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GEW zur Bildungs-Deputation: Mehr Personal für die Schulen! Der Haushaltsentwurf reicht hinten und vorne nicht

Am 08. April befasst sich die Deputation für Kinder und Bildung mit dem Ressort-Haushaltsentwurf 2016/17. Durch die Zusammenlegung von Schul- und Kita-Bereich ist er bedeutend umfangreicher, als die bisherigen Bildungshaushalte. Da außerdem etliche Produktbereiche verlagert wurden, ist er nur schwer mit den bisherigen Bildungshaushalten zu vergleichen. Im Folgenden wird daher nur auf die Personalversorgung der öffentlichen Schulen eingegangen.

Unterrichtsausfall: "Durchwursteln" statt Bedarfsdeckung

Die Proteste vor der Bürgerschaftswahl gegen den hohen Unterrichtsausfall und die einhellig festgestellte unzureichend personelle Ausstattung der Inklusion haben bewirkt, dass die neue Landesregierung 200 zusätzliche Lehrkräfte für Bremen und Bremerhaven versprochen hat. Laut Eckwertebeschluss des Senats vom 28.09.2015 sollen 80 davon aus einem "Flexibilisierungskonto" finanziert werden. Das bedeutet, dass sich das Bildungsressort verpflichtet, diese Stellen an anderer Stelle wieder einzusparen. Die 200 Stellen teilen sich laut Eckwertebeschluss des Senats folgendermaßen auf: 105 für die Unterrichtsvertretung, 15 für die Ganztagsschule, 34 für die Mathe-Förderung, 20 für die Regionalen Beratungs- und Unterstützungszentren, 26 für die Inklusion.

Im Ergebnis dieser Beschlüsse wird im Produktplan 21.01 (öffentliche Schulen der Stadtgemeinde Bremen) die Beschäftigtenzielzahl von 4611,2 (2015) auf 4717,7 (2016), d.h. um 106,5 Stellen erhöht. Wie die Zuweisung für Bremerhaven kommunal umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.

Statt die Grundausstattung der Schulen zu verbessern, wird die Mehrheit der Stellen für kurzfristige Unterrichtsvertretung vorgesehen. Diese findet in Bremen befristet und in Leiharbeit durch den Verein "Stadtteilschule" statt. Die über 500 eingesetzten Vertretungs- und Vorkurslehrkräfte haben zum großen Teil keine abgeschlossene Ausbildung. Statt dieser Flickschusterei ist dringend ein Ausbau der Lehrer*innenausbildung notwendig. Eine Aufstockung der Ausbildungskapazitäten (mehr Referendare) am Landesinstitut für Schule (LIS) ist jedoch nicht vorgesehen. Im Gegenteil: Dort wird weiterhin gekürzt. Man will sich "durchwursteln" statt Notwendigkeiten abzusichern!

Höchster Inklusionsanteil und eine der schlechtesten Schüler/Lehrer-Relationen: Ein Widerspruch zu Lasten der Schüler*innen und Lehrkräfte

Der Anteil der Schüler*innen mit sonderpädagogischem Förderbedarf, der inklusiv beschult wird, liegt in Bremen bei 68,5%. Im Bundesdurchschnitt liegt er bei 31,4%. Bremen liegt im Ländervergleich weit vorn. Aber zugleich hat Bremen eine der schlechtesten Schüler/Lehrer-Relationen: Nach der jüngsten im Dezember 2015 erschienenen KMK-Dokumentation Nr. 209 betrug sie 2014 in den allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen 15,3 Schüler je Lehrer. Im Bundesdurchschnitt betrug sie 14,7. In den beiden anderen Stadtstaaten, die wie Bremen aufgrund ihrer besonderen Bedingungen immer gesondert betrachtet werden müssen, lag sie weit günstiger: Hamburg 14,1 und Berlin 13,8.

Das bedeutet für den Nachholbedarf Bremens mit derzeit 5869 Lehrer*innen (Land):

plus 239 Stellen um den Bundesdurchschnitt (einschl. der Flächenstaaten) zu erreichen;

plus 499 Stellen um das Niveau von Hamburg zu erreichen;

plus 637 Stellen um mit Berlin aufzuschließen.

