Schulpolitik
Ein langer Prozess
Der Umgang mit einem umstrittenen Schulleiter in Bremen oder: „Koste es, was es wolle"
Es gibt in Bremen einen Schulleiter, der seit rund zehn Jahren für viel Diskussionen, Kopfschütteln und Unmut gesorgt hat. Er hatte mit seinen Kollegien häufig Ärger und sorgte in seiner Karriere als Führungskraft für viele arbeits- und verwaltungsrechtliche Kapriolen.
Und es gibt in Bremen eine Bildungsbehörde, die darauf mit Entscheidungen reagiert hat, die die Auseinandersetzung – auch vor Gericht – verlängert und zu Lasten der öffentlichen Hand massiv verteuert haben.
Ein Fazit vorweg
Die Hansestadt Bremen (vertreten durch die Senatorin für Kinder und Bildung als Beklagte) wurde 2024 vom Verwaltungsgericht Bremen verurteilt, an den Schulleiter (Kläger) 25.000 Euro Schadensatz wegen Fürsorgepflichtverletzung plus fünf Prozent Zinsen zu zahlen. Das Urteil ist mittlerweile rechtskräftig. Laut Gerichtssprecher hat es eine solch hohe Entschädigungssumme bisher noch nicht gegeben. Die Kosten des Verfahrens in Höhe von insgesamt 3.060,91 Euro muss ebenfalls die Beklagte tragen. Dazu kommen die Ausgaben für den langjährigen Arbeitseinsatz von diversen Beschäftigten in der Bildungsbehörde (Sachbearbeitung, Schulaufsicht, Abteilungsleitung, Jurist:innen, Staatsrät:innen, mehrere Senatorinnen), die mit diesem Fall zu tun hatten. Diese angefallenen Personalkosten waren sicherlich um ein Vielfaches höher als die Entschädigungssumme.
Was davor geschah
Um die Auseinandersetzung besser nachvollziehen zu können, sprach das bildungsmagaz!n mit mehreren Kolleg:innen und zitiert eine Auswahl der bisherigen Geschehnisse aus dem Urteil (die komplette Darstellung des Hin und Her in dieser Causa würde die Grenzen dieser Doppelseite bei weitem sprengen).
Der Schulleiter begann seinen Schuldienst in Bremen 2004 in der Besoldungsgruppe A 13. Vier Jahre später wurde er nach Hamburg versetzt. Dort arbeitete er als Schuldirektor an einer Gesamtschule (Besoldungsgruppe A 15). Fünf Jahre später wechselte er als Oberstudiendirektor und Schulleiter wieder nach Bremen (A 16). Am Ende der Probezeit 2016 bekam der Kläger die Gesamtnote „übertrifft die Anforderungen“ und die Ernennung zum Oberstudiendirektor auf Lebenszeit, obwohl der Personalrat Schulen (PR) dieser Maßnahme nicht zugestimmt hatte. Es gab große Vorbehalte und Beschwerden seitens des Kollegiums. Kritisiert wurden vor allem Kommunikationsmängel und ein Handeln gegen Beschlüsse der Gesamtkonferenz. Gewachsene und bewährte Strukturen wurden zum Teil willkürlich aufgehoben, ohne das Kollegium zu beteiligen. Das Kollegium hatte mehrheitlich den Eindruck, dass vom Schulleiter eine Anordnungspolitik „von oben herab“ betrieben wurde. Dabei wurde er seinerzeit von der Schulaufsicht unterstützt, die das Kollegium für zu „aufmüpfig“ hielt. In der Einigungsstelle wurde die Nichtzustimmung des PR ersetzt.
Im Herbst 2017 dann eine Kehrtwende bei der Bildungsbehörde. Dem Kläger wurde die Funktion des Schulleiters entzogen. Dies geschah mündlich von einem Tag auf den anderen. Hintergrund war der nicht aktenkundige Konflikt des Schulleiters mit der Schulaufsicht und seinem Oberschulkollegium. Dem Kläger wurden bei vollen Bezügen rund neun Monate bis Anfang Juli 2018 keine Aufgaben mehr übertragen. Der Kläger rügte die Nichtbeschäftigung mehrfach und erhob Widerspruch gegen seine Abberufung als Schulleiter.
