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Duale Ausbildung und Herausforderungen für die Berufsbildung in Deutschland

Mit 530.000 neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen und einem Rückgang um gut 20.000 (-3,7 %) gegenüber dem Vorjahr ist deutschlandweit ein Tiefstand seit der deutsch-deutschen Einheit erreicht wurden, nachdem im jüngeren Berichtszeitraum im Jahr 2007 mit knapp 626.000 ein Höhepunkt erreicht wurde.

Diese in der Tabelle beschriebenen Zahlen beruhen auf den Erhebungen des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB), das die neu abgeschlossenen Vertragsverhältnisse jeweils zwischen dem 01. Oktober eines Vorjahres und dem 30. September eines Jahres erfasst. Die für den Rückgang der Vertragszahlen häufig herangeführte Begründung einer zu schwachen wirtschaftlichen Entwicklung sowie der demographischen Entwicklung, ausgedrückt in den Zahlen der Schulabgänger/innen, können für das Jahr 2013 nicht zutreffen. Das BIBB benennt statt dessen „zunehmende Passungsprobleme“, da einerseits Jugendlichen mit höheren Schulabschlüssen mehr Alternativen zur Verfügung stehen und andererseits Betriebe sich nur begrenzt bereit zeigen, Jugendliche mit niedrigen Schulabschlüssen auszubilden.

Trotz diesen Tiefstandes erfreut sich das duale System zur Zeit hoher internationaler Wertschätzung. Der vermeintliche „Exportschlager“ duales System wird in der öffentlichen Diskussion häufig mit „der Berufsausbildung“ gleichgesetzt. Zahlreiche Ausbildungen jedoch finden weder in Industrie oder Handwerk noch in der dualen Form Betrieb-Schule statt. Dass wir in Deutschland über ein Mischsystem der beruflichen Ausbildung – wenn auch nicht so ausgeprägt wie in Österreich oder der Schweiz – verfügen, wird oftmals ignoriert. Dabei kann gerade diese Vielfalt alle Jugendlichen in Ausbildung, Beruf und letztlich gesellschaftliche Teilhabe integrieren: Hinter der Rubrik „Übrige Berufsausbildungen“ (s. Schaubild Anfänger/innen im Ausbildungsgeschehen) mit durchschnittlich jährlich 220.000 Anfänger/innen verbergen sich vor allem die landes- oder bundesrechtlich geregelten Ausbildungen in Berufen des Gesundheits-, Erziehungs- und Sozialwesens mit einem überdurchschnittlich hohen Frauenanteil und die vollqualifizierenden Berufsausbildungen an Berufsfachschulen.
Unabhängig von der Schulzeitverkürzung („G8“) hat die Anzahl der Studienanfänger/innen im Zeitraum 2005 bis 2013 den deutlichsten Zuwachs von 39% erfahren, im Jahr 2011 – doppelte Abiturientenjahrgänge in Bayern und Niedersachsen – lag ein erster Höhepunkt mit 520.000 Erstimmatrikulierten vor, 2013 ein weiterer mit 510.000, schließlich hat das einwohnerstärkste Bundesland NRW mehr als 50.000 zusätzliche Abiturienten auf die Märkte für Ausbildung und Studium entlassen!

Diese referierten Zahlen der sogenannten „integrierten Ausbildungsberichterstattung“ (Destatis 2014) weichen von den in der obigen Tabelle angeführten neu abgeschlossenen Ausbildungsverträgen ab, da einerseits die jeweiligen Erhebungszeiträume nicht vollkommen übereinstimmen und andererseits mehr Verträge abgeschlossen werden können, als tatsächlich Personen eine Ausbildung beginnen.

Wenn auch ein Rückgang im sogenannten Übergangsbereich von knapp 418.000 jungen Menschen im Jahr 2005 auf noch knapp 258.000 im jüngst referierten Jahr vorliegt, so bereitet dieser Bereich große Sorgen: Hierzu gehören vor allem Programme der Berufsvorbereitung und –grundbildung, auch der Bundesagentur für Arbeit einschließlich der Einstiegsqualifizierung. Ihnen ist gemeinsam, dass sie nicht zu einem qualifizierendem Berufsabschluss führen und paradoxerweise kaum echte Übergänge ermöglichen.
Insgesamt folgt die Entwicklung des Ausbildungsgeschehens einem internationalen Trend der Akademisierung der Bildung und gleichzeitig – denkt man beispiels-weise an die stark wachsenden Dualen Studiengänge - auch einem Trend der Verberuflichung der Hochschulbildung. Die hiermit verbundenen Herausforderungen der dualen Berufsbildung können bewältigt werden, sofern Folgendes gelingt:
Einerseits sind die schwächeren Schulabsolventen so zu qualifizieren, dass sie angemessen am gesellschaftlichen Leben und Wohlstand teilhaben. Mit der Ausbildungsgarantie, für die sich die GEW einsetzt und die mittlerweile als Begriff im Koalitionsvertrag verankert ist, und mit dem vom DGB eingeforderten Mindestlohn wir der hierzu erforderliche Weg beschritten. Hier sind Politik und Arbeitgeber zum Handeln gefordert, statt ausschließlich den drohenden Fachkräftemangel zu beklagen.
Ferner ist für die Attraktivität eines Ausbildungsberufs neben der Vergütung auch die Qualität der Ausbildung und die Übernahme bzw. die Möglichkeit, in dem erlernten Beruf weiter zu arbeiten, von enormer Bedeutung sind. Mittlerweile ergeben sich nach Abschluss einer dualen Ausbildung oftmals prekäre Arbeitsverhältnisse. Von den über 8 Millionen Beschäftigten des Niedriglohnsektors verfügen fast 70% über eine abgeschlossene Berufsausbildung! Hier sind also die Tarifpartner und die Arbeitsmarktpolitik gefragt.
Andererseits ist die berufliche Bildung auch für leistungsstärkere Schulabsolventen als attraktive und gleichwertige Alternative gegenüber einem unmittelbaren Weg zum Studium zu gestalten. Als Option sind Bildungsgänge „Berufsausbildung mit Abitur“ vor dem Hintergrund der positiven Erfahrungen beispielsweise in der DDR und der Schweiz einzurichten. Um die Attraktivität der beruflichen Bildung zu erhalten bzw. zu steigern, sind klare Einkommens- und Aufstiegschancen für beruflich Qualifizierte zu schaffen. Auch hier wiederum sind die Arbeitgeber gefordert.

Quellen:

  • Destatis: Statistisches Bundesamt: Integrierte Ausbildungsberichterstattung 2012. Wiesbaden 2014(a)
  • Destatis: Statistisches Bundesamt: Schnellmeldung Integrierte Ausbildungsberichterstattung 2013. Wiesbaden 2014(b)
  • Ulrich, Gerd Joachim u.a.: Die Entwicklung des Ausbildungsmarktes im Jahr 2013. Hrsg. Vom Bundesinstitut für Berufsbildung. Bonn (21.01.)2014

Der Autor:

Ansgar Klinger ist Mitglied des Geschäftsführenden Hauptvorstandes der GEW

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