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Bremerhaven

Das Zeitalter der Notmaßnahmen

Bremen – Zur „Überraschung“ von Kultusminister*innen, Senator*innen und Dezernent*innen ist zu diesem Schuljahr eine rekordverdächtige Summe von Lehrer*innenstellen unbesetzt. Sie wundern sich: Es scheiterte weder an Stellen noch am Geld. Es fehlten „nur“ geeignete Bewerber*innen.

Wir wundern uns nicht.

Die zugespitzte Situation dieses Sommers ist Ausdruck einer verfehlten Personalentwicklung der
letzten Jahre. Mit der Änderung des Bremischen Schulgesetzes von 2009 beispielsweise (alle Schulen
werden „inklusive“ Schulen) wurden Ansprüche formuliert, deren Umsetzung zu keiner Zeit
abgesichert war. Unstrittig ist, dass man für eine tiefgreifende Schulreform mindestens Fachpersonal
und ergänzende Qualifizierungen für die bereits im Dienst befindlichen Mitarbeiter*innen benötigt.

Statt an diesen Stellen die Weichen richtig zu stellen, wurden relevante Studiengänge dem
Kürzungswahn geopfert. Die größte Fehleinschätzung bestand darin, eine inklusive Schule ohne einen
eigenständigen Studiengang Sonderpädagogik aufbauen zu wollen. Anstatt Menschen schon im
Studium mit den bildungspolitischen Anliegen des Landes vertraut zu machen, sollten sie „von
auswärts“ eingeworben werden. Wer die Studienpluralität der Bundesrepublik kennt, der weiß, wie
unrealistisch ein derartiges Ansinnen ist.

Ein weiteres Beispiel ist die Abschaffung des Studiengangs Sport. Offensichtlich war den
Entscheidungsträgern nicht bewusst, dass es nicht nur um das „Fach“ Sport geht. Sport war in der
Vergangenheit sehr beliebt, gerade in Kombination mit Mathe, Naturwissenschaften und Englisch.
Fehlt der Sport, so reduziert sich die Attraktivität bei Studierenden auch für andere Fächer!

Solche Entscheidungen wurden eingebunden in eine allgemeinpolitische Stimmungslage:
Zielgerichtet sind pädagogische Berufe abgewertet worden, mit Einflüssen auf die
Berufswahlentscheidung vieler Jahrgänge von Schulabgängern.

Das Ergebnis erleben wir heute: Durch finanzielle Anreize, erleichterte Zugänge zum Beruf und mehr
Gestaltungsfreiheit der Schulen soll die Situation aufgefangen werden. Das wird kaum gelingen.
„Anreize“ greifen nur bei einem existierenden „Bewerbermarkt“, nicht ausgebildete Personen
müssen grundständig qualifiziert werden und Gestaltungsfreiheit der Schulen bedeutet in dieser Lage
Verwaltung des Mangels.

In dieser Konkurrenzsituation zwischen den Bundesländern wird es nur wenige Sieger geben. Was wir
dringend benötigen, ist dagegen eine bundesweite politische Initiative für mehr Pädagog*innen.
Dazu bedarf es insbesondere besserer Arbeitsbedingungen und tatsächlicher Unterstützung der
Behörden. Davon ist bislang nichts zu merken.

Gerade bei den aktuellen Herausforderungen darf es nicht dabei bleiben, dass sich Politiker*innen nur
wundern. Sie müssen handeln. Wir benötigen ein umfassendes Personalentwicklungskonzept.