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Schwerpunkt

„Die Opposition kann es nicht besser als wir“

SPD-Bildungspolitikerin Gönül Bredehorst über strukturelle Probleme, Studierende als Lehrkräfte und Abordnungen

Foto: SPD

Ihre Kollegin Sascha Aulepp hat keinen leichten Job. Sie muss regelmäßig Negativschlagzeilen verkraften. Die Opposition hat mit dem Thema Bildung seit längerem eine gute Angriffsfläche. Wäre die Bremer SPD manchmal froh, wenn eine andere Partei das Ressort führen würde?

Nein, auf keinen Fall. Ich glaube nicht, dass die Opposition und auch nicht unsere Koalitionspartner das besser könnten als wir. Wir wissen alle, dass wir ein strukturelles Problem haben und eine Bevölkerung mit den drei Risikolagen Bildungsferne, Erwerbslosigkeit und Armutsgefährdung. Die Probleme daraus sind höher als in anderen Bundesländern, auch höher als in den anderen Stadtstaaten.

Viele Ziele im SPD-Bildungswahlprogramm 2023 waren auch schon die Ziele vor der Wahl 2019. Nur zwei Beispiele: der Ganztagsausbau oder die ausreichende Ausstattung der Inklusion. Wann gibt es nachhaltige Problemlösungen?

Beim Ganztagsausbau gab es viele Unwägbarkeiten wie Baukostensteigerungen und Fachkräftemangel. Dass wir da nicht so schnell vorankommen, wie wir uns das wünschen, das ist leider so. Wenn etwas nicht gelöst ist, muss man es weiterhin adressieren. Den Weg zur Inklusion haben wir früh eingeschlagen, hatten aber lange Zeit durch die Schuldenbremse nicht die Mittel, um die Inklusion adäquat auszustatten. Ich habe leider keine Glaskugel, um zu sagen, das schaffen wir bis 2025 oder bis 2027. Ich gehe das Problem sofort an und möchte es so schnell wie möglich lösen.

Nachfrage: Wird die ausreichende Ausstattung der Inklusion im SPD-Wahlprogramm 2027 wieder auftauchen?

Das war jetzt polemisch. Ich hoffe, dass da Inklusion vorkommt, und wenn es 2027 noch Probleme gibt, dass man sie adressiert. Aber ich hoffe, dass sie nicht so groß sein werden wie jetzt. 

Thema Fachkräftemangel: Dass die Schüler:innenzahlen nach oben gehen, ist schon länger bekannt. Trotzdem wurde in Bremen nicht rechtzeitig reagiert. Warum nicht?

Finden Sie, dass nicht rechtzeitig reagiert wurde?

Ja.

Dass die Geburtenzahlen stetig steigen, hat man mit der Einführung des Elterngeldes ein bisschen unterschätzt. Ich glaube, dass da der Konstruktionsfehler lag und dass man da nicht adäquat nachgesteuert hat. Wir haben 2017 die Referendariats- und Studienplätze erheblich erhöht. Wir haben in Bremen in der Vergangenheit mehr Lehrkräfte ausgebildet als gebraucht.

In Bremen wurden die Referendariatsplätze nicht erhöht, eine Verringerung der Plätze wurde nur wieder ausgeglichen.

Ja, bis zu einer gewissen Zeit ging man ja auch davon aus, dass die Schüler:innenzahlen eben nicht steigen. Dann hat man die Plätze gekürzt, dann wieder erhöht. Dass die Krisen so gekommen sind, wie sie jetzt sind, das konnte man nicht vorhersehen.

Immer mehr Studierende müssen Klassenleitungen übernehmen. Finden Sie das wirklich pädagogisch sinnvoll?

Nein, für pädagogisch sinnvoll halte ich das sicher nicht. Wenn die Schulen Studierende als Klassenleitungen einsetzen, zeigt das nur, wie groß die Not ist. Dagegen müssen wir etwas tun. Solange die Not so groß ist, sage ich schweren Herzens, sollte man das übergangsweise zulassen. In anderen Bundesländern ist die Lage noch prekärer, aber das hilft uns nicht.

Ein Beispiel für die massiven Probleme an Bremer Schulen ist die Tami-Oelfken-Schule. Dort werden weit mehr Schüler:innen beschult als vorgesehen. Was ist da schiefgelaufen?

In sehr kurzer Zeit sind sehr viele neue Schüler:innen in Blumenthal eingetroffen, und die müssen beschult werden. Schiefgelaufen ist, wenn sie so wollen, dass wir in anderen Stadtteilen nicht genügend Wohnraum haben, um viele Menschen aufzunehmen. Jetzt sind die Kinder da. Diese Situation hat sich an der Tami-Oelfken-Schule besonders niedergeschlagen, weil in der Lüssumer Heide besonders viel Wohnraum frei war.

Können Sie den Frust der Eltern und Schulbeschäftigten dort verstehen, die sagen, so kann man da nicht arbeiten?

Ja, absolut. Ich bin in einem engen Austausch mit der Schule. Ich sehe die Not dort, habe aber keinen Einfluss, wann die benötigten Container geliefert werden. Ich hoffe, dass sie zu Beginn des vierten Quartals da sind.

An der Tami-Oelfken-Schule fehlen nicht nur Räume, sondern auch Lehrkräfte. Vielen anderen Bremer Schulen auch. Wie stehen Sie zum Thema Lehrkräfte-Abordnungen. Ist das ein gutes Instrument?

Es ist ein Instrument. Grundsätzlich halte ich nicht viel von Abordnungen, aber wenn es die Notlage erfordert und man genau guckt, wen man wo hinschickt und das zeitlich begrenzt, dann kann ich mir das vorstellen.

Ihr Kollege Christopher Hupe hat sich im Gespräch mit uns für eine spürbare Verringerung der Stundendeputate für Lehrkräfte – vor allem an Schulen mit hohem Sozialindex – ausgesprochen. Was meinen Sie?

Das halte ich grundsätzlich auch für sinnvoll, nur was bedeutet das im Umkehrschluss, wenn wir Stundendeputate herabsetzen? Dann brauchen wir trotzdem zum Beispiel an Ganztagsschulen die Pädagog:innen auf allen Ebenen. Ich würde es anders herum angehen. Nicht unbedingt Deputate herabsetzen, sondern die Lehrkräfte anderweitig entlasten. Und zwar dadurch, dass mehr Köpfe in die Schulen kommen.

Die Köpfe sind aber nicht da.

Ja, leider. Aber die sollen ja schnellstmöglich kommen. Die Taskforce der Bildungsbehörde zur Gewinnung von Lehrkräften arbeitet sehr erfolgreich. Sie hat in kürzester Zeit Menschen gewonnen, die auch in Schulen mit hohem Sozialindex tätig sind.