Zum Inhalt springen

Bremen lehnt ab, Niedersachsen freut sich

Personalmangel: Ambitionierte junge Lehrkräfte werden wiederholt vertröstet und nicht zum Referendariat zugelassen. Warum?

Der Lehrkräftemangel ist ein ebenso aktuelles wie brisantes Thema in den meisten Bundesländern. Das Land Bremen muss sich aber besonders viele Gedanken machen, damit das Problem nicht zu massivem Unterrichtsausfall führt. Denn Kinder und Jugendliche haben ein zwölfjähriges Recht auf ausreichend Bildung. In Bremerhaven und Bremen steigen die Schülerzahlen weiter stark an, Lehrkräfte verdienen im Vergleich durchschnittlich weniger, geschlossene Studiengänge sind weiter zu, die Infrastruktur an den Instituten für die Lehrkräftebildung (LIS, LFI) kann oder soll nicht so ausgebaut werden, um genügend und gut ausgebildeten Lehrerkräftenachwuchs zu bekommen.

Die Verantwortlichen in Bildungsbehörde und Senat mühen sich (ab): Sie haben auf Druck des Personalrats die Refendariatsplätze auf nahezu 600 erhöht. Das sind immer noch zu wenige Plätze, um die dringenden Probleme zu lösen. Besonders ärgerlich ist es, dass andererseits immer noch und wiederholt gute und ambitionierte Bewerber/innen abgelehnt werden. Sechs von ihnen, alle mit gutem bis sehr gutem Examen an der Uni Bremen und Unterrichtserfahrungen über die Stadtteilschule haben Ende 2017 einen bitterbösen Protestbrief geschrieben. Die Antwort, die sie bekamen, war ebenso nüchtern wie enttäuschend. Alle sechs bekamen ein „Nein“ zum Einstellungstermin Februar 2018. Häufige Begründung: Sie unterrichten kein Mangelfach. Das LIS muss eisern an den für alle Bewerber/innen geltenden „normierten Strukturen im Einstellungsverfahren“ festhalten, hieß es.

Was dann kam, war ebenso logisch wie verständlich: Vier von den sechs Bewerber/innen gaben auf. Nicht ihren Berufswunsch, nur den Wunsch, weiter in Bremen ausgebildet zu werden. Sie haben mittlerweile ein Referendariat in Niedersachsen begonnen oder haben eine feste Zusage aus Hannover. Mareile Pohl unterrichtet nach der Bremer Absage jetzt am Gymnasium in Osterholz-Scharmbeck. Obwohl ihr Fach Erdkunde auch in OHZ kein Mangelfach ist, hat sie ein Referendariatsplatz bekommen. Sie lobt ihr Studienseminar in Verden: „Die sind dort gut aufgestellt. Die Fachleiter haben ausreichend Zeit für viele Unterrichtsbesuche.“ Und ihr Vergleich mit Bremen fällt drastisch aus: „Das LIS ist chronisch unterbesetzt.“

Auch Jule Lindner gehörte zu den sechs Abgelehnten. Sie stellte sich erneut dem Bewerbungsverfahren in Bremen und nach einer „nervenaufreibenden Geduldsprobe“ hat die Sek-II-Lehrerin endlich eine Zusage bekommen. Ihr ironisches Haupt-Fazit: „Bremen hat Glück gehabt.“ Sie war auch auf dem Sprung und hatte Angebote aus Uelzen, Verden und Nienburg. Wo die „Bald-Referendarin“ ab August unterrichten wird, ist noch nicht ganz klar. Ihre Kritik am Auswahlverfahren, an dem sie einmal gescheitert ist, hält sie aufrecht. „Das Nachrückverfahren ist für Laien und Interessierte kaum zu durchschauen. Es ist nicht transparent, Note sechs.“ Jule hat die Zwischenzeit als Stadtteilschulkraft an der Oberschule Koblenzer Straße überbrückt und dort den Lehrkräftemangel live miterlebt. „Es gibt größte Probleme, alle Stellen zu besetzen.“

Davor hatte sie mit einem weiteren Punkt zu kämpfen. „Bremer Studierende haben einen Nachteil“, sagt die angehende Lehrerin. „Das geforderte Haupt- und Nebenfach parallel in der Regelstudienzeit zu absolvieren, ist strukturell nicht möglich. Und so hat man dann schlechtere Chancen auf ein Referendariat.“

Bevor Jule Lindner nach einem erfolgreichen Referendariat in 18 Monaten die normale A13-Besoldung zusteht, musste sie sich als Stadtteilschul-Kollegin mit einem weit geringerem Gehalt begnügen. Das war für sie ok, aber es schwingt eine Befürchtung mit: „Ich und viele meiner Kollegen werden gewollt lange als günstige und nicht voll ausgebildete Lehrkräfte befristet beschäftigt, um Löcher stopfen zu können.“ Also nach dem Prinzip: Lieber unerfahrende Kräfte ins kalte Wasser werfen, als nachhaltig die Rahmenbedingungen für eine gute Lehrerkräftebildung zu verbessern. Auch aus finanziellen Gründen.