Kolumne
Die dunkle Seite der Macht
Was ich schon immer mal sagen wollte – Eine Kolumne von Angelika Hanauer
In der vergangenen Ausgabe habe ich über die Herausforderungen geschrieben, die Schulleitende zu stemmen haben, weil diese Perspektive oft zu kurz kommt und manche meinen, Gewerkschafter:innen und Interessenvertretungen sähen in Schulleiter:innen grundsätzlich Gegner:innen. Das ist aber nicht der Fall - wobei ich jetzt auch nicht für jede und jeden die Hand ins Feuer legen möchte. Dass es häufiger doch so wirkt, hat mit denjenigen zu tun, die ihren Job ziemlich suboptimal machen, auch wenn die in der Minderzahl sind.
Schlechte Führung macht krank
Ich habe als Lehrerin mehr als zwei Jahrzehnte schmerzliche Erfahrung damit, was schlechte Führung mit einem selbst, einem Kollegium und einer ganzen Schule anrichten kann. Als ich durch meine Arbeit im Personalrat erfahren musste, damit nicht allein zu sein, war das allerdings kein Trost, ich fand es eher schockierend. Geteiltes Leid ist eben nicht unbedingt ein halbes. Und Leid entsteht hier auf jeden Fall, bis hin zu ernsthaften Erkrankungen. Betroffene haben nicht selten über Jahre damit zu kämpfen - und Hilfe seitens der Behörde suchen sie meist vergeblich. Der Zusammenhang zwischen Führungsverhalten und Zufriedenheit, Leistungsvermögen und Gesundheit von Beschäftigten ist hinlänglich untersucht und vielfach belegt. Es ist also zutiefst unvernünftig - insbesondere auch noch in Zeiten massiven Personalmangels - gegen schlechte Führung nicht vorzugehen. Niemand kann sich Kolleg:innen leisten, die demoralisiert in die berühmt-berüchtigte innere Emigration, in Teilzeit und den frühzeitigen Ruhestand flüchten oder die häufig oder dauerhaft krank werden.
Warum lässt die Behörde das also zu?
Einerseits gibt es ähnliche Verhaltensweisen und Strukturen auch in der Behörde. Die ist ebenfalls hierarchisch organisiert, obwohl es nach meiner Wahrnehmung auch ziemlich verselbstständigte Bereiche gibt, die frei nach dem legendären Motto von Franz Josef Strauß verfahren: Egal, wer unter mir Behördenleitung ist. Autoritäres Denken ist im Allgemeinen aber Programm und nicht negativ besetzt, sondern genau das, was von Leitungspersonen erwartet wird. Es ist also auf dieser Ebene auch ein systemisches Problem, das sich auf die Haltung von Schulleitenden auswirkt. Das Bild von der Ersten oder dem Ersten unter Gleichen, mit dem Bremen, wie ich finde, lange gut gefahren ist, ist leider seit der Schulgesetzänderung von 2005 passé.
Angst vor Kontrollverlust
Andererseits glaube ich, die größte Motivation, mangelhaftes Führungsverhalten nicht zu sanktionieren, ist die Angst vor Kontrollverlust auf allen Ebenen. Das Dominanzverhalten einiger Schulleiter:innen und Angst stehen dabei auch nicht unbedingt im Widerspruch. Entscheidungen Mehrheiten oder Expert:innen zu überlassen, einzuräumen, selbst vielleicht nicht immer über die besten Argumente zu verfügen oder gar Fehler zuzugeben, das erfordert Mut und Gelassenheit - kurz gesagt: Souveränität. Die hat leider nicht jede und jeder. Einer meiner Chefs erklärte einmal, qua Amt für fachliche, für ihn allerdings fachfremde, Entscheidungen in einer Abitur-kommission qualifiziert zu sein. Manche haben neben Angst offenbar auch Eigengenieverdacht.
„Das ist Quak!“
Behörde und Schulaufsichten scheinen ihrerseits zu fürchten, dass Ansehen und Durchsetzungskraft von Schulleiter:innen Schaden nehmen, wenn fehlerhaftes Verhalten durch die nächsthöhere Instanz korrigiert wird - dann tanzen die Mäuse womöglich demnächst auf dem Tisch. Oder, wie sich ein Schulleiter einmal zu Mitbestimmungsfragen der Gesamtkonferenz vernehmen ließ: „Das wäre, als würde man die Frösche im Teich über den Wasserstand entscheiden lassen.“ Ich sage: Das ist Quak!