Bremens mangelhafte Ausstattung der öffentlichen Schulen wirkt sich besonders stark im personalintensiven Bereich der inklusiven Beschulung aus. Die Klassen, in denen inklusiv gearbeitet wird, sind zu groß und es fehlt an sonderpädagogischer Stundenzuweisung. Nach den Erfahrungen der ersten fünf Jahre sind ca. 4 Stunden an sonderpädagogischer Förderung für 10% der Schülerschaft notwendig. Gegenüber dem bisher nach dem Gutachten von Klemm/Preuß-Lausitz angewandten Schlüssel von 3,7 Stunden sonderpädagogischer Förderung für 6.5% der Schülerschaft bedeutet dies allein in der Stadtgemeinde Bremen einen Mehrbedarf von 274 Stellen (687 statt 413), s.a. Anlage „Forderungen der GEW Bremen zur Inklusion“, März 2016.

Die Flüchtlingsintegration kann nicht warten: Ein Nachtragshaushalt kommt zu spät!

In den allgemeinbildenden und berufsbildenden Schulen Bremens werden im Schuljahr 2016/17 nach dem Besuch der Vorkurse über 2500 Kinder und Jugendliche in die regulären Klassen gehen. Für diese Schüler*innen sind ca. 200 zusätzliche Lehrkräfte und ca. 33 Sozialpädagog*innen nötig. Eine entsprechende Berechnung für Bremerhaven hat der dortige Schulausschuss bereits vorgelegt.

Werden diese Fachkräfte nicht eingestellt, verschärft dies die schon jetzt bestehende Unterversorgung der Schulen. Dies ist integrations- und bildungspolitisch nicht zu verantworten!

Der Bremer Senat hat richtigerweise gegenüber dem Sanierungsbeirat in Berlin geltend gemacht, dass die Kosten für die Aufnahme von Flüchtlingen besondere Belastungen darstellen, für die der Bund aufkommen muss, und dazu- wenn die Bundesmittel zu gering ausfallen - neue Kredite aufgenommen werden müssen. Aber diese Entscheidung käme für die Schulen zu spät. Die zusätzlichen Lehrkräfte werden im Sommer 2016 gebraucht. Eine diese Stellen frei gebende Haushaltsregelung muss daher im Vorgriff auf die Verhandlungen mit dem Bund greifen!

Weiteres Thema auf der Deputationssitzung:

Landeszuweisungsrichtlinie: Intransparent und willkürlich
Gleichzeitig wird zusammen mit dem Haushalt eine „Landeszuweisungsrichtlinie“ vorgelegt. In der Koalitionsvereinbarung wurde angekündigt, dass damit Transparenz und Gerechtigkeit hergestellt würde. In der Vorlage wird zwar angegeben, sie orientiere sich an der aktuellen Verteilung der Mittel, ein solcher Überblick ist jedoch seit Sommer 2013 nicht mehr vorgelegt worden.

Auffallend ist, dass die Umsetzung der einzelnen Regelungen den Kommunen zugeordnet wird. Das bedeutet, dass das Land ein Gesamtvolumen an Ressourcen festlegt ohne dass zunächst die tatsächlichen Bedarfe erhoben werden. Beide Stadtgemeinden müssen somit mit einem festen Budget auskommen, unabhängig davon, was sie für die Aufgabenerledigung benötigen.

Besonders verwiesen werden muss auf den Punkt 1B (sonderpädagogischer Förderbedarf LSV). Dort wird die Förderressource insgesamt zu knapp bemessen, indem für die Klassenverbände der Grundschulen 4,5 und für die Klassenverbände der Oberschulen 6,2 Lehrerwochenstunden vorgesehen werden. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist, dass erst „im Rahmen der Evaluation der Verordnung für unterstützende Pädagogik“ zu entscheiden sei, „ob die Inklusionsressource für einen Sozialindikator an die Schulen verteilt werden soll“. Damit wird auch an dieser Stelle der Rahmen vor der Bedarfserhebung/Evaluation festgelegt. Mit dem Verweis auf noch zu treffende kommunale Richtlinien werden die Schulen auf den kommenden Verteilungskampf eingestimmt.