Zum Inhalt springen

Mitbestimmung

Die innerschulische Demokratie muss wiederbelebt werden

Personalrat Schulen Bremen fordert Gesetzesänderung

Die innerschulische Demokratie muss wiederbelebt werden“: Das klingt ganz nach einer Forderung, die die schulischen Interessenvertretungen schon seit Jahren vertreten – die Formulierung stammt allerdings nicht aus einem Thesenpapier des Personalrats, sondern aus dem Koalitionsvertrag, den die regierenden Parteien im vergangenen Jahr geschlossen haben. Wie kam es dazu? Wir verhandeln schon seit einer ganzen Weile über dieses Thema mit der Bildungsbehörde, aber auch die Schüler*innen haben insbesondere in der Fridays-for-Future-Bewegung deutlich gemacht, dass sie in der Gesellschaft mitreden wollen. Insofern ist die Zeit hoffentlich reif für eine Veränderung.

Das Versprechen

In der großen Personalversammlung am 5. Mai 2019 – mitten im Bürgerschaftswahlkampf - hat Bildungssenatorin Frau Dr. Bogedan uns Beschäftigten dann schließlich mehr Demokratie und Mitbestimmungsrechte an den Schulen versprochen. Den ersten Teil hat die Senatorin eingehalten, indem sie sich dafür stark gemacht hat, dass sich im Koalitionsvertrag unter der Überschrift „Demokratische Schule“ eben genau die Formulierung aus der Überschrift wiederfindet: „Mitbestimmung in den Angelegenheiten, die einen selbst betreffen, ist Wesensmerkmal einer lebendigen Demokratie. Die innerschulische Demokratie muss daher wiederbelebt werden.“

Erste Hilfe für Demokratie

Immerhin wurde damit anerkannt, dass die schulische Demokratie – ich sag´s mal freundlich – nicht mehr so richtig lebendig ist. Etwas, das wir in unserer täglichen Arbeit als Personalrät*innen leider zu häufig feststellen müssen. Anstelle von Gesamtkonferenzen, in denen konstruktiv, und vielleicht auch mal heftig, über pädagogische Fragen gestritten und gemeinsam entschieden wird, gleicht das Ganze oft nur Informationsveranstaltungen mit wenig Gehalt. Und vielerorts wird gleich zu den sogenannten Dienstbesprechungen gegriffen, in denen keine Beschlüsse gefasst werden dürfen. Kleiner Hinweis am Rande: Das Format der Dienstbesprechung ist an keiner Stelle im Schulverwaltungsgesetz vorgesehen. Insofern verstehe ich nicht, welchen Zweck solche Verkündungsveranstaltungen haben sollen – ein Ausdruck demokratischen Handelns sind sie jedenfalls nicht.

Über die Köpfe der Betroffenen hinweg

Schulleitungen entscheiden zu oft alleine, ohne sich vorher mit denen, die es betrifft, angemessen zu beraten. Ich möchte hier nicht falsch verstanden werden: Es sind natürlich nicht alle Schulleitungen, die so handeln – ich hoffe sogar, es ist eine Minderheit. Aber das System ist eben auf eine sogenannte „starke Schulleitung“ angelegt. Das Gesetz legt viele Entscheidungsbefugnisse in die Hände der Schulleiter*innen und die Behörde stützt in aller Regel die Leitungen in ihren Entscheidungen – egal wie sinnvoll diese jeweils erscheinen. Die Autorität muss schließlich gewahrt werden. Das ist in meinen Augen ein höchst altertümliches Führungsbild und hat mit Führungsstärke im besten Sinne nichts zu tun. Und es ist eine Binsenweisheit, dass Arbeitszufriedenheit, Motivation und Gesundheit von Beschäftigten eng mit der Möglichkeit zur Partizipation verknüpft sind.

Wir brauchen eine Gesetzesänderung

Zu hoffen, dass Schulleitungen nun freiwillig ihre Kollegien in ihre Entscheidungsprozesse einbeziehen, weil das sinnvoll und Erfolg versprechend ist, ist gut und schön, gleicht aber eher einer der Selbstverpflichtungen, wie es sie z. B. für mehr Umweltfreundlichkeit in der Industrie gibt. Wir brauchen eine Gesetzesänderung, auf die die Kollegien sich berufen können, um den demokratischen Geist in den Schulen, wie er sich in den Worten der Bremischen Landesverfassung niederschlägt, wiederzubeleben. Dort steht, Aufgabe von Erziehung und Bildung der Jugend sei „Die Erziehung zum eigenen Denken, zur Achtung vor der Wahrheit, zum Mut, sie zu bekennen und das als richtig und notwendig Erkannte zu tun.“

