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Schwerpunkt

Eine neue Sichtweise und Bewertung der eigenen Tätigkeit

Arbeitszeiterfassung – das Hamburger Modell

Foto: Shutterstock/GEW

Eigentlich müsste die KMK dafür sorgen, dass in den 16 Bundesländern die Anforderungen an Lehrkräfte vergleichbar sind. Verbände, Personalräte, sogar das Ministerium für Soziales, das Arbeitsministerium sollten eingebunden sein. So zwei Bildungsforscher in einer Analyse. Die Bildungsforscher Dr. Mußmann, der auch die Hamburger Studie leitet, und Herr Rackles, der seine Vorstellungen auch in Bremen schon vorgestellt hat (welche wir im BiMa auch debattiert haben), haben für die Friedrich Ebert Stiftung (FES) eine Analyse gefertigt, Titel „Lehrkräftearbeitszeit unter Druck“, und stellen diese als Folien zur Verfügung. FES diskurs (library.fes.de). Sie haben 56 Punkte identifiziert, die bei Arbeitszeitmodellen berücksichtigt werden müssten. Es zeige sich, „dass zeitliche Fehlbeanspruchungen auch mit physischen und psychischen Fehlbeanspruchungen einhergehen …, die gesundheitlichen Risiken steigen … während gleichzeitig die Attraktivität des Berufs sinkt“ (Spiegel, 30.9.). Die einzelnen Bundesländer tun sich sehr schwer, dieses Thema anzugehen. Angeblich wartet man in der KMK erst einmal ab, was aus dem Bundesarbeitsministerium kommt (Info auch unter news4teachers.de vom 28.9.). Die Autoren empfehlen zuerst kleinere Schritte wie z.B. die Festlegung einer Soll-Jahresarbeitszeit statt des bisherigen Deputatmodells oder eine neue Definition der Aufgaben von Lehrkräften, die Einführung von Arbeitszeitkonten und eben eine datenschutzgerechte Erfassung der tatsächlichen Arbeitszeit. Und die ist im letzten halben Jahr in Hamburg durchgeführt worden.

Die Hamburger Studie - Zeit und Belastung

Von Februar bis Juli 2024 haben in Hamburg weit über 1000 Lehrkräfte an einer sechsmonatigen Erfassungsstudie teilgenommen. Die Arbeit der Kooperationsstelle Hochschulen und Gewerkschaften der Uni Göttingen unter der Leitung von Dr. Frank Mußmann umfasst im zweiten Teil auch eine Studie zur Lehrkräftebelastung. Die GEW unterstützt diese Untersuchung mit der Kampagne „Zeit für echte Zeit!“. Im Vorfeld trafen sich im November 2023 schon Multiplikatoren der Schulen, ob Beratungslehrer oder Schulleiter. Alle, die nach der Hamburger Lehrerzeitverordnung tätig waren, konnten teilnehmen. Auf der Grundlage der erfassten Daten sollen arbeitspolitische Initiativen gestartet werden, die lange überfällig sind. Es ging um die Erfassung der tatsächlichen täglichen Arbeitszeit durch ein webbasiertes Tool, um die Soll- mit den Istzeiten vergleichen zu können. Die Probleme spiegeln sich in allen Bundesländern fast gleich. Beispiel: „Immer neue Aufgaben haben die Vertrauensarbeitszeiten der Schulen in den vergangenen Jahrzehnten immer weiter strapaziert und einen auskömmlichen Umgang völlig unmöglich gemacht“, so Torben Willander, GEW-Experte für Lehrkräftearbeitszeit. 

Überraschung, was alles dazugehört

So sind bei vielen Teilnehmer/innen schon einige Überraschungen aufgetreten. Auch die Wegezeiten oder das Lesen von schulischen Mails, oder Informationen aus der Behörde, werden zur Arbeitszeit gerechnet. Bremer Schulkräfte kennen die Debatte um die Anrechnung von Zeiten auf die verpflichtende Präsenzzeit, eingeführt von Willi Lemke. Thema ist auch, ob die empfundene Belastung tatsächlich von der Höhe der Arbeitszeit abhängig ist, das kann gut während der eigenen Erfassung verfolgt werden. „Somit erhalten die Lehrkräfte eine neue Sichtweise und Bewertung ihrer eigenen Tätigkeiten“, so Frank Mußmann. Die stellvertretende Vorsitzende der GEW Hamburg, Yvonne Heimbüchel, leitet ein Projektteam für diese Studie, welches noch durch Ehrenamtliche unterstützt wird. Es geht darum, die Forderungen der GEW auf eine wissenschaftliche Grundlage stellen zu können. Und in Hamburg finden im nächsten Jahr auch Wahlen zur Bürgerschaft statt, da sammelt man Argumente für den Wahlkampf. „Eine Überprüfung und letztlich Anpassung der Lehrerarbeitszeitverordnung steht an“, so Sven Quiring, Vorsitzender der GEW.

Hamburg steht da nicht allein

Was in allen Bundesländern Probleme macht (und auch den Beruf letztlich unattraktiv), ist ein Arbeitsalltag unter großem zeitlichen Druck. Auch der Personalmangel, ungenügende räumliche und zeitliche Ausstattung, neue Arbeitsformen und -techniken und dazu immer mehr Aufgaben, ohne dass es dafür einen angemessenen Ausgleich gibt, sind nicht förderlich. Und in Bremen werden sogar die Versprechungen zur Entlastung wie die Doppelbesetzung für viele Schulen nicht eingehalten. „Viel zu viele Kolleg/innen weichen unfreiwillig in Teilzeitarbeit aus, um den Belastungen und dem immensen Arbeitsumfang gerecht zu werden. 2023 betrug die Teilzeitquote unter Lehrkräften in Hamburg 56 Prozent. Nirgendwo in Deutschland ist sie höher. Hamburg muss gesunderhaltende und motivierende Arbeitsbedingungen schaffen, um dem Lehrkräftemangel zu begegnen!“, fordert die GEW. Die Studie wird jetzt ausgewertet, mit ersten Ergebnissen wird bis Ende 2024 gerechnet, die volle Auswertung ist für das Frühjahr 2025 angekündigt. Man darf gespannt sein, auch auf die Reaktion aus der Politik.