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„Familienfreundlichkeit muss Schule machen“

Was (Un-)vereinbarkeit von Familie und Beruf mit dem Fachkräftemangel zu tun hat

Als sich vor einigen Jahren der Generationenwechsel in den Kollegien bemerkbar machte, waren Behörde und Schulleitungen baff erstaunt, dass es plötzlich so viele Schwangere, so viele Eltern mit kleinen Kindern und so viele Beschäftigte in Elternzeit gab. Dazu noch so viele Kolleginnen und Kollegen mit zu pflegenden Angehörigen. Das Familienleben erfordert verlässliche und flexible Zeitstrukturen und muss gut organisiert sein, damit, wenn - wie so häufig - etwas Unvorhergesehenes passiert (ein plötzlicher Krankheitsfall eintritt oder eine andere berufliche Aufgabe hinzu kommt), nicht alles zusammenbricht und nicht mehr bewältigt werden kann. Das für die Beschäftigten zu gewährleisten, darauf waren – und sind – die Schulen einfach nicht eingestellt.

Was ist die Folge? Die für Schule so wichtigen Fachkräfte reduzieren ihre Stunden immer weiter oder verweilen länger in Elternzeit, um flexibler zu sein und den Anforderungen der Schulen gerecht werden zu können. Sie verzichten damit allerdings auf monatliches Einkommen und spätere Renten- bzw. Pensionsansprüche. Und seien wir ehrlich, eine Entlastung ist so eine Stundenreduktion nicht. Es werden dabei lediglich ähnlich viele Aufgaben in kürzerer Zeit bei weniger Gehalt erledigt.

Wir müssen darum endlich aufhören, Vereinbarkeit von Familie und Beruf als individuelles Problem zu sehen - es ist ein systemisches! Familienarbeit ist eine ernst zu nehmende, aufwändige und gesellschaftlich existenzielle Arbeit. Wir müssen Schulen fit machen, sich dieser Herausforderung zu stellen und sie auch als Chance zu sehen. Als Chance, gut ausgebildeten Fachkräften die Bedingungen zu schaffen, die sie benötigen, um Familie und Beruf miteinander in Einklang zu bringen und um diesen Beruf auch entsprechend ausüben zu können.

Wir haben zurzeit mehr als 3.00 Teilzeitbeschäftigte an Bremer Schulen. Wenn gute Rahmenbedingungen dazu führten, dass z.B. 2.500 von ihnen bereit wären, ihre Arbeitszeit auch nur um zwei Stunden aufzustocken, dann würden sie mehr Geld verdienen, mehr für ihre Altersversorgung erwerben, und dann wäre damit ein Beschäftigungsvolumen von 180 Stellen gut ausgebildeter Fachkräfte gewonnen. Allein dadurch wäre ein großer Teil der regulären Unterrichtsversorgung vernünftig abgedeckt, und Studierende, die zurzeit regelhaft als Klassenleitungen und im Fachunterricht  die Aufgaben von Fachkräften übernehmen, könnten für echte Vertretungsfälle eingesetzt werden.

Sogar der Pakt zur Verbesserung der Bildungsqualität sieht vor, Teilzeitlehrkräfte anzuschreiben und ihnen ein Angebot zur Aufstockung ihrer Arbeitszeit zu unterbreiten. Unter den jetzigen Bedingungen bezweifle ich aber, dass ein netter Brief der Behörde dafür ausreicht. Wir brauchen kreative und passgenaue Angebote guter Arbeitsbedingungen im Sinne einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf in den unterschiedlichen Phasen des Lebens, sei es Kinderbetreuung oder Pflege. Und was ganz wichtig ist: das Ganze nicht zu Lasten der Kolleginnen und Kollegen, die nicht oder gerade nicht in Familienaufgaben eingebunden sind. 

Und das kann gelingen! Beschäftigte, die die Pflege von Angehörigen und damit langfristig familiäre Verantwortung übernehmen, brauchen frühzeitig verlässliche Einsatzpläne. Junge Eltern brauchen kreative individuelle Arbeitszeitmodelle, ein abgestimmtes/systematisches Wiedereinstiegsmanagement und verbindliche Regelungen auch für Väter in Elternzeit. Kolleginnen und Kollegen mit kleinen Kindern brauchen Kindergartenplätze, die ihnen rechtzeitig zur Verfügung stehen. Warum sollte die Senatorin für Kinder und Bildung nicht eigene Kitas bzw. Belegplätze in Kitas bereithalten, wie dies beispielsweise im Polizeidienst bereits funktioniert?

Was kann man sich noch vorstellen?

Verbindliche Teilzeitregelungen für Präsenz- und Kooperationszeiten während der Unterrichtszeit (natürlich als bezahlte Arbeitszeit auch für nichtunterrichtendes Personal), Alternativen für Klassenfahrten, wenn die familiäre Situation eine längere Abwesenheit nicht zulässt und selbstverständlich Klassenleitungs-Tandems, die sich die Aufgaben teilen. Und wir fordern schnelle Reaktionen und Verfahrensregeln bei Eintritt eines Pflegefalls. Voraussetzung dafür ist es, die Schulleitungen zu sensibilisieren und zu unterstützen, denn sie haben eine Schlüsselstellung bei der Umsetzung familienbewusster Angebote. Wir müssen  technische Möglichkeiten nutzen und  Fortbildungen mit kreativen Praxisbeispielen anbieten. Familienfreundlichkeit muss im System verankert werden. Auch das wirkt gegen den Fachkräftemangel.

Wir fordern eine Zertifizierung der Bremer Schulen als familienfreundliche Arbeitsorte, (das hat die Behörde für die eigene Verwaltung übrigens schon seit 2015)  denn das garantiert nicht nur eine bessere Vereinbarkeit für alle Akteure im Schuldienst, sondern hat auch eine große Außenwirkung. Wir stehen über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf und eine Zertifizierung in intensiven Verhandlungen mit der Senatorin. 

Eine familienorientierte Personalpolitik ist darüber hinaus im Wettbewerb um Fachkräfte ein wichtiges Markenzeichen. Bremen als familienfreundlicher Standort kann das ausschlaggebende Kriterium für die Entscheidung sein, sich für einen Arbeitsplatz an Bremer Schulen zu entscheiden. - Neben der Einführung von A13 für alle natürlich. Familienfreundlichkeit muss Schule machen!