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Kolumne Internationales

Gelebte Internationalität

Nick Strauss und Heinrich Rodenstein

Nick Strauss und Heinrich Rodenstein sind schon äußerlich ganz verschiedene Typen. Den Bremerhavener Berufsschullehrer Nick (ehemaliger Landesschatzmeister der Bremer GEW und heute „Finanzminister“ der Bundes-GEW) kennen wir mit unkonventionellem kleinem Haarzopf und Dreiviertelhose. Von Heinrich Rodenstein (1902-1980), Mitgründer der GEW nach dem Krieg und deren Vorsitzender von 1960 bis 1968, findet sich ein Foto im GEW-Archiv, wie er mit Anzug, Krawatte, Manschetten und geradem Scheitel 1961 in den judäischen Bergen schwitzend einen Baum pflanzt. Gemeinsam ist ihnen aber ihre gelebte Internationalität. Der Braunschweiger Lehrer Rodenstein musste als Sozialist und Schulreformer vor der Nazidiktatur nach Frankreich fliehen, erfuhr dort praktische Solidarität. Er organisierte im Exil internationale Kontakte und ein Netzwerk für den schulischen und gewerkschaftlichen Neuanfang. Nick Strauss war schon als Jugendlicher in der australischen Gewerkschaftsbewegung aktiv, arbeitete als Lehrer in London, bevor er nach Bremerhaven kam und sich von Anfang an in der GEW engagierte. Was die internationale Solidaritätsarbeit betrifft, setzt er sich schon lange für die Umsetzung eines Beschlusses der UNO ein, mit der sich die Staaten wie auch Gewerkschaften verpflichten sollen, 0,7 Prozent des Brutto-Nationaleinkommens oder der Mitgliederbeiträge für die Entwicklungszusammenarbeit auszugeben. Ein großes Ziel. In der GEW weist nur Bremen diesen Posten in seinem Haushalt für aus. Auch dank Nick.

Brücken nach Israel und in die Ukraine 

Für Rodenstein war nach der Gründung 1948 klar, dass die Bundesrepublik und ihre Gewerkschaften sich international vernetzen mussten. So gelang es ihm und anderen Gewerkschaftern Brücken nach Israel zu schlagen – trotz aller Vorbehalte in Deutschland gegenüber dem „Judenstaat“. Seitdem pflegt die GEW diese engen Beziehungen zur Histadrut HaMorim, steht den israelischen Kolleg*innen zur Seite auch in der internationalen Gewerkschaftsbewegung. Strauss weiß wie Rodenstein, der im Wüstensand ein Bäumchen pflanzte, um die Bedeutung auch der kleinen Gesten und Unterstützungen, die die großen Aktivitäten auf internationaler Ebene begleiten müssen und oft vorbereiten helfen. „Gelebte Solidarität entsteht durch persönliche Kontakte, die Bedeutung transnationaler Solidaritätsarbeit wird so unmittelbar erfahrbar“ (Maike Finnern). Nick kümmert sich etwa um die Kinder ukrainischer GewerkschaftskollegInnen, damit sie zu einem Sommercamp nach Deutschland kommen können. Dafür und für die humanitäre Arbeit der ukrainischen Bildungsgewerkschaft TUESWU stellt ein Fonds Mittel zur Verfügung, der seit 1980 nach Heinrich Rodenstein (HRF) benannt ist.

Spende erwünscht

Das Anliegen des HRF kann man als Solidaritätsarbeit in Krisensituationen bezeichnen. Damit wird KollegInnen und ihren Familien, die wegen ihres gewerkschaftlichen Engagements verfolgt werden oder aus anderen Gründen in Not geraten sind, schnell und unbürokratisch geholfen. Ein weiteres Beispiel dafür sind die Kinder von verstorbenen GewerkschafterInnen, denen ein Schulbesuch ermöglicht wird, zuletzt in Burkina Faso. Schon lange unterstützt die Stiftung nach Deutschland geflüchtete KollegInnen unserer türkischen Partnergewerkschaft Eğitim-Sen, um ihnen Rechtsbeistand in Asylverfahren oder Wege in Studium und Arbeit zu ermöglichen. Aktuell muss Lehrkräften aus dem Iran geholfen werden, die mit der Bildungsgewerkschaft CCITTA für mehr Demokratie und Frauenrechte im Iran gekämpft haben und bei uns Sicherheit finden sollen. Nick möchte bestimmt nicht mit Rodenstein auf eine Stufe gestellt werden, aber gern unseren LeserInnen empfehlen, dem HRF in der Adventszeit eine Spende zu überweisen.