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Schwerpunkt

Das Ende des Einzelkampfs

Sandra Pilster ist Berufsschullehrin in Walle

Sandra Pilster ist Berufsschullehrerin in Walle/Bremen
Sandra Pilster | Foto: Susanne Carstensen

Mein Weg zur Gewerkschaft führte genau genommen direkt über meinen ersten Ausbildungsberuf: Zahntechnikerin. In diesem Beruf gibt es weder Tarifverträge noch eine gewerkschaftliche Vertretung. Dies erfuhr ich ziemlich unsanft nach Ende meiner Ausbildung während meines ersten Vorstellungsgesprächs. Froh über die Einladung zum Vorstellungsgespräch startete ich also mit einer ungefähren Idee von dem zu erwartenden „Jungtechnikergehalt“ in die Verhandlung. Mir gegenüber saßen zwei Chefs, die mir auch gleich ihre Vorstellung von einem angemessenen Einstiegsgehalt präsentierten: 1600 Deutsche Mark für 40 Stunden Arbeit. Dazu muss man sagen, dass diese Summe selbst im Jahr 1998 nicht wirklich viel Geld war. Schon gar nicht für eine Fachkraft mit dreieinhalbjähriger Ausbildung. Ich verhandelte also zäh weiter, bis wir uns einigermaßen einig wurden.

Allein gegen zwei

Im Laufe der nächste drei Jahre meiner Betriebszugehörigkeit wiederholten sich diese Verhandlungen immer wieder – kräftezehrend und nicht gerade motivierend für mich. Denn hatte ich den einen Chef von einer angebrachten Gehaltserhöhung halbwegs überzeugt, stieg der andere Chef wieder ins Gespräch ein und brachte Gegenargumente ins Spiel: die schlechte Auftragslage, die neue Gesundheitsreform und, und, und. Kurz gesagt: Ich musste um jede müde Mark schachern wie auf einem Basar. Als dann auch noch der Azubi, den ich (!) ausgebildet hatte nach bestandener Gesellenprüfung ein höheres Einstiegsgehalt bekam als ich nach drei Jahren für mich selbst erkämpft hatte (er war ja ein Mann), platzte mir endgültig der Kragen. Keine tarifliche Bindung und keine gewerkschaftliche Vertretung bringen nämlich leider oft auch eine Ungleichbezahlung von Frauen und Männern mit sich. Das vergaß ich anfangs zu erwähnen und das ist leider auch im Jahr 2021 die Realität.

Solide Vertretung und Ansprechpartner

Ich entschloss mich also, mit Ende zwanzig meinen Beruf aufzugeben und ein Lehramtsstudium zu beginnen – zum einen, weil ich schon zu Schulzeiten mit diesem Beruf geliebäugelt und mir mein Taschengeld als Nachhilfelehrerin verdient hatte, zum anderen, weil ich unbedingt eine solide gewerkschaftliche Vertretung an meiner Seite wollte. Mit Aufnahme des Studiums trat ich dann auch gleich in die GEW ein und zahlte gerne den doch sehr fairen Beitrag für Studierende. In Anspruch nehmen musste ich die Hilfe der GEW zu Studienzeiten nicht, doch schon im Referendariat geriet ich in eine Situation, in der ich froh war, eine kompetente Ansprechpartnerin an meiner Seite zu haben.

Von Arbeitskämpfen profitieren

Nun bin ich mittlerweile Lehrerin im Beamtenverhältnis und kann die GEW bei Streiks wie in den vergangenen Wochen nicht persönlich unterstützen. Ich hoffe aber, mit diesem kleinen Beitrag die Wichtigkeit von Gewerkschaften unterstreichen zu können. Sie sorgen dafür, dass unsere Arbeitsbedingungen verbessert werden ohne, dass jede und jeder Einzelne von uns die Kämpfe wie oben beschrieben selbst austragen muss. Auch als Beamtin profitiere ich also von den Arbeitskämpfen der Gewerkschaft und über Ungleichbehandlung von Frauen und Männern im selben Beruf muss ich mir auch keinen Kopf mehr machen. Dafür bin ich dankbar.