Schulen müssen Vorbild für Demokratie sein

Ganz wie es unsere Landesverfassung vorgibt, sehe ich als Lehrkraft meine Aufgabe neben der Vermittlung von fachlichen und methodischen Fähigkeiten auch darin, aus Kindern und Jugendlichen mündige, selbstständige Bürgerinnen und Bürger zu machen, die sich eine eigene Meinung bilden können, damit sie eben nicht irgendwelchen abstrusen realitätsfernen Weltanschauungen auf den Leim gehen. Dazu gehört auch ein gesundes Maß an Skepsis gegenüber Autoritäten und dem Mut zu widersprechen – auch mir als Lehrkraft. Ich möchte, dass Schüler*innen die Erfahrung machen, dass die besseren – nicht die lautstärkeren – Argumente die Oberhand behalten. Diesen Umgang wünsche ich mir auch mit uns Beschäftigten an den Schulen. Denn wenn wir Vorbild sein sollen, dann muss auch vorbildlich mit uns umgegangen werden.

Nun müssen Taten folgen

Wir haben im Oktober 2019 der Senatorin einen Vorschlag unterbreitet, der sich im Wesentlichen an dem Schulverwaltungsgesetz, wie es vor 2005 gültig war, orientiert. Also kein völlig abwegiger Vorschlag, sondern etwas, das sich in der Praxis gut bewährt hat. Dass es 2005, unter Bildungssenator Willy Lemke, nach dem sogenannten Pisa-Schock, überhaupt zu dieser erheblichen Einbuße demokratischer Strukturen gekommen ist, ist meines Erachtens auf eine Denkweise zurückzuführen, nach der man den „faulen Säcken“ von Lehrkräften, wie Gerhard Schröder sich einst ausgedrückt hat, nur einfach mal sagen muss, was sie machen sollen, dann wird bestimmt alles gut. Tja, das war dann wohl nichts – siehe Bremens Platz im Ländervergleich. In dieser früheren Fassung des Schulverwaltungsgesetzes gab es erheblich mehr Mitbestimmungsrechte für die Kollegien und die Rolle der Schulleitung war sehr viel mehr auf Partizipation aller ausgerichtet. Da wollen wir wieder hin. Eigentlich sollte die Gesetzesänderung schon im Mai in der Bildungsdeputation beraten werden und im Dezember in der Bürgerschaft, durch die Corona-Pandemie ist der Prozess leider ins Stocken geraten. Die Senatorin hat aber zugesagt, dass es zum Ende dieses Jahres damit weitergehen soll. Wir nehmen sie beim Wort.

Personalvertretung in Zeiten der Krise

Wo wir gerade von Demokratie reden: War es schon in „normalen“ Zeiten ein mühsames Geschäft, die Mitbestimmungs- und Beteiligungsrechte des Personalrats, und damit die Rechte der Beschäftigten, die uns gewählt haben, gegenüber der Bildungsbehörde durchzusetzen, so ist es unter Krisenbedingungen noch schwieriger geworden. Viele wesentliche Entscheidungen, und zwar gerade solche, die den Gesundheitsschutz der Beschäftigten betreffen, und damit ganz klar der Mitbestimmung und Beteiligung des Personalrats unterliegen, sind zuletzt vom Senat getroffen worden. Ein Vorgehen, das das Personalvertretungsrecht an dieser Stelle leider aushebelt – auf den Senat haben wir keinerlei Einfluss. Wenn wir von bevorstehenden Änderungen im Vorfeld, z. B. durch die Presse, erfahren haben, versuchten wir mit Stellungnahmen und in einem Fall auch mit einem offenen Brief, noch Einfluss auf Entscheidungen zu nehmen – leider ohne Erfolg.

„Wir wollen mitreden“

Die Ausgestaltung dieser Beschlüsse durch die Bildungsbehörde fand anfangs auch gänzlich ohne Beteiligung der Interessenvertretungen statt. Musste halt schnell gehen … Inzwischen sind wir bei einem Zustand angekommen, wo wir die Informationen die an die Schulen gehen sollen oft erst kurz vorher zur Kenntnis erhalten, wenn ein Einwirken unsererseits kaum oder gar nicht mehr möglich ist. Da muss sich jetzt dringend wieder ändern. Die Pandemie gehört mit Sicherheit noch eine ganze Weile zu unserem Alltag und wirkt sich in besonderem Maße auf die Schulen aus. Da wollen und müssen wir mitreden!