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Schwerpunkt

„Eine Atmosphäre der Unsicherheit“

Interview mit der US-Schuldirektorin Birgit Priester aus Boulder über die Wahl Trumps und die Folgen für die Bildung

Foto: privat

Mein Name ist Birgit Priester und ich bin Programmdirektorin der Schule für deutsche Sprache und Kultur in Boulder, US-Staat Colorado. Etwa 180 Schüler*innen und Kursteilnehmer*innen besuchen unsere Schule. Wir unterrichten Kinder, Jugendliche und Erwachsene. Unsere Kurse finden morgens, nachmittags und abends statt. Unser Ziel ist es, die deutsche Sprache und Kultur zu fördern und zu erhalten. Unsere Schule ist eine der vielen DSD (Deutsches Sprachdiplom-)Schulen im Ausland, die von der Fachberatung der Zentrale für das Auslandsschulwesen (ZfA) betreut wird. Viele Schüler:innen der Schule sprechen Deutsch als Herkunftssprache. Die Stadt ist politisch progressiv und neigt dazu, demokratisch zu wählen.

Wurde vor der Wahl in der Schule über Trump, Harris und ihre politischen Vorstellungen diskutiert?

In unserer Klasse DSD II (Deutsches Sprachdiplom II) haben wir im Rahmen des Themas ,,Politisches Engagement von Jugendlichen“ über die Teilnahme am Wahlprozess gesprochen, aber sind nicht auf die Wahlprogramme der einzelnen Kandidatinnen und Kandidaten eingegangen.

Wie waren die Wahlergebnisse in deinem Bundesstaat und deiner Stadt?

In der Stadt Boulder und in Boulder County: Kamala Harris: 76.49 Prozent, Donald Trump: 20.76 Prozent; im Bundesstaat Colorado: Harris: 54.2 Prozent, Trump: 42,2 Prozent.

Welche Reaktion gab es nach der Wahl Trumps in der Schule bzw. im Lehrerzimmer, oder wird nicht darüber geredet?

Enttäuschung und Trauer.

Was erwarten, was befürchten die Kolleg:innen?

Es herrscht eine Atmosphäre der Unsicherheit. Drohungen und Spekulationen über mögliche Kandidaten des neuen Kabinetts sorgen für Unruhe. Täglich gibt es neue Entwicklungen. Wir fürchten das Schlimmste, hoffen jedoch, dass unsere Befürchtungen sich nicht bewahrheiten.

Spielten Bildungsfragen im Wahlkampf eine Rolle? Welche?

Bildung liegt in erster Linie in der Verantwortung der einzelnen Bundesstaaten und der lokalen Schulbezirke. Daher spielten bildungspolitische Themen im Wahlkampf keine zentrale Rolle und standen nicht im Fokus der Debatten.

Was ist von Linda McMahon als Bildungsministerin zu erwarten? Wollte Trump nicht das Bildungsministerium streichen?

Das stimmt, es wurde davon gesprochen, dass es kein Bildungsministerium mehr geben sollte. Es wird spannend bleiben. Wir werden sehen, welchen Plan Linda McMahon als Bildungsministerin haben wird. Es gibt bisher inkonsistente Informationen.

Kann Trump überhaupt viel in der Bildungspolitik bewegen, die ist ja auch in den USA Sache der einzelnen Bundesstaaten?

Das ist richtig. Die Förderung öffentlicher Schulen obliegt grundsätzlich den einzelnen Bundesstaaten. Es gibt jedoch auch Programme des Bildungsministeriums, die bestimmte Schulen in benachteiligten Regionen zusätzlich unterstützen. Beispiel dafür sind die sogenannten Title-I-Schulen, die einen hohen Anteil an Schülerinnen und Schülern aus einkommensschwachen Familien haben. Diese erhalten in der Regel finanzielle Unterstützung vom Bildungsministerium. Würde ein solches Programm abgeschafft, hätte das gravierende Folgen für diese Familien.

Wird Trump seine Ankündigung, die Themen Rassismus, Sexualität und Gender-Identität aus dem Unterricht zu verbannen, durchsetzen können?

Die Verantwortung für das Curriculum öffentlicher Schulen in Colorado liegt bei den Bundesstaaten und den Schulbezirken. Ich bezweifle, dass er seine Ankündigungen in Colorado umsetzen kann, aber in anderen Staaten könnte dies durchaus der Fall sein.

Wie schätzt du die (politischen) rechten Tendenzen im US-Bildungswesen überhaupt ein? Etwas über die religiöse Schiene. Wenn ja, wurden die schon in den letzten Jahren sichtbar, waren die schon immer vorhanden?

Laut der US-Verfassung dürfen öffentliche Schulen keine bestimmte Religion fördern oder vorantreiben und müssen die religiösen Überzeugungen von Schülern und Mitarbeitern respektieren – was der Trennung von Staat und Religion entspricht. In den letzten Jahren haben jedoch politisch konservative Staaten wie Texas, Louisiana und Oklahoma versucht, diese verfassungsmäßige Regelung zu umgehen und religiöse Inhalte in den Schulunterricht zu integrieren. Eine der Ursachen für diese Entwicklung liegt in der veränderten Zusammensetzung des Obersten Gerichtshofs seit der ersten Amtszeit von Trump. Das hat konservativen Staaten neue Möglichkeiten eröffnet, das Bildungswesen in ihren Bundesstaaten zu beeinflussen und zu verändern. Diese Veränderung hat unter der Biden-Regierung stattgefunden. Ich könnte mir gut vorstellen, dass sich rechte Tendenzen im Bildungswesen unter der neuen Trump-Regierung in den konservativen Staaten noch verstärken.