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Schwerpunkt

Ein Notplan folgt dem nächsten

Ganztagsrealität an der Grundschule Sodenmatt in Huchting. Eine akute Problemlage.

Ich arbeite als Erzieher in der 2020 neu gegründeten gebundenen Ganztags-Grundschule Sodenmatt in Huchting. Wir arbeiten jahrgangsübergreifend in Lernhäusern, die wiederum in kleinere Lerngruppen unterteilt sind. Eine Schulstunde dauert 60 Minuten, und die Projektarbeit steht bei uns in Vordergrund. Mit diesen Ideen ist die Schule gestartet, mit vielen jungen und einigen älteren Lehrer:innen, Sonderpädagog:innen und Erzieher:innen voller Ideen und dem Wunsch, die Bedürfnisse der Kinder in den Mittelpunkt unserer Arbeit zu stellen.

Zu wenig Doppelbesetzungen

Im ersten Jahr - trotz Corona-Lockdown und Notbetreuung - schafften wir es, mit viel Einsatz und Herzblut die Situation für die Kinder erträglich zu machen. Aber es wurde schwieriger. Unsere Personaldecke war, wie unsere Senatorin Sascha Aulepp sagen würde, knapp auf Kante genäht. Durch Langzeiterkrankungen, Tätigkeitsverbot von werdenden Müttern und Elternzeit fehlten uns am Anfang dieses Schuljahres sieben Kolleg:innen, und das bei 160 Schülern! Doppelbesetzung während des Unterrichtes war so gut wie nie möglich. Die Folge ist, dass gerade wir Erzieher:innen sehr viel springen müssen. Im Schuljahr 2021/22 führte das dazu, dass ich zwar feste Arbeitszeiten hatte, aber keinen festen Stundenplan. Der Vertretungsplan ließ mich durch alle Lernhäuser springen. Die Möglichkeit, zu einzelnen Kindern stabilisierende Beziehungen aufzubauen, war und ist zum Teil immer noch stark eingeschränkt.

Zu wenig Beziehungsarbeit

Dabei ist die Beziehungsarbeit nach den letzten Corona-Jahren enorm wichtig. Wir haben viele Kinder mit einem erhöhten Förderbedarf, besonders im Sozialen Emotionalen Bereich. Persönliche Assistenzen haben wir aber keine! Bei einigen Förderanträgen geht die Bearbeitung bald ins zweite Jahr. Wir Erzieher:innen versuchen, das zu kompensieren, aber da wir selten in Doppelbesetzung sind, können wir das nicht leisten. Die Lage wird noch weiter verschärft, wenn es zu Erkrankungen im Kollegium kommt. Dann werden nämlich die Kinder aus den betroffenen Lerngruppen auf die anderen Lerngruppen aufgeteilt. Ein Notplan folgt dem nächsten, und es entsteht dadurch eine Menge Stress bei uns Erwachsenen, aber vor allem bei den Kindern.

Zu wenig Kitaplätze

Dazu kommt, dass wir immer mehr Kinder haben, die gar kein oder nur wenig Deutsch können. Leider haben wir keine temporäre Lerngruppe für diese Kinder in unserer Schule. Diese Gruppe von Schülern ist natürlich stark gefrustet. Sie können nur wenig bis gar nicht am Unterricht teilnehmen. Einige Kolleg:innen haben versucht, rudimentär die Muttersprache dieser Kinder zu lernen, was half, aber nicht die Sprachbarriere generell aufhob. Dieses Problem der Sprachbarriere wird sich in den nächsten Jahren verschärfen, da in Huchting momentan 129 Kitaplätze fehlen, wo die Kinder eigentlich einen Kontakt zur deutschen Sprache bekommen sollten.

„Öffentlichkeit schaffen“

Ende September war das Maß dann voll. In einer Besprechung zur Suche nach Lösungsmöglichkeiten wurde es klar, dass wir mit Selbstoptimierung der Arbeitsprozesse nicht mehr weiterkommen können. Die Lösung lag auf der Hand: Wir müssen die Verantwortlichen zum Handeln zwingen. Aber wer ist der richtige Adressat, um unsere Probleme zu lösen? Die Schulleiterin? Nein - ich bin nicht immer glücklich mit ihren Entscheidungen, aber ich erkenne an, dass sie ihr Menschenmöglichstes versucht, die Lage zu stabilisieren, und häufig als Erste die Schule betritt und als Letzte diese wieder verlässt. Die richtigen Adressaten sind die Gesellschaft, die Politik und die Senatorische Dienststelle für Kinder und Bildung nebst ihrer Führungsriege. Wir haben uns vor den Herbstferien ordentlich Gehör verschafft. Es wurde in der Presse über uns berichtet; wir haben Gefährdungsanzeigen geschrieben, den Stadtteilbeirat besucht und unsere Problemlage geschildert

„Empört euch“

Wir haben den Personalrat Schulen eingeschaltet, der sich für uns in der Behörde stark gemacht hat und auch die GEW hat ihr Scherflein dazu beigetragen. Nach den Ferien hat sich die Lage auf ein erträgliches Maß entspannt. Wir haben neue Kolleg:innen bekommen, und die Hans-Wendt-Stiftung unterstützt uns mit Beratung. Wir haben gebrauchte Schulmöbel durch die Vermittlung des Stadtteilbeirates erhalten. Sind wir jetzt all unsere Sorgen los? Nein, aber wir haben einen Anfang gemacht. Sollte jemand ähnliche Probleme an seiner Schule kennen, so ist mein Rat: Hört auf, die Schuld bei euch zu suchen. Empört euch! Bildet Arbeitsgruppen! Wendet euch an die GEW und lasst euch beraten! Zwingt die Politik und die Gesellschaft, eure Probleme zu sehen! Denn schließlich wird im Mai eine neue Bürgerschaft gewählt.