrte Anwesende,

mein Name ist Hilko Beloch und ich bin ebenso wie meine Kollegin Frau Böhme im Betriebsrat des Martinsclubs tätig [Anmerkung: Fr. Böhme hat zuvor für die ver.di gesprochen]. Frau Böhme ist ver.di Mitglied und ich bin GEW Mitglied. Wir arbeiten über die gewerkschaftlichen Grenzen hinaus zusammen und wollen damit zeigen, dass wir gemeinsam stärker sind und auch nur mit Zusammenhalt Veränderung erwirken können.

Wir beide haben vor etwa zwei-ein halb Jahren dort unsere Arbeit zur Vertretung der Interessen und Rechte der Arbeitnehmer*innen begonnen. Zu dem damaligen Zeitpunkt war mir noch nicht vollständig klar, welche Aufgaben auf uns neue Betriebsräte zukommt und welche Verantwortung wir gerade zu Zeiten der Corona-Pandemie, des Fachkräftemangels oder des russischen Angriffskriegs in Europa übernehmen müssen. Ebenso war mir nicht vollständig bewusst welch umfangreiches Erbe wir antreten.

Bundeskanzler Scholz hat vor kurzem zur betrieblichen Mitbestimmung gesagt, dass diese ein Ausdruck gelebter Demokratie sei. Er betonte, dass die Mitbestimmungsrechte keine Einschränkungen erfahren dürfe. „[…] auch und erst recht nicht in Zeiten der Krise.“

Aber genau das passiert tag-täglich. Betriebsräte stehen nicht selten nicht nur gegenläufigen Interessen und Meinungen von Arbeitgeber*innen gegenüber, sondern auch vermehrter Feindseligkeiten, die über akzeptable Störungen der Arbeit hinausgehen und bis zu absichtlicher Beeinträchtigung, dem sog. Union Busting reichen. Ich begrüße hierzu deutlichst die Pläne die Behinderung von Betriebsratsarbeit von einem Antrags- zu einem Offizialdelikt zu machen.

Ich möchte an dieser Stelle äußerst deutlich machen: Wer die Arbeit von demokratisch gewählten Vertretungen absichtlich sabotiert oder diese bewusst unter unangebrachten Druck setzt, greift nicht nur diese an, sondern das Prinzip der innerbetrieblichen Demokratie als solches und gehört bestraft!

Wenn wir Betriebsräte dann doch zu unserer Arbeit kommen können, dann müssen wir in der Eingliederungshilfe regelmäßig feststellen, dass die Arbeitsbedingungen dermaßen schlecht sind, dass man kaum noch seinem betriebsverfassungsrechlichen Schutzauftrag nachkommen kann.

Unsere Kolleg*innen geben alles um den eigenen Auftrag zur Inklusion von Menschen mit Beeinträchtigungen zu erfüllen. Nicht selten müssen Sie über die persönlichen Grenzen hinaus tätig werden, damit eine halbwegs angemessene Versorgung stattfinden kann. Leider müssen viele unserer Kolleg*innen aber regelmäßig feststellen, dass sie ihren eigenen Ansprüchen an die Inklusion nicht gerecht werden können.

Wenn man nun den Fokus auf unsere hunderte Kolleg*innen in Schule legt, die im Auftrag der Inklusion tätig werden, kann man nur erkennen, dass die Einsparungen in den Bereichen Bildung und Soziales die eigene Arbeit zu einem Ding der Unmöglichkeit machen. Jahre der versäumten Förderung von Nachwuchs und der so notwendigen Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Bezahlung führen nun dazu, dass es einfach kein Personal mehr gibt und das noch zurückbleibende Personal krank wird oder kündigt. Es wird nicht mehr lange Dauern und der Inklusion in Schule geht endgültig die Luft aus.

Das kommt aber nicht plötzlich.

Gewerkschaften und Betriebsräte warnen schon lange davor, dass die in Kauf genommenen strukturellen Schwächen dem Vorhaben Inklusion den Gar ausmachen.

Was kommt von den Behörden?

Nichts.

Naja, nicht ganz „nichts“. Es kommen Plattitüden darüber wie sehr der Einsatz der Kolleg*innen doch gewürdigt wird und wie toll man sich doch im Mangel zu helfen weiß. Trotzdem gibt es immer wieder nur weitere Sparmaßnahmen. Richtige Lösungen kosten Geld und sind somit scheinbar politisch nicht gewollt.

Träger werden kaputtgespart. Die Behörden setzen an die Eingliederungshilfe wirtschaftliche Maßstäbe und sorgen so dafür, dass die Arbeit zu satt und sauber verkommt. Arbeit mit Behinderten ist quasi die neue Fließbandarbeit.

Die Folgen sind zahlreich:

  • Kinder mit Beeinträchtigung müssen Zuhause bleiben, weil kein Personal da ist und sich die Schule nicht in der Lage sieht eine Beschulung sicherzustellen.
  • Die Eltern dieser Kinder müssen die Betreuung irgendwie sicherstellen und haben nicht selten deutliche Lohneinbußen
  • Die verbleibenden Schüler*inneren können aufgrund der fehlenden Mehrfachbesetzung der Klassen nicht ordentlich beschult werden.
  • Die Inklusionsfachkräfte werden als Feuerwehrlehrer*innen eingesetzt und werden aber wie Hilfskräfte bezahlt.
  • Klassenteams zerfallen, da es keine Zeit für gemeinsame Absprachen und Vor- und Nachbereitung der Arbeit gibt.
  • Kolleg*innen gehen lieber auf Teilzeit und verzichten auf das im Moment so nötige Geld, um nicht von den Arbeitsbedingungen krank gemacht zu werden.

Ich fordere hiermit also die Verantwortlichen in den entsprechenden Behörden und der Politik direkt auf: Steckt euch das Sparen und kommt euren Pflichten nach. Verbessert die Bezahlung und Arbeitsbedingungen. Macht die Jobs attraktiver. Und fördert den Nachwuchs und den Quereinstieg.

Ich möchte zum Ende meiner Rede wieder zur Betriebsratsarbeit zurückkehren und mit einem Zitat von Sara Ahmed enden:

„When you expose a problem, you pose a problem.“

In diesem Sinne: Ich bin stolz darauf, ein Problem zu sein!