Schwerpunkt
Eine „Dystopie“ über das Aussterben der Weiterbildung
Die Auswirkungen der anhaltenden Haushaltsmisere auf die Weiterbildungseinrichtungen
Die Bedeutung der Weiterbildung (ob allgemein oder beruflich) ist politisch unbestritten, insbesondere im Hinblick auf die sogenannten drei D’s. Es steht aber noch mehr auf dem „Lehrplan der Weiterbildung“. So soll sie die Integration wie auch den gesellschaftlichen Zusammenhalt befördern. Nicht ohne Grund wird angesichts der Themenvielfalt auch von einem Jahrzehnt der Weiterbildung gesprochen (BMBF).
In den vergangenen Jahrzehnten haben immer weiter steigende soziale Ungleichheit und die gesellschaftliche Polarisierung Unsicherheit und Misstrauen gegenüber der Politik wachsen lassen. Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus sind angestiegen. Die „Neue Rechte“ verfolgt eine Strategie der „Verschiebung des Sagbaren“ (Anmerk.: 1). Dabei könnten die zunehmenden gesellschaftlichen Konflikte als ein positives Ergebnis einer gelungenen Integration und Partizipation zuvor stärker ausgegrenzter gesellschaftlicher Gruppen verstanden werden. Hier hat die politische (Weiter-)Bildung die Aufgabe, den Diskurs über die beschriebenen gesellschaftlichen Veränderungen bekannt zu machen sowie die Meinungsbildung und Beteiligung an der politischen Auseinandersetzung zu fördern.
Keine Erhöhung seit 1997
Trotz dieser gestiegenen Erwartungen haben sich die Rahmenbedingungen für die 14 nach dem Bremischen Weiterbildungsgesetz (WBG) anerkannten Einrichtungen aber verschlechtert, insbesondere durch chronische Unterfinanzierung (Anmerk.: 2).
So wurde die institutionelle Förderung seit dem Jahr 1997 nicht mehr erhöht, geschweige denn eine Anpassung an die allgemeinen Kosten- und Lohnsteigerungen vorgenommen. Diese Problematik beeinflusst die Angebotsbreite, die Vielfalt der Anbieter und die Beschäftigungsbedingungen negativ. Den Einrichtungen blieb überdies in dieser Situation nur die „Flucht nach vorne“. Wachstum oder Konsolidierung fand nur über Drittmittel statt. Dieser Weg ist aber nicht ohne Risiko, und meist handelt es sich nur um ein befristetes Anwachsen gegen die Kostenfalle steigender Löhne und Verwaltungskosten. Schon im März 2023 hat der Landesausschuss für Weiterbildung (LAWB) festgestellt, dass aufgrund der strukturellen Unterfinanzierung die Qualität sowie Vielfalt der Angebote und Heterogenität der Anbieter gefährdet sei und die Einrichtungen erheblichen wirtschaftlichen Probleme gegenüberstehen. Honorarkräfte werden schlecht bezahlt und arbeiten unter prekären Bedingungen, die unter Corona verstärkt zu Tage kamen. Dies hat den Fachkräftemangel verschärft und die Akquise von Dozierenden zusätzlich erschwert. Hinzu kommt die Schwierigkeit, nach der Corona-Pandemie die Teilnehmenden (erneut) zu erreichen, um die Weiterbildungsbeteiligung auf das frühere Niveau und darüber hinaus zu steigern.
Kürzungen gefährden Überleben
Doch anstatt die finanzielle Situation der Weiterbildungsinstitutionen zu entschärfen und diese mit mehr Geldern für Personal, Programme und Honorarmitteln auszustatten, legte der Bund im Sommer 2023 einen Haushaltsentwurf vor, der massive Kürzungen im Bereich der politischen Bildung vorsah (Anmerk .: 3).
Und auch der Haushaltsentwurf der Bremer Senatorin für Kinder und Bildung für das Jahr 2024/25 sieht eine Kürzung des sowieso schon sehr geringen Etats für den Weiterbildungsbereich (allgemeine, kulturelle und politische Bildung) um acht Prozent vor (Anmerk.: 4).
Dies könnte die Lage nur noch verschlimmern und ein „Aussterben“ der Einrichtungen auslösen. Daraufhin forderte der LAWB im Februar 2024 in einem weiteren Positionspapier, die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung auszubauen und die Lehre mit mehr festangestellten Mitarbeiter*innen abzudecken, um Planungssicherheit und stabile Angebote zu gewährleisten. Außerdem müssten dringend die Honorarkostenzuschüsse erhöht werden, damit das Berufsfeld freiberuflicher Dozent*innen attraktiver und die Wettbewerbsverzerrungen zwischen den Einrichtungen verringert werden.
Um die Qualität der Lehre zu verbessern, soll der Studiengang Erwachsenenbildung wieder eingeführt werden. Zu guter Letzt sollen Dozent*innen besser über alternative Beschäftigungsformen aufgeklärt und beraten werden, denn nur so lassen sich Altersarmut und Verdienstausfall verhindern, was ebenfalls zu einer Attraktivitätssteigerung dieser Form der Selbstständigkeit führen würde.
Politische Strategie nötig
Wie also kann die Zukunft für die Weiterbildung aussehen? Sterben die Weiterbildungseinrichtungen nach und nach aus? Um diese Dystopie zu verhindern, müssen alle beteiligten Akteure an einem Strang ziehen, die Weiterbildungseinrichtungen und ihre haupt- sowie nebenamtlichen Beschäftigten müssen von der Politik (auf Bundes- wie auch auf Landes- und kommunaler Ebene), den Gewerkschaften und weiteren gesellschaftspolitischen Trägern unterstützt werden. Eine politische Strategie zum Erhalt und Ausbau des Angebots ist erforderlich: Eine verlässliche, zeitgemäße Finanzierung ist nötig, um die Lasten fair zu verteilen und die Qualität der Weiterbildung zu sichern. Der Förderungsetat für die Weiterbildung muss zudem regelmäßig überprüft und angepasst werden, um die Qualität und Quantität der Angebote zu erhalten.
Anmerkungen:
- Bundesausschuss politische Bildung: www.bap-politischebildung.de/wp-content/uploads/2020/10/Rechtsextremismus-und-politische-Bildung-Stellungnahme-der-Zentralen.pdf, Download 01.06.2024.
- Positionspapiere des erweiterten Vorsitzes des Landesausschusses für Weiterbildung: www.bildung.bremen.de/landesausschuss-f-r-weiterbildung-4313, März 2023 und Februar 2024.
- „Gemeinsame Initiative der Träger Politischer Jugendbildung im bap“ (GEMINI): www.demokratiestaerkerinnen.de/aktuelles/449-stellungnahme-zum-bundeshaushaltsentwurf-2024-kuerzungen-im-kinder-und-jugendplan-des-bundes-kjp-und-bei-der-bundeszentrale-fuer-politische-bildung-bpb, Download 01.06.2024
- Freie Hansestadt Bremen: www.transparenz.bremen.de/metainformationen/haushaltsplan-kinder-und-bildung-2024-2025-225388, Download 01.06.2024.