Bildungsgerechtigkeit
Bildungswende jetzt - mehrere Hundert Demonstrierende
Die Rede von Elke Suhr - Landesvorstandssprecherin der GEW Bremen
Liebe Schülerinnen und Schüler, liebe Eltern, liebe Kolleg*innen, liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger,
Mein Name ist Elke Suhr, ich bin Landesvorstandssprecherin der GEW Bremen, der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft – der Gewerkschaft, die alle Bildungsberufe von der frühen Kindheit über Schule, Studium und Weiterbildung und die Wissenschaft vertritt.
Als Gewerkschaft im DGB setzen wir uns nicht nur für gute Arbeitsbedingungen und gute Tarifergebnisse für die Beschäftigten ein.
Gemeinsam mit den anderen DGB-Gewerkschaften positionieren wir uns eindeutig gegen Diskriminierung, gegen Rassismus und gegen Angriffe von rechts. Gemeinsamkeit ist unsere Stärke – Solidarität ist unser Markenzeichen.
Als Bildungsgewerkschaft setzen wir uns aber auch für gute und gerechte Bildung ein. Wir setzen uns für Bildungsgerechtigkeit ein. Der Bildungserfolg darf nicht von der Geburt oder der Postleitzahl abhängen.
Wir fordern ein inklusives Bildungssystem, das alle Kinder und Jugendlichen auf die Zukunft vorbereitet, eine Zukunft von der wir heute nur sicher wissen, dass diese unsicherer wird.
Bildung als Welterkenntnis mit einem Fokus auf die Schlüsselprobleme der Menschheit muss wieder in den Fokus rücken.
Das Abhaken von erreichten Kompetenzstufen reicht da nicht aus. Die Schüler*innen müssen zum kritischen Denken und Handeln erzogen werden, ein Ziel, das sich auch im Bremer Schulgesetz §5 widerspiegelt, beispielhaft genannt seien hier Auszüge aus Satz 2: Die Schule soll insbesondere erziehen zur Bereitschaft, politische und soziale Verantwortung zu übernehmen; zur Bereitschaft, kritische Solidarität zu üben; zur Bereitschaft, sich für Gerechtigkeit und für die Gleichberechtigung der Geschlechter einzusetzen; zum Bewusstsein, für Natur und Umwelt verantwortlich zu sein, und zu eigenverantwortlichem Gesundheitshandeln; zu Gewaltfreiheit und friedlicher Konfliktbearbeitung.
Liebe Politiker*innen, es ist an der Zeit, dass Ihr eure eigenen Gesetze ernst nehmt.
Wir sagen: Wenn die Schuldenbremse bei einem Rüstungspaket umgangen wird, muss das auch für eine bessere gerechtere Zukunft, für Bildung, aber für Ausgaben im Bereich Gesundheit und für den Klimaschutz möglich sein.
Die Schuldenbremse als Klotz am Bein müssen wir endlich loswerden, weil wir sonst auf Kosten zukünftiger Generationen sparen. Die Schuldenbremse ist eine Zukunftsbremse. Der Sparkurs schwächt die Demokratie. Wir brauchen die Investitionen jetzt. Säckeweise muss das Geld in die Bildung aber auch in Gesundheit und in den Klimaschutz fließen.
Der Fachkräftemangel macht sich in der Bildung überall bemerkbar. In der Schule und in der Kita. Überall fehlen schon jetzt Erzieher*innen. Die Herausforderungen des Ganztags in der Grundschule werden diesen Fachkräftemangel noch einmal weiter verschärfen. Eine Aufwertung der Sozial- und Erziehungsdienste muss deshalb endlich kommen. Mindestens eine S8b für alle Erzieher*innen, egal ob sie in Kita, Schule oder Jugendeinrichtungen arbeiten. Nur durch eine Ausbildungskampagne und einer gleichzeitigen Aufwertung dieses wertvollen Berufs kann dem Fachkräftemangel entgegengesteuert werden.
Was uns als GEW wichtig ist: eine mittel- und langfristige und vor allem vorausschauende Personalplanung. In Bremen warnen wir schon seit über 20 Jahren vor der, sich weiter verschlechternden Personalversorgung in Schule. Mit Schippen, mit Menschenketten, Pappnasen und Treckern (ja auch die und das schon vor 10 Jahren) haben wir auf unsere Forderungen für eine bessere aufmerksam gemacht. Passiert ist viel zu lange nichts und auch heute immer noch viel zu wenig.
