Zum Inhalt springen

Schwerpunkt

Ein Hilferuf aus Woltmershausen

„Sprachkitas retten“: Bildungsqualität braucht Kontinuität

Seit Mai bin ich mit einer halben Stelle als Fachkraft für Sprache, in der Kita Glühwürmchen in Woltmershausen angestellt. Seitdem dürfen wir uns Sprachkita nennen. Wir nehmen, wie rund 6.600 andere Kitas deutschlandweit, am sehr erfolgreichen Bundesprogramm „Sprachkita weil Sprache der Schlüssel zur Welt ist“ teil, das im 2016 ins Leben gerufen wurde und seitdem vom Bund finanziert wird. Übergeordnetes Ziel des Programms ist es, die Bildungschancen von Kindern zu verbessern und den Familien nachhaltig eine bessere pädagogische Qualität zu gewährleisten.

Erfolgreiches Projekt

Dabei setzt das Programm auf vier Themensäulen: Alltagsintegrierte sprachliche Bildung, integrative Pädagogik, Zusammenarbeit mit den Familien und Digitalisierung. Das Besondere und erfolgreiche an dem Projekt ist, dass wir als Fachkräfte kontinuierlich von einer Fachberatung begleitet und fortgebildet werden und auch die Fachberatungen erhalten wiederum dauerhafte Begleitung und Fortbildungen. Außerdem besteht in jeder Sprachkita ein so genanntes Tandem, bestehend aus Fachkraft und Kitaleitung, die zusammen geschult und beraten werden. Jede Sprachkita erhält zudem eine begleitende Konzeptentwicklung zu den vier genannten Themenschwerpunkten. Vor allem: Die Themen sollen durch die Fachkräfte als Multiplikatoren ins Team gebracht werden. Das Programm unterstützt und fördert nachweislich Kitas und ihre Teams als auch Kinder und ihre Familien stetig, qualitativ und vielseitig.

Großer Aufschrei

Im Juli kam dann die Nachricht: Das Programm Sprachkita soll 2023 nicht mehr vom Bund finanziert werden, sondern in die Hand der Länder übergeben werden. Der verabschiedete Entwurf der Bundesregierung wird noch bis Ende November diskutiert und erst dann dauerhaft verabschiedet. Der Aufschrei gegen diesen Entwurf ist bundesweit groß und sorgt bei vielen für Wut und Sprachlosigkeit. Eine beim Bundestag eingereichte Petition „Sprachkitas retten“ läuft seitdem auf Hochtouren. Mit Erfolg: Sie hat bis zum heutigen Tag annähernd 275.950 von 50.000 benötigten Unterschriften gesammelt. Somit ist das Ziel erreicht, dass es eine verpflichtende Anhörung über Erfolg und Nutzen des Programms im Petitionsausschuss des Bundestages geben wird. Ziel wird es sein, die Abgeordneten von der Verstetigung des Programms auf Bundesebene zu überzeugen.

Hoher Qualitätsstandard

Für uns als kürzlich gestartete Sprachkita wäre ein Ende des Programms in der jetzigen Form ein harter Schlag. Gerade habe ich als Multiplikatorin angefangen, Sprachthemen ins Team zu bringen, aus denen wir individuelle Strukturen und Projekte für uns entwickeln, die darauf warten erprobt, umgesetzt und dauerhaft gelebt zu werden. In den schon lange teilnehmenden Sprachkitas sind durch das Fachwissen und die zeitliche Ressource der zusätzlichen Fachkraft hohe Qualitätsstandards entstanden, die wegen des Personalmangels ohne die Weiterführung des Programms nicht aufrechterhalten werden können. Eine gute Sprachkompetenz, die durch das Programm gefördert wird, beeinflusst maßgeblich den individuellen Bildungserfolg. Bildungsgerechtigkeit beginnt in der Kita und ist gerade für Kinder, die es im Leben nicht leicht haben, weil sie beispielsweise vor dem Krieg in ihren Heimatländern fliehen müssen, von großer Bedeutung.

Auch in der Kita Glühwürmchen gibt es viele verschiedene Nationalitäten und Diversität. Dieser gerecht zu werden, stellt alle pädagogischen Fachkräfte vor große Herausforderungen und bedarf qualitativer Unterstützung. Doch Qualität braucht Kontinuität. Aus diesem Grund darf das Bundesprogramm nicht enden!