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Schwerpunkt

ceq = z x c = z x n/V

Normalität ist subjektiv

Foto: privat

Normalität? Das ist ganz einfach: Als Chemiker benötige ich da lediglich die Stoffmengenkonzentration, also den Quotienten aus molarer Stoffmenge und Volumen und multipliziere diesen mit der stöchiometrischen Wertigkeit des betreffenden Stoffes. Schon habe ich die Normalität, oder wie es inzwischen heißt, die Äquivalentkonzentration, berechnet. Hilft dieses Wissen jemandem? Kaum, außer Sie absolvieren gerade einen Bildungsgang rund um Chemie oder Labortätigkeiten. Es zeigt aber, gerade wenn Sie nichts damit anfangen können, wie subjektiv Normalität sein kann. Das kann man sich zunutze machen, denn wenn die Normalität subjektiv ist, kann ich sie mir machen, wie ich sie gerade brauche, oder nicht?

Blicke in den zeitlichen Rückspiegel: War denn ‚früher‘ etwas normaler? Wäre ohne CoVid19 alles jetzt noch so wunderbar, wie es vor zwanzig Jahren in Schule war? Hätten wir ohne die virusbedingte Krise gar eine komplett krisenfreie Zeit? Dreifach nein.

Blicke nach vorn: Wird nach der letzten Welle alles wieder schön werden? Werden ohne jegliche Krise endlich genug Ressourcen zur Verfügung stehen, die sogar in Bildung investiert werden? Werden irgendwann Menschen, die mit Menschen arbeiten dafür mehr Wertschätzung erfahren, als Menschen, die mit Geld arbeiten? Dreifach nein.

Blicke auf die Gegenwart: Pragmatismus einpacken und so wenig in die Arbeit mit und am jungen Menschen investieren, wie ich vermag? Nur noch über die CoVid-Krise meckern, statt die Missstände anzuprangern, die die CoVid-Krise nur noch sichtbarer gemacht hat? Sich selbst und den Kolleg:innen in der Pause erzählen, wie gut früher alles war und wie schlimm es heute ist? Auch ein dreifaches Nein.

Resultat für meine höchsteigene Normalität. Ich trage FFP2Maske auch an den Tagen, an denen ich acht Stunden durchgängig unterrichte, obwohl mir dann die Ohren schmerzen. Und im Supermarkt trage ich danach dann auch eine FFP2Maske, obwohl man dafür schon mal einen verständnislosen Blick erntet. Ich schalte die Lüftungsgeräte auf den sinnvollsten Modus ein, auch wenn diese ab und an laute Geräusche machen. Ich öffne sooft es geht Türen und Fenster um zu lüften, auch wenn das nicht allen Anwesenden gefällt. Ich halte Abstand zu anderen Menschen, in Schule, beim Einkauf, im Alltag, auch wenn Mitmenschen das als willkommene Lücke betrachten, in die sie treten. Ich teste mich oft, um es zeitig festzustellen, falls ich ein Risiko für andere bin, auch wenn das Müll und Kosten verursacht. Vieles davon muss ich nicht mehr, darf ich aber immerhin noch. Ich möchte nämlich gerne meine höchstpersönliche, eigene, liebgewonnene Normalität anno 2019 wiederhaben.