Das große Gezerre
Die Senatorin ordnete den Kläger im Juli 2018 in die Bildungsbehörde ab, befristet bis Ende 2019. Erst sollte er dort eine „Landesstrategie und ein Konzept zur Stärkung der politischen Bildung und der demokratischen Werteerhaltung im schulischen Bildungsbereich“ entwickeln. Danach wurde der Auftrag geändert, der dann aber mangels Drittmittelfinanzierung wieder aufgegeben wurde. Im September 2018 mahnte der Kläger erneut die Übertragung einer amtsangemessenen Tätigkeit an und erhob Widerspruch gegen die Abordnung. Er unterbreitete Vorschläge zu einem Einsatz auf freien A-16 Stellen, unter anderem als Schulleiter eines Gymnasiums. Er beantragte Entschädigung wegen grober Fürsorgeverletzung aufgrund monatelanger „Pseudobeschäftigung“ und die Außendarstellung seiner Abberufung als Schulleiter im Weserkurier. SKB lehnte ab, war aber bereit, ihm eine amtsangemessene Beschäftigung zuzuweisen. Es entbrannte ein Rechtsstreit, ob er zu einem Gymnasium abgeordnet oder versetzt werden sollte. Im Februar 2020 schließlich wurde der Kläger befristet als kommissarischer Schulleiter an das Gymnasium delegiert. Wieder stimmte der PR der mitbestimmungspflichtigen Maßnahme nicht zu. Begründung: Eine Konkurrenzbewerberin sei in zwei laut Ausschreibung besonders für Schulleitungen wichtigen Punkten der dienstlichen Beurteilung („kommunikative und soziale Kompetenz“ sowie „Fähigkeit und Erfahrungen, im Team zu delegieren“) besser bewertet worden. Der PR konnte sich auch hier nicht durchsetzen. Es folgte eine gerichtliche Mediation, die bis in den Sommer 2021 andauerte. Zu einer dauerhaften Übertragung der dortigen Schulleitung kam es dann nicht. Auch deshalb, weil dort das Kollegium mit einem offenen Brief massive Kritik an seinem damaligen Vorgesetzten äußerte.
Was sind A-16-relevante Tätigkeiten?
Ab August 2021 wurde dem Schulleiter die Amtsbezeichnung eines Leitenden Direktors im Verwaltungsdienst übertragen und er wurde zugleich als Referent in der Bildungsbehörde eingesetzt. Dagegen erhob der Kläger sofort Widerspruch. Der Kläger rügte 2022 erneut, dass die Aufgaben nicht amtsangemessen seien. Es seien keine A-16-wertige Aufgaben mehr vorhanden, stattdessen fielen allenfalls Sachbearbeitertätigkeiten und diese in geringem Umfang an. SKB sah das anders, begründete ausführlich die Amtsangemessenheit. Es gebe aber nur einen geringen Spielraum für die Übertragung A16-relevanter Tätigkeiten, hieß es. Dagegen erhob der Kläger erneut Widerspruch. Den Widerspruch wies SKB wieder zurück. Daraufhin klagte der Schulleiter auf Schadensersatz in Höhe von 25.000 Euro. Sein Arbeitsanfall betrage täglich 30 bis 60 Minuten. Zum Teil habe er auch gar keine Beschäftigung. Insgesamt sei er qualitativ und quantitativ unterfordert. Dies sei Mobbing. Ihm stehe weder eine Entscheidungsbefugnis zu, noch habe er Personalverantwortung, so seine Meinung.
Rechtswidrige Abberufung
Das Bremer Verwaltungsgericht sah eine entschädigungspflichtige Fürsorgepflichtverletzung ab Oktober 2017 mit Ausnahme der 18 Monate am Gymnasium. Die mündliche Abberufung 2017 war rechtswidrig, da sie ohne Anhörung des Klägers, ohne weitere Aufklärung und ohne Lösungsversuche - wie es die Dienstvereinbarung „Konfliktbewältigung am Arbeitsplatz“ vorsieht - erfolgte. Nach der Abberufung hat man den Kläger nicht beschäftigt. Er hatte keine Aufgabe, kein Arbeitszimmer, keine Erreichbarkeit. Er tauchte nach außen nicht auf. Er saß zu Hause. In der Gesamtschau ergibt sich aufgrund der erheblichen Länge der Nicht- und Unterbeschäftigung von fast fünf Jahren, der Umstände der Abberufung, der fehlenden Dokumentation, fehlender Aufklärung und Konfliktbewältigungsversuche und des Ignorierens eines vorgelegten Attests eine fortwährende Fürsorgepflichtverletzung zum Nachteil des Klägers. Das Gericht hält einen Betrag von 5.000 Euro pro Jahr für angemessen, aber auch erforderlich, hieß es.
Übrigens: Der hin und her delegierte und vor Gericht erfolgreiche Kläger arbeitet derzeit wieder als Schulleiter an einer Bremer Oberschule. Ob sich die Streithähne wieder beharken werden, bleibt abzuwarten.
Real oder Satire
Diese Geschichte klingt unglaublich, oder? Liebe Leserinnen und Leser, kann sie wirklich so passiert sein? Oder ist diese Doppelseite eine Realsatire, vom bildungsmagaz!n von vorne bis hinten ausgedacht?