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GEW intern

Ein Seminar und eine Utopie

GEW-Fachgruppen diskutierten über erste Schritte zur inklusiven Gemeinschaftsschule von Klasse 1 bis 10

Ein Kreis von 14 GEW-Mitgliedern hat sich auf einem gemeinsamen Wochenendseminar der Fachgruppe Inklusion und der Fachgruppe Oberschule auf den Weg gemacht, über das gegenwärtige Zwei-Säulen-System von Oberschule und Gymnasien hinauszudenken und Grundzüge einer Gemeinschaftsschule von Klasse 1 bis 10 („Eine Schule für alle“) nach skandinavischem Modell zu skizzieren. Sehr deutlich wurde wie sehr die durch Fachkräftemangel und Unterfinanzierung geprägte schulische Alltagsmisere unser Denken über Schule prägt: „Das geht doch gar nicht!“ „Kleinere Lerngruppen, weniger Unterrichtsverpflichtung, mehr Kooperationszeiten und das beim Fachkräftemangel.“

Keine Schulwechsel und Bildungsbrüche mehr

Dabei ist offensichtlich, dass der Leidensdruck von Schüler:innen und Eltern beim Übergang von der Grundschule in die Sekundarstufe 1 hoch ist: Welche drei Wunschschulen soll man angeben? Komme ich auch wirklich mit meinen Freunden zusammen auf die gleiche Schule? Schafft mein Kind das Gymnasium oder muss es später womöglich schon wieder die Schule wechseln? Ein durchgängiges, inklusives Schulsystem von Klasse 1 bis 10, dass Schulwechsel und Bildungsbrüche unnötig macht und somit ein hohes Maß von Sicherheit vermittelt, und trotzdem allen Kindern und Jugendlichen auf verschiedenen Niveaus Entwicklungsangebote unterbreitet und sie zu den unterschiedlichen Bildungsabschlüssen führt, hätte mit Sicherheit eine breite Akzeptanz in der Bevölkerung (auch wenn es von den Verfechtern des Gymnasiums sicherlich bekämpft würde).

Nach einem historischen Überblick über die Bremer Entwicklung der Inklusion und des Bremer Schulfriedens durch Eckhardt Feige von der FG Inklusion starteten die Teilnehmer:innen in drei Workshops:

In der ersten AG wurde das Grundkonzept der zukünftigen Gemeinschaftsschule skizziert: „Die pädagogische Prämisse liegt auf der ganzheitlichen Sicht und einer ressourcenorientierten Haltung. […] Unsere Schüler:innen erhalten adaptive und differenzierte Bildungs- und Unterrichtsangebote, die an das jeweilige Können anknüpfen und die Lernenden individuell fördern und fordern. Wir unterrichten Kinder – keine Fächer! Hierbei arbeiten wir in multiprofessionellen Teams zusammen.“  Weitere in der GEW nicht unbekannte Ideen und Forderungen: Rhythmisierung des Ganztages, Öffnung der Schule, demokratische Strukturen, pädagogisch sinnvoll, gestaltete Lernlandschaften in architektonisch und klimaneutralen Schulgebäuden etc.

In der zweiten AG wurde die Gemeinschaftsschule als Schule von Vielfalt und Diversität thematisiert. Es ging darum, die Möglichkeiten der einzelnen Schulen auszuloten, unter ihren spezifischen Bedingungen standortbezogene Gestaltungsräume, Profile und Angebote zu entwickeln.

Das „Leitbild der Gemeinschaftsschule“ wurde mit folgenden Schlagwörtern umrissen: „Bildungs­begriff und humanes Menschenbild“, „Kinder und Jugendliche stärken“, „Beziehungsarbeit“, sowie “Vielfalt und Diversität“. In einem großen Mindmap-Cluster wurden anschließend verschiedene Aufgaben- und Themenbereiche inhaltlich skizziert, wie: „Kernkompetenzen vermitteln (Unterricht)“, „soziales Lernen“, „Demokratie“, „Lebensgestaltung“, „[räumliche] Gestaltung von Schulen“, „sozialräumliche Vernetzung [in den Stadtteil hinein]“, „Profile“, „Sprache“.

In der dritten AG ging es um die Frage „Wie lässt sich die Gemeinschaftsschule politisch und gesellschaftlich durchsetzen?“ Es war in der Diskussion erkennbar, dass sich die Idee nicht durch eine große Schulreform in einem Wurf durchsetzen lässt, sondern eher schrittweise durch Schulversuche und Pilotprojekte. Das Gymnasium wird von einem Teil der Mittelschichten (ehemaliges Bildungsbürgertum) vehement verteidigt. Eine flächendeckende Auflösung oder auch nur ein schrittweises Abschmelzen der Gymnasialplätze in Bremen von derzeitig 20 Prozent auf 15, zehn und fünf Prozent ist politisch kaum durchsetzbar. Realistischer erscheint der strategische Ansatz auf Pilotschulen bzw. Pilotstadtteile zu setzen, in denen sich Oberschulen oder Gymnasien zusammen mit den benachbarten Grundschulen zu Gemeinschaftsschulen von 1 bis 10 umwandeln. Hierfür bedarf es „nur“ der politischen Willensbildung in den beteiligten Schulen und dem jeweiligen Ortsbeirat, die sich dann den jeweiligen Schulversuch über Bildungsdeputation und die Bürgerschaft genehmigen lassen müssten.

Antrag zum Gewerkschaftstag

Als mögliche erste Schritte, um die Idee der Gemeinschaftsschule in den Kollegien und in der Öffentlichkeit zu verbreiten, wurden u. a. benannt:

  1. Die Wiederbelebung der GEW-Fachgruppe „Gymnasien/ gymnasiale Oberstufe“.
  2. Die Herausgabe eines halbjährlichen GEW-Infos für die Gymnasien.
  3. Ein gemeinsamer Fachtag Oberschulen und Gymnasien am LIS. Die Ergebnisse des Seminars werden in der Fachgruppe Oberschule und Inklusion weiter diskutiert und vermutlich in einen Antrag an den Bremer Gewerkschaftstag 2023 münden.