Gerne mal wegsehen
Hin und wieder werden auch Schulleiter:innen gemaßregelt, meistens dann, wenn sie der Behörde auf die Nerven gehen, weil sie sich zum Beispiel an die Öffentlichkeit wenden oder wenn ein Problem irgendwann so groß wird, dass es droht der Behörde selbst so richtig um die Ohren zu fliegen. Schlecht behandelte Kolleg:innen, selbst wenn es viele an einer Schule sind, reichen für ein Einschreiten in der Regel nicht aus. Und leider genügen meistens nicht einmal Verstöße gegen gesetzliche Bestimmungen, wie beispielsweise das Schulverwaltungsgesetz oder andere Regeln, wie das Beschwerdemanagement. Darüber wird nach meiner Erfahrung gerne mal gepflegt hinweggesehen.
Aalglatt ist auch nicht besser
Neben dem autoritären Typus gibt es auch den windelweich-gecoachten Teflontypen, der inzwischen in vielen Bereichen der Gesellschaft anzutreffen ist. Ihr wisst vermutlich, wen ich meine: Das sind ausgesucht höfliche Leute, die gelernt haben, diese Fassade (fast) jederzeit aufrecht zu erhalten, auch wenn sie in puncto Führungsqualität, Transparenz und Teilhabe, sagen wir mal vorsichtig, Optimierungsbedarf haben. Die sind mir irgendwie unheimlich. Ich bevorzuge die gepflegte Auseinandersetzung. Da weiß man wenigstens, wo man steht.
Einmal hat eine Vorgesetzte, die sich grade die Zähne an meiner Weigerung ausbiss, Geld für eine Klassenfahrt auf meinem Privatkonto einzusammeln, plötzlich wie einstudiert beide Hände erhoben und in meine Richtung herabgesenkt mit den Worten: „Ich weise das Problem an dich zurück.“ Ich erwiderte, dass ich das Problem aber nicht annähme und ging. Tja Pech, da war sie mit ihrem Latein am Ende. Vermutlich hatte sie im Gegensatz zu mir kein Latein gehabt und in ihrem Coaching keinen passenden Textbaustein mitbekommen.
Zu hoher Energieverbrauch
Aber Scherz beiseite, oft ist es natürlich nicht einfach oder lustig, sondern ziemlich zermürbend, sich mit schlechtem Führungsverhalten rumzuschlagen. Da wird viel zu viel Energie verbraucht, die dann woanders fehlt, und die Arbeitsfreude leidet darunter. Natürlich könnte man über manches hinwegschauen und einfach seinen Kram machen. Bei Kleinigkeiten geht das vermutlich, aber sorry, ich finde, wir sind regelrecht verpflichtet, bestimmten Verhaltensweisen und Strukturen entgegenzutreten und nicht einfach unkritisch alles zu machen, was uns gesagt wird. Denn wenn Zivilcourage nicht schon im Kleinen anfängt, gibt es sie auch nicht im Großen. Der Kopf ist schließlich nicht auf den Schultern, damit es nicht in den Hals regnet.
Du musst nicht alphabethisch vorgehen
Also, liebe Behörde, es ist an der Zeit, mal die Perspektive zu wechseln und dich zu freuen über couragierte, selbstständig denkende Kolleg:innen. Denn diejenigen, die mitreden wollen, sind oft auch mit besonders viel Herzblut bei der Sache. Die solltest du schützen und pfleglich behandeln. Außerdem sind Schulleiter:innen auch nur Menschen und keine höheren Wesen. Sie machen daher Fehler, und es tut gar nicht weh, das hin und wieder zuzugeben - das verspreche ich dir! Und manchmal wird einfach die falsche Person in dieses verantwortungsvolle Amt befördert. In diesen seltenen Fällen kannst du dem Ausspruch Bertolt Brechts folgen: Wer A sagt, muss nicht unbedingt auch B sagen, sondern kann erkennen, dass A falsch war.