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Geschlechtergerechtigkeit

Female Empowerment statt Gender Gap

75 Jahre Landesfrauenrat Bremen: Fachtagung zur Geschlechtergerechtigkeit im digitalen Wandel

Computertastatur
Computertastatur | Foto: Katharina Krieger

Eine Bremer Frauen-Dachorganisation feiert ihren 75. Geburtstag mit einer Online-Fachtagung zum Thema Digitalisierung. Schon bei der Gründung des Bremer Frauenausschusses (bfa) 1946 durch fünf Bremerinnen*) wurde das Ziel formuliert, die Bremerinnen aufzurütteln, politisch aktiv zu werden. Unmissverständlich forderten sie die völlige Gleichberechtigung von Mann und Frau auf allen Gebieten. So ist es bis heute parteiübergreifend geblieben beim Landesfrauenrat Bremen – Bremer Frauenausschuss e.V.

In einer Online-Veranstaltung gemeinsam mit der Bremischen Zentralstelle für die Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau (ZGF) standen Chancen und Risiken des digitalen Wandels im Mittelpunkt. Am Live-Stream „Female Empowerment statt Gender Gap: Geschlechtergerechtigkeit im digitalen Wandel“ aus dem Festsaal der Bremischen Bürgerschaft nahmen ca. 70 Interessierte teil und diskutierten notwendige Voraussetzungen für eine geschlechtergerechte digitale Transformation. Digitalisierung verändert unseren Alltag und alle Lebensbereiche, wobei auch das Geschlecht eine wichtige Rolle spielt. So besteht die Gefahr, bestehende Ungleichheiten zwischen Männern und Frauen zu zementieren und neue zu produzieren. Zugleich bestehen aber auch Chancen für neue Zugänge und Möglichkeiten.

Dr. Stefan Ullrich vom Weizenbaum-Institut für die vernetzte Gesellschaft – Das Deutsche Internet-Institut – ist Mitglied der Sachverständigenkommission für den „Dritten Gleichstellungbericht der Bunderegierung“. Der den Untertitel trägt „Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten“. Blättert man in dem Bericht, so findet man eine beeindruckende Bandbreite an Forderungen, um den bestehenden Ungleichheiten zu entgegenzuwirken. Dazu kommen konkrete Handlungsempfehlungen, von denen viele auch für Schulen leitend sein sollten.**)

„She is beautiful“ und „He is intelligent“

Dr. Juliane Jarke vom Institut für Informationsmanagement Bremen (ifib) und Zentrum für Medien-, Kommunikations- und Informationsforschung (ZeMKI) der Uni Bremen hielt einen Impulsvortrag zu partizipativer und sozialverantwortlicher Technikgestaltung und Künstlicher Intelligenz. Ein Exkurs in die Künstliche Intelligenz zeigt: Algorithmen, Übersetzungs- und Suchprogramme sind nicht neutral. So übersetzte ein Programm aus dem Finnischen „She is beautiful“ und „He is intelligent“, obwohl der finnische Text in beiden Fällen geschlechtsneutral war. Sucht man „professionelle Frisuren“, so erhält man Bilder von weißen Männern und Frauen. Sucht man „unprofessionellen Frisuren“, werden Bilder von schwarzen Frauen angezeigt. Programme in Jobcentern empfehlen häufiger Fortbildungen und bestimmte Themen für Männer als für Frauen. Den erfrischenden, peppigen Filmbeitrag „Frauen, vernetzt euch! 75 Jahren Frauenpower in den Medien“ gibt es hoffentlich bald im Netz zusammen mit einer Nachlese der Fachtagung zu sehen.

Nach den Fachvorträgen wurden in vier Foren Themen vertieft: „Digitalisierung als Jobmotor für Frauen!?“, „Digitale Gewalt – analoge Gefahr?“, „#Frauengesundheit – Chancen und Herausforderungen der Digitalisierung“ und „Digitale Medienkompetenz? Kein Hexenwerk“. In den abschließenden Zusammenfassungen wurde deutlich, dass sich die Ansprüche an Medienkompetenz enorm gesteigert haben. Eine geschlechtergerechte Gestaltung des digitalen Wandels muss auf die politische Agenda.

Im Landesfrauenrats Bremen – Bremer Frauenausschuss e. V. (bfa) sind heute 35 Organisationen vereint, die Fraueninteressen vertreten. Die aktuellen Themen umfassen ein weites Spektrum, zu dem „Frauen in den Aufsichtsrat von Werder!“ (hat zumindest für eine Frau geklappt) genauso gehört wie „Geschlechtergerechtigkeit im digitalen Wandel“. Auch die GEWlerinnen sind über den Landesfrauenausschuss des DGB im bfa vertreten. Der AK „Frauen“ der GEW hält regelmäßigen Kontakt zu den DGB-Frauen. Mehrere GEW-Vertreterinnen haben an der Fachtagung teilgenommen.

*) Irmgard Enderle (Sozialistin und Publizistin), Anna Stiegler (Sozialdemokratin), Agnes Heineken (Liberale), Käthe Popall (Kommunistin) und Anna-Klara Fischer (parteilos, aus der Abstinenzbewegung kommend vom Frauenbund für alkoholfreie Kultur) gründeten parteiübergreifend den Bremer Frauenausschuss.

**) Dritter Gleichstellungsbericht Digitalisierung geschlechtergerecht gestalten, Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Deutscher Bundestag Drucksache 19/30750, 19. Wahlperiode 10.06.2021, Stichworte aus den Handlungsempfehlungen mit Schulrelevanz: Mehr Teilhabe von Frauen in der Digitalbranche und geschlechtergerechte Technikgestaltung, Frauenanteil in Führungsebenen erhöhen, MINT-Förderprogramme fortführen und früh ansetzen, vor algorithmischer Diskriminierung schützen, digitalisierungsbezogene Kompetenzen in allen Phasen des Lebenslaufs und unabhängig vom Geschlecht vermitteln, Rechtsanspruch auf mobiles Arbeiten verankern und flankieren, um die Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit in der digitalen Transformation der Arbeitswelt zu verbessern, Vorbilder und positive Beispiele in den (sozialen) Medien fördern, Ausbau der Medienbildung hinsichtlich der Thematik „Geschlechterstereotype und soziale Medien“, Schutzschirm bei digitaler Gewalt ausgestalten und etablieren, Kompetenzen in Bezug auf digitale Gewalt auf- und ausbauen sowie nachhaltige Strukturen in Fachberatungsstellen schaffen, Leitprinzip Gleichstellung in der Umsetzungsstrategie „Digitalisierung gestalten“ realisieren, Finanzmittel zur Förderung der Digitalisierung gleichstellungsorientiert verteilen.

  • Inge Voigt-Köhler, langjährig Leiterin des Referats Mediennutzung im Zentrum für Medien, LIS