Zum Inhalt springen

Bildungsgerechtigkeit

Das Virus öffnet die Schere

Corona und Schule: Benachteiligte werden weiter benachteiligt

Ein Virus unterscheidet nicht zwischen sozialökonomischen Status und Bildungsniveau. Die Auswirkungen aber schon. Die Versäumnisse der Bildungspolitik werden durch die Corona-Pandemie überdeutlich, nicht nur bei der Umsetzung des digitalen Fernunterrichts. Wie die Realität in den Bildungseinrichtungen beim Erscheinen dieses Artikels aussieht, war beim Schreiben noch nicht absehbar. Was aber durch verschiedenste Rückmeldungen und durch eigene Erfahrungen schon jetzt klar ist, dass der Einsatz digitaler Medien Unterricht in Schule, soziale Kontakte oder politische Diskussionen nicht ersetzen kann.

Lehrkräfte versuchen, oft durch Nutzung privater Endgeräte, digitale Lernmöglichkeiten für die Schüler*innen zu schaffen. Von Servern, die überlastet sind und fehlenden Endgeräten für alle Beteiligten mal abgesehen, ist der viel gepriesene digitale Unterricht nur an einzelnen wenigen Standorten gut gelaufen und schon nach wenigen Wochen Schulschließungen wurde ganz deutlich, wer zu den Verlierern der Corona-Pandemie gehört. Und die fehlenden Endgeräte scheinen da teilweise das kleinere Problem zu sein.

Auf sich selbst gestellt

Denn Schulen bieten den Schüler*innen als Teil des Unterrichts unter anderem zuverlässige Strukturen, Arbeitsplätze, Materialien und persönliche Ansprechpartner*innen, die sie nicht nur beim Lernen, sondern auch in anderen Fragen unterstützen können. Besonders für die Schüler*innen der Primar- und Sek-I-Stufen ist das Bereitstellen vieler weicher Aspekte ein wichtiger Schlüssel, um das schulische Lernen zu ermöglichen. Die Anzahl der Schüler*innen, die jetzt auf sich selbst gestellt, ohne eigenes Zimmer oder ohne eigenen Schreibtisch in zu kleinen Wohnungen, in Anwesenheit kleinerer Geschwister auf die sie jetzt teilweise noch aufpassen sollen, lernen sollen, ist hoch. Da fällt es auch gut strukturierten Schüler*innen schwer, sich auf Unterrichtsinhalte zu konzentrieren, selbst wenn sie technisch auf diese Zugriff bekommen. Viele Schüler*innen benötigen aber persönliche Ansprache und zum Teil Ermutigung, um sich auf Lerninhalte einzulassen; eine Aufgabe, die jetzt Eltern und hier wage ich zu behaupten, meistens die Mütter übernehmen. Das mag in einzelnen privilegierten Elternhäusern auch funktionieren und dazu führen, dass die Selbständigkeit einzelner Schüler*innen sogar steigt. Aber dann sind da die vielen anderen, zum Beispiel die Familien, in denen die Eltern noch nicht genug Deutsch sprechen, um ihre Kinder gut zu unterstützen oder die Eltern, die jetzt in Kurzarbeit sind oder ihren Mini-Job verloren haben und sich Sorgen machen, wie sie die Familie weiter finanzieren können. Die subventionierten und durch BuT übernommenen Mahlzeiten in der Schule fallen ja auch weg. Und der Ausverkauf vieler kostengünstiger Eigenmarken in den Supermärkten führt dazu, dass finanzschwächere Menschen jetzt teurer einkaufen müssen.

Kompensationsangebote sind nötig

Es ist ganz deutlich, die Schere geht durch die Corona-Pandemie immer weiter auseinander und es ist ganz klar, dass dies in Schule aufgearbeitet werden muss, wenn Unterricht wieder in Schule stattfinden kann. Benachteiligte Schüler*innen benötigen dann Kompensationsangebote. Kleingruppenangebote zur Unterstützung könnten da ein Weg sein. Wir brauchen auch eine inhaltliche Verarbeitung der Pandemie, ein tieferes Verstehen der Auswirkungen sollte dann im Unterricht genutzt werden, um auch im Sinne der Demokratie ein besseres Verständnis füreinander zu entwickeln und die Entstehung solcher Viren (Zerstörung des Lebensraums von Tierarten, Klimawandel, ...) zu begreifen. Einher gehen sollte dies mit der überfälligen Überarbeitung der Bildungspläne im Sinne einer Entrümpelung.

Systemrelevant

Die schwarze Null wurde für die Corona-Krise außer Kraft gesetzt. Das war richtig so. Das muss jetzt aber auch dazu führen, dass anschließend, wenn sich wieder eine Normalität herstellt, ein Umdenken in Bezug auf den Stellenwert von Bildung stattfinden muss und Bildung, wie auch andere Bereiche im Dienstleistungssektor, gemäß ihrer hohen Relevanz für das Leben aller Menschen anerkannt und finanziert wird. Denn Mitarbeiter*innen im Bildungswesen sind systemrelevant.