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Schwerpunkt

Bildung oder Kaffeebohnen pflücken

Die GEW-Stiftung „fair childhood“

Foto: E&W - GEW

160 Millionen Kinder arbeiten derzeit weltweit, anstatt zur Schule zu gehen. Mit der Stiftung „fair childhood“ macht die GEW dieses Thema gezielt zu einem Gegenstand gewerkschaftlichen Handelns. Zieht man die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung heran, dann sollte im Jahre 2025 Kinderarbeit der Vergangenheit angehören. Verfügbare Daten zeigen jedoch, dass Heranwachsende weiterhin Steine klopfen, auf Baumwollfeldern giftige Pestizide versprühen, auf Plantagen Früchte ernten oder in Handel und Handwerk zu Billiglöhnen oft gesundheitsschädliche Tätigkeiten verrichten müssen, um zur Ernährung ihrer Familien beizutragen.

Verpflichtung der  Gewerkschaften

Es ist und bleibt ein Elend sowie die rücksichtslose Verwehrung des Menschenrechtes auf Bildung, was in weiten Teilen der Welt mit der Ausnutzung der Notlage dieser Kinder geschieht. Auf dem Weltkongress des Internationalen Gewerkschaftsbundes (IGB) in Vancouver im Jahre 2010 bekräftigte dieser „die Verpflichtung des IGB zu der historischen Aufgabe der Gewerkschaftsbewegung, die Ausbeutung von Kindern zu beenden und eine qualitativ hochwertige, kostenlose Bildung für alle zu ermöglichen“ (Thöne u.a. 2010, S. 19). Im weiteren Verlauf dieser Entschließung wird die Kinderarbeit in einen größeren Rahmen gesetzt: Neben den Schäden an Leib und Seele für die jungen Menschen, die sie hervorruft, wird in aller Deutlichkeit hingewiesen auf deren Folgen wie die Fortschreibung von Unterentwicklung ganzer Gesellschaften und die Verhinderung menschenwürdiger Arbeits- und Lebensverhältnisse auch für die Erwachsenen.

Gründung von „fair childhood“

Soweit die globale Beschlusslage; zu deren Umsetzung bedarf es Taten, und zwar konkret in unseren eigenen Einflussbereichen. Nach durchaus kontroverser Debatte gründete die GEW im Jahre der IGB-Erklärung ihre eigene Stiftung „fair childhood“, die insbesondere durch Spenden der Gewerkschaftsmitglieder Unterstützung organisieren soll. Ihre Ausrichtung unterscheidet sich grundsätzlich von anderen Hilfsorganisationen, da sie Ziele auf zwei Ebenen verfolgt:

Informationsvermittlung in Deutschland „über den fortbestehenden Skandal der Kinderarbeit“. Dies beinhaltet Bewusstseinsbildung in der eigenen Organisation, Entfaltung von politischem Druck, aber auch Verweigerung des Konsums der von Kindern hergestellten Produkte.

Unterstützung von Projekten, die ganz konkret gegen Kinderarbeit kämpfen und somit den Übergang zu schulischer Bildung vorbereiten (vergl. Thöne 2011).

Die Arbeit der Stiftung gelingt

Mittlerweile, das bringen die Jahre mit sich, können wir auf einige Erfahrungen mit der Stiftung zurückblicken. Bewährt hat sich die zwischenzeitlich vereinbarte enge Kooperation mit der Bildungsinternationalen, welche die Zusammenarbeit mit anderen Gewerkschaften bei den initiierten Projekten realisiert und gleichzeitig deren Organisation und Überprüfung übernimmt. Ehrenamtlich wirkende Kolleg*innen in Stiftungsvorstand und -beirat entscheiden bzw. erörtern über den Fortgang der Aktivitäten. Das alles hat Verbindlichkeit und Stringenz.

Derzeit engagiert sich die Stiftung im Namen der GEW in elf Ländern, das sind Burkina Faso, Burundi, Malawi, Mali, Senegal, Simbabwe, Togo, Uganda, Albanien, Nicaragua und Indien. Wenn man die ausführlichen Projektberichte durchsieht (vergl. Tepe u.a. 2022), dann fällt die Energie auf, mit der die Vorhaben umgesetzt werden. Es finden „Anti-Child-Labour“ Wochen statt, um den Schulbesuch überhaupt zu thematisieren, die lokalen Autoritäten müssen gewonnen werden, um Erfolgschancen für unsere Maßnahmen zu bekommen, und unsere internationalen Kolleg*innen werden geschult, zum Thema Kinderarbeit, aber auch um sich stabil als Gewerkschafter*innen zu organisieren. Beim Abebben der Pandemie, als nach Wochen, manchmal nach Monaten, die Schulen wieder öffneten, wurden „back to school“-Kampagnen aufgelegt, um die Kinder und Jugendlichen wieder für den Unterricht zu gewinnen. So tauchen in den Berichten immer wieder Zahlen auf, um eine Aussage zu treffen, wie viele junge Menschen nun zur Schule gehen anstatt zur Lohnarbeit. Man merkt: Jede Person zählt und ist ein Erfolg.

Die Stiftung „fair childhood“ stärken!

Diese Rückmeldungen sind wirklich ermutigend. Dennoch müssen wir sie kontrastieren mit den Mitteln, die unserer Stiftung zur Verfügung stehen. Bei ihrer Gründung wurde angestrebt, die GEW als Gesamtorganisation möge jährlich Spenden sammeln im Umfang von einem Euro pro Mitglied. Das wären zu der damaligen Zeit mindestens 250.000 € gewesen. Dies ist leider nicht gelungen. Immerhin konnte die der Bildungsinternationalen zugesagte Garantiesumme von jährlich 100.000 € jeweils eingeworben werden. Im vergangenen Jahr waren es zwar einige tausend Euro mehr, aber ein wirklich zufriedenstellendes Resultat sähe anders aus.

Letztendlich bewirken können wir insbesondere dort etwas, wo wir als Mitglieder unsere gewerkschaftlichen Aktivitäten ausführen. Es ist unbedingt unterstützend, wenn der Landesverband entsprechende Anträge zur Stärkung der Stiftung in den Bundesgewerkschaftstag einbringt, so geschehen in den Jahren 2017 und 2022. Ebenso dringlich bleibt aber das schlichte Einsammeln von Geld im o.g. Maßstab von einem Euro pro Mitglied. Dies wurde im Stadtverband Bremerhaven erstmalig 2014 versuchsweise durchgeführt. Es hat geklappt, der Stadtverband wiederholt die Sammlung in jedem Jahr und konnte mittlerweile über die Zeit gut 12.000€ überweisen – bei ca. 850 Mitgliedern. Kontinuität an der Sammelbox zahlt sich tatsächlich aus.

Zum Ende dieses Artikels soll diese Idee einfach weitergegeben werden – als Anregung. Denn: Bildung ist die weltweite Perspektive – nicht Kaffeebohnen pflücken von Kindern.

Quellen:

Fair Childhood (2011): Satzung, München
Tepe u.a. (2022): fair childhood, Tätigkeitsbericht 2021, Frankfurt/M.
Thöne u.a. (2010): GEW-Initiative: Statt Kinderarbeit – Grundbildung für alle, Frankfurt/M.
Thöne (2011): Einladungspapier zum Workshop  „Bildung statt Kinderarbeit“, Frankfurt/M.