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Schwerpunkt

Das lange Warten auf ein Menschenrecht

Inklusion im Land Bremen: Bildungssenatorin Sascha Aulepp zu Gast beim Verein „Eine Schule für Alle“

F.K.Waechter, "Wahrscheinlich guckt wieder kein Schwein", Diegens, 1978

Bremen möchte seit langem ein inklusives Schulsystem. Viele Förderschulen sind aufgelöst, sogenannte Inklusionsklassen sind entstanden. Was bleibt zu tun, damit das Ziel auch nachhaltig erreicht wird? Wo hapert es bei der Umsetzung? Fragen, die die Initiative „Eine Schule für Alle“ immer wieder stellt – auch auf der 23. Bildungsmatinee „Pfeiffer mit drei 3f!“ im September. Kinder- und Bildungssenatorin Sascha Aulepp nahm sich an einem Sonntagvormittag drei Stunden Zeit, um Stellung zu beziehen.

Akuter Fachkräftemangel

Erwartungsfreudig hörten rund 60 Frauen und ein paar Männer zu. Ein fachkundiges Publikum aus Eltern, Lehrkräften, „Ein Schule für alle“-Aktivisten, Vertreter:innen der Bildungsbehörde, der Universität und der GEW. Die Senatorin sprach 30 Minuten zum Thema. Die Bremer Inklusionspolitik sei „hochgeachtet und ein positives Beispiel“. Es seien aber „noch weitere Schritte zu gehen“, alle Beteiligten stünden vor „riesigen Herausforderungen“, der „räumliche Ausbau dauert länger als gedacht“.

Einigkeit herrschte über das derzeit größte Problem: der akute Fachkräftemangel. Die schlechte Personallage verschlechtert massiv die Rahmenbedingungen für gelingende Inklusionsprozesse. „Der Fachkräftemangel im Bildungsbereich ist zu großen Teilen hausgemacht. Da wurde in den vergangenen Jahren vieles kaputtgespart“, sagte Barbara Schüll, GEW-Landessprecherin. „Das Ende des Studiengangs Behindertenpädagogik war er ein Fehler“, gestand Aulepp ein. Einigkeit in der Runde gab es auch beim Thema Königsteiner Schlüssel. Das Vorhaben der Senatorin, die Verteilung von Bundesmitteln sozialer zu gestalten zu wollen, traf auf breite Zustimmung. Gelder müssten an den Schulen oder in den Stadtteilen ankommen, wo sie am meisten gebraucht würden.

„Gymnasien sind nicht inklusiv“

Inklusion wird im Bildungsbereich häufig auf Sonderpädagogik in Schulen reduziert. Die Initiative „Ein Schule für Alle“ definiert den Begriff breiter: Inklusion bedeutet die Akzeptanz von Vielfalt. „Wir wollen eine Schule für alle: Schüler:innen mit unterschiedlichen Interessen und Begabungen; Menschen aller Hautfarben, Kulturen und Religionen; Menschen verschiedener geschlechtlicher Zugehörigkeiten und sexueller Orientierungen. Lernende dürfen nicht behindert werden. Sonderformen, auch Gymnasien, sind nicht inklusiv“, betonte die erste Vorsitzende Elke Gerdes.

„Bitte verbindliche Schritte“

In der Diskussionsrunde – moderiert von Vorstand Volker Benckert - wurde schnell klar, dass viele der ambitionierten Bremer Inklusionsziele bisher nicht erreicht sind. Für die Leiterin der Kinderschule und ZuP-Expertin Philine Schubert sind die Inklusionsklassen dann auch eher „Integrationsklassen“. Die Zuhörer:innen berichteten aus ihren Bildungseinrichtungen und forderten vor allem Auskunft, wann und wie es verbindlich weitergeht.

Die Senatorin hörte sich die Hilferufe an, nannte aber kaum konkrete Schritte und keine Zielzahlen. Viele Kinder mit Förderbedarf, ihre betroffenen Eltern und die immer stärker belasteten Beschäftigten müssen weiter auf bessere Strukturen und Bedingungen warten. Zum Beispiel auf Doppelbesetzungen, die verlässlich zur Verfügung stehen. Auch Petra Kettler vom Martinsclub möchte bald wirkliche Inklusion erleben. Ihr Statement nach der Veranstaltung klingt aber desillusioniert: „Mein Fazit fällt ernüchtert, wenn nicht gar frustriert aus. Sascha Aulepp ist schon die vierte Senatorin bei der Bildungsmatinee. Die Fragen und Probleme haben sich in 15 Jahren nicht verändert. Bei allem Verständnis für neue Herausforderungen, inklusive Beschulung ist kein Luxus, sondern ein Menschenrecht.