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Wirtschaftspolitik

Gedanken zu Corona

Die Corona-Pandemie, der Börsencrash, staatliches Handeln und deren Folgen für die Zivilgesellschaft sowie die Gewerkschaften

Soviel steht inzwischen fest: Die Bedrohung durch das Coronavirus, die weltweite Pandemie, ist entgegen der anfänglichen Beschwichtigungsversuche verschiedener Politiker real. Viele Familien weltweit haben Angehörige durch Covid-19 verloren. Viele Überlebende, die einen schweren Krankheitsverlauf mit Erstickungsängsten und Beatmung auf einer Intensivstation durchlebt haben, dürften nachhaltig gesundheitlich geschädigt und traumatisiert sein.

Die Regierungen der verschiedenen Staaten haben auf die Epidemie zu verschiedenen Zeitpunkten mit unterschiedlichen Methoden des social-distancing, der Quarantäne, der Ausgangsspeere, der Isolierung von Infizierten und Erkrankten reagiert. Einigen Staaten scheint eine Eindämmung der Pandemie gelungen zu sein, in anderen scheinen staatliches Versagen und unterfinanzierte Gesundheitssysteme eine unnötig hohe Zahl von Opfern gefordert zu haben. Wann ein Impfstoff entwickelt sein wird, wann sich das öffentliche Leben wieder normalisiert, wie viele Tote das Coronavirus am Ende zu verantworten haben wird, viele Fragen sind zur Zeit noch völlig offen.  Dies schließt auch die Frage ein, welchen Einfluss die Zusammenarbeit von Pharma­konzernen und Lobbyisten wie zum Beispiel der Bill & Melinda Gates Stiftung auf die Empfehlungen der WHO hatten. Letztendlich werden endgültige Bewertungen der Pandemie erst im Rückblick möglich sein.

Trotzdem können einige der Folgen dieser Krise schon jetzt benannt werden: Die Coronakrise hat durch Ausgangssperren und das Einstellen der Produktion in der chinesischen Region Wuhan, einem der industriellen Kernzentren der globalisierten Wertschöpfungsketten, den schon seit langem vorhergesagten Börsencrash ausgelöst. Je nach Dauer und Tiefe der Produktionsausfälle droht eine Weltwirtschaftskrise bisher unvorhersehbaren Ausmaßes, die vor allem in unterentwickelten Ländern auch dramatische Verläufe nehmen könnte.

Nach der Finanzkrise 2007/08 konnten viele der als systemrelevant bezeichneten Banken nur durch Rettungsschirme, Bürg­schaf­ten und Kredite seitens der Zentralbanken, der Nationalstaaten und der öffentlichen Haushalte gerettet werden. Gerettet wurden damit nicht in erster Linie die Spareinlagen der einfachen Bürger, sondern die riesigen Anlagevermögen der globalen Finanzakteure wie zum Beispiel BlackRock (investiertes Kapital in über 17.000 Einzelunternehmen und Banken über 6 Billionen US-$), die die Kapitalvermögen einer internationalen Oligarchie von Kapitaleignern betreuen und vermehren.

Auch wenn jetzt in der Coronakrise auch mittelständische und Kleinbetriebe Finanzhilfen durch Rettungspakete der Europäischen Zentralbank, der Bundesregierung sowie der einzelnen Bundes­länder erhalten sollen, wird ein Großteil dieser Gelder über die Bedienung von Kreditverpflich­tungen dieser Unter­nehmen letztendlich wieder an die Banken und damit an die Finanzmärkte gespült werden. Die voraus­sag­baren Konsequenzen der Wirtschaftskrise sind also eine weitere globale Vermögens­kon­zen­tration bei einer kleinen Gruppe superreicher Milliardäre einerseits und wirtschaftliche Unsicherheiten, Arbeits­lo­sigkeit, prekäre Beschäftigung, Armut oder Elend auf der Seite der Bevölkerungsmehrheit andererseits.

Damit einher geht der weitere Vormarsch internationaler Konzerne und Internet-Unternehmen wie zum Beispiel Amazon, Google, Uber oder facebook, deren Kennzeichen neben der Verschiebung von Gewinnen in Steueroasen und dem organisierten Steuerbetrug auch Niedriglöhne, prekäre Beschäftigung, die Umgehung von Tarifverträgen und die entschiedene Bekämpfung gewerkschaft­licher Interessenvertretungen sind.

Gleichzeitig wird die erneute Überschuldung der öffentlichen Haushalte in der EU auch zukünftig als Argument der Regierenden für Sparmaßnahmen und Haushaltsbeschränkungen herhalten müssen. Die Spielräume für eine ausreichende Finanzierung der staatlichen Infrastruktur von Gesundheit, Pflege, Bildung, Sport und Kultur, für eine Wirtschafts- und Sozialpolitik im Interesse verarmter Bevölkerungsgruppen und Regionen werden weiter eingeengt.

Und ein ein weiterer bedrohlicher Aspekt der Coronakrise muss benannt werden: Offensichtlich dient die Corona­krise in verschiedenen Ländern über das medizinisch gebotene Maß hinaus der Erprobung von Szenarien des Katastrophenschutzes, der Schock-Strategie und der Bekämpfung oppositioneller Bewegungen. Ob wie aus China berichtet unabhängige Blogger in der Ausgangs­sperre verhaftet werden, ob in Madrid die verhängte Ausgangssperre per Polizei-Drohnen über­wacht wird, ob in diversen Staaten die Überwachung und Auswertung von Handy- und Bewe­gungsdaten erörtert oder schon praktiziert wird, aus allen diesen Beispielen wird ein Exzess staatlicher Eingriffe erkennbar, der an die von Edward Snowden aufgedeckten globalen Überwachungs­tätigkeiten der NSA und an George Orwells Roman „1984“ erinnert.

Für alle sozialen und politischen Bewegungen, die sich gegen die derzeitig praktizierte neoliberale Variante kapitalistischer Herrschaftsausübung stellen, und damit zwangsläufig auch für die Gewerk­schaften, werden darum zukünftig die Verteidigung demokratischer Errungenschaften, der Menschen- und Bürgerrechte und die Legitimität und Begrenzung staatlichen Handelns wichtige Felder der gesellschaftlichen Auseinandersetzungen sein.