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Lehrer*innenbildung

Die vergurkte Ausbildungs- und Prüfungsordnung

Evaluation und Konsequenzen

Es gab schon einige Aufregungen, als zum Februar 2017 die neue Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Lehrkräfte im Lande Bremen (APV-L) in Kraft trat. Im Mittelpunkt des gewerkschaftlichen Interesses stand dabei der Anspruch, dass sich die Lehrer*innenausbildung in allen Teilbereichen am durchgängigen Prinzip der Inklusion messen lassen müsse. Diese Aussage ist in den Arbeitsergebnissen des Zukunftsforums Lehrer*innenbildung der GEW Bremen so markant formuliert. Legt man den Qualitätsmaßstab der Inklusion an, so traten von Anfang an in der neuen APV-L einige Widersprüche deutlich auf: Insbesondere wurde die Chance vergeben, Kooperationen während der Ausbildung verbindlich einzuführen, obgleich die gemeinsame Tätigkeit von Kolleg*innen zwingend mit inklusivem Arbeiten verbunden ist; die (vertiefende) Reflexion eng an die eigentliche Prüfung gekoppelt, obgleich sie durchgängiges Prinzip in der Ausbildung gerade bei einer Neuausrichtung schulischen Lernens sein müsste. Nur am Rande erwähnt sei, dass darüber hinaus die Ausbildungssituation der Referendar*innen durch weitere Anforderungen erschwert und die Bedeutung der Schulleitungen nochmals gesteigert wurde (siehe dazu auch BLZ 1/2017).

Im Raum stand aber auch eine Zusage: Nach einigen Prüfungsdurchgängen erfolgt eine Evaluation des neuen Regelwerks, um die gesammelten Erfahrungen auszuwerten. Dies ist, unnötig zu erwähnen, nur dann sinnvoll, wenn die abgeglichenen Erkenntnisse zu Konsequenzen führen, bestätigende oder verändernde. Nun kam der Herbst 2018, aufwändig mit Fragebogen und Klausurtagung wurde durch das Landesinstitut für Schule zusammengetragen, welche kritischen Aspekte der Prozess denn nun zu Tage gebracht habe. Deren Betrachtung machte deutlich, dass es nicht um redaktionelle Anpassungen geht, sondern Konstruktionsfehler in der APV-L zu verzeichnen sind. Es ist schon bemerkenswert, wenn knapp drei Viertel der Ausbilder*innen des Landesinstituts die mit der neuen APV-L eingeführte getrennte Benotung von Planung, Durchführung und Prüfungsgespräch als veränderungsbedürftig einschätzen. Sogar 80 Prozent dieses Personenkreises bewerteten die Abspaltung des Prüfungsgesprächs von der Lehrprobe als falsch. Nun muss man niemandem bösen Willen unterstellen. Manche glauben tatsächlich daran, dass mit dem Ausweisen von Teilnoten (nämlich für Planung, Durchführung und Gespräch) die Benotung präziser würde, manche denken gar gerechter. Und dass eine didaktische Vertiefung im Prüfungsgespräch es endlich ermögliche, die beschreibende Ebene zu verlassen und die analytische zu erreichen.

Aber sind derartige Positionen 2019 noch haltbar? Worum geht es wirklich? Als die Bürgerschaft das Schulgesetz vor zehn Jahren änderte, wurde eine Idee auf der Höhe der Menschenrechte in Gesetzesform gegossen. Viele Schulen hatten immerhin integrative Erfahrungen, Konzepte und Strukturen. Die Gesellschaft als Ganze allerdings bewegte sich unbeeindruckt in einer konkurrenzorientierten, kapitalistischen Ordnung. Und hier knüpft die APV-L an. Sie ist in gewisser Weise konsequent, da die Referendar*innen auf ihre Tätigkeit in einer Schule in dieser Gesellschaft vorbereitet werden sollen. Die Gesellschaft ist nicht inklusiv, die APV-L auch nicht.

 

Nun gut, etwas weniger an Determinismus tut es auch. Und wir wollen in der Tat die Menschen darauf vorbereiten, aktiv in die Entwicklung dieser Gesellschaft einzugreifen, um ein Mehr an Demokratie zu erreichen. Aber dann müssen alle Bestandteile mitspielen, auch die Ausbildung der Pädagog*innen, auch eine APV-L. Inklusion stellt ein ganzheitliches Verständnis der Welt dar, Teilnoten sind Partialisierungen, wie damals bei Henry Ford. Im Kleinen zeigt sich hier, was im Großen nicht stimmt: Eigentlich benötigen wir eine neue, von inklusiven Überzeugungen getragene Didaktik. Mit dem Beharren auf die zitierten Prüfungsformate schaffen wir für die Auszubildenden eine künstliche Welt mit dem Anspruch, diese für die schulische Realität fit zu machen. Die eigenständige, dreiteilige Benotung von Planungspapier, Lehrprobe und deren Reflexion ist nur der zugespitzte Ausdruck eines Verharrens in (ur-)alten Mustern. Die Konstrukteure der APV-L haben versagt. Es ist ihnen nicht gelungen, Inklusion als Grundlage unserer Arbeit zu betrachten. Gerade bei den ausschließlich individuellen Prüfungen tritt dieses unvermittelt zu Tage.

Es hilft nichts: Die APV-L ist vergurkt. Wollen wir eine Ausrichtung der Ausbildung (einschließlich ihrer Prüfungsformate) tatsächlich an der Vorgabe unserer Gesetze, nämlich der Inklusion, so bedarf es einer grundlegenden Veränderung der Lehrer*innenausbildung. Eine neue APV-L wäre dann ein Teil davon.