Mittlerweile befindet sich das Personal aufgrund der Rahmenbedingungen in einer Tretmühle zwischen zu hoher Arbeitsbelastung und damit verbunden einer Frustration über die eigene eingeschränkte pädagogische Wirksamkeit in der Arbeit. Immer wieder steigen Lehrkräfte deshalb gänzlich aus diesem System wieder aus. Deshalb ist es jetzt umso wichtiger das vorhandene Personal als wichtigste Ressource gegen den Fachkräftemangel zu pflegen und zu binden. Durch bessere Arbeitsbedingungen.
Und um dauerhaft auch wieder mehr Lehrkräfte in die Bildungseinrichtungen zu bekommen müssen endlich ausreichend Studienplätze zur Verfügung gestellt werden, damit alle, die diesen Beruf ausüben wollen, einen Studienplatz bekommen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Anerkennung ausländischer Studienabschlüsse signifikant verbessert wird und dass quereingestiegene Kolleg*innen gute und passgenaue Qualifizierungsangebote gemacht werden.
Bildungseinrichtungen spielen eine wichtige Rolle bei der Medien- und der Demokratiebildung. Dass dies notwendig ist, haben die letzten Jahre sehr deutlich gezeigt. Dafür müssen die finanziellen und personellen Ressourcen bereitstehen! Lehrer und Lehrerinnen haben bei der Vermittlung demokratischer Grundrechte und Werte eine Vorbildfunktion und einen klaren Bildungs- und Erziehungsauftrag. Das bedeutet auch, dass das Bremer inklusive Bildungssystem gestärkt werden muss.
Inklusive Schulen sind ein wichtiger Ort für gelebte Solidarität und Demokratie.
Artikel 26 der Bremer Landesverfassung setzt eben auf diese Erziehung zu Demokratie und auf eine Erziehung, die auf der Achtung vor der Würde jedes Menschen und auf dem Willen zu sozialer Gerechtigkeit und politischer Verantwortung beruht. Und weil Schulen Schmieden der Demokratie sind, ist es auch genau richtig, dass die GEW dazu aufgerufen hat, dass Lehrkräfte sich im Unterricht kritisch mit der AFD auseinandersetzen. Denn die AfD ist eine Partei mit verfassungsfeindlichen Tendenzen. Das dürfen und sollen Lehrerinnen und Lehrer auch im Klassenraum so sagen.
Gute inklusive Bildung für alle in unserem Land ist der Schlüssel für gesellschaftliche Teilhabe, für ein selbst bestimmtes Leben, für beruflichen Erfolg, für Demokratie und Toleranz. Gute inklusive Bildung ist teuer. Ja. Schlechte Bildung ist aber unbezahlbar. Das kann und darf sich unser Land nicht leisten.
Spart uns nicht die Zukunft kaputt
Aktionsbündnis „Bildungswende jetzt“ protestierte auch in Bremen
„Bildungswende jetzt!“, riefen die 300 bis 400 Teilnehmer:innen immer wieder. Die Hauptforderung war am Hauptbahnhof und am Hollersee als Protest gegen die aktuelle Bildungspolitik unüberhörbar – auch für die Jugend- und Familienminister:innen, die im Parkhotel ihre Konferenz hatten. Auf Transparenten war zu lesen: „Spart uns nicht die Zukunft kaputt“ und „Wir wollen unsere Zukunft mitgestalten“. Aufgerufen hatte das Bündnis „Bildungswende jetzt“. Die Schülerin Janne Schmidmann aus Bremen hat den bundesweiten Bildungsprotest mit organisiert. Sie besucht eine 10. Klasse einer Gesamtschule. Auch die GEW beteiligte sich aktiv an Demonstration und Kundgebung. Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) hat die Konferenz genutzt, um zu fordern, den Bund stärker für die Bildungsfinanzierung in die Verantwortung zu nehmen. „Der Bund muss die nationale Aufgabe, Bildungsgerechtigkeit zu schaffen, jetzt entschlossen angehen.“ Und er müsse „ein 100-Milliarden-Sondervermögen für die kommenden zehn Jahre bereitstellen, um jedem Kind in Deutschland gleiche Chancen durch gute Kinderbetreuung und Bildung zu ermöglichen“. Die neue Petition für den Bildungsprotest 2024 ist gestartet. Am 20. Juni sollen dem Bundeskanzler Olaf Scholz und den Ministerpräsident:innen 100.000 Unterschriften übergeben werden, wenn sich die Politiker:innen in Berlin treffen. Denn Bildung muss endlich Chefsache werden. (krü)
27576 Bremerhaven