Sind Berufsverbote also erledigte Relikte der Vergangenheit?
Dagegen spricht nicht nur der nach wie vor geltende Beschluss der Ministerpräsidenten, sondern auch der Umgang von Politik und Bürokratie mit den Opfern der Berufsverbotspraxis in Bremen. Als Vorgesetzter zweier Kolleginnen, die nach ihren Berufsverboten als Angestellte wieder beschäftigt wurden, habe ich es als meine Pflicht angesehen, die vollständige Rehabilitation, d.h. die Wiedereingliederung zu den vor den Berufsverbotenen geltenden Bedingungen zu erreichen. Seit der Zeit der Ampel-Koalition 1991 bis 1995 sind wir immer wieder initiativ geworden.
Der damalige Bildungssenator Henning Scherf räumte Fehler ein und gab die Vorgänge mit Wohlwollen zur Prüfung in seinen Apparat. Die prüfenden Juristen, die teilweise auch schon die vorherigen Prozesse begleitet hatten, kamen zu dem Ergebnis, dass eine Verbeamtung altersbedingt nicht möglich sei. Dass beide bereits mehrere Jahre Beamtinnen waren und von daher bei Anrechnung dieser Zeiten ein deutlich vor dem vierzigsten Lebensjahr liegendes Einstellungsdatum herausgekommen wäre, wurde nicht weiter reflektiert. Diese Entscheidung ist in einer Zeit gefallen, in der ein grüner Bürgermeister mit gleicher politischer Biographie Urkunden unterschreiben konnte, mit denen Beamtenverhältnisse begründet wurden.
Es gab einen Modellversuch „Kollegiale Schulleitung“ am SZ Walle.
Drei KollegInnen führten ihn durch, sie erhielten dafür statt einer Besoldungserhöhung Zeitkontingente. Damit sollte eine flachere Hierarchie und eine demokratischere Binnenstruktur erreicht werden. Die Leitung des Modellversuchs wurde von der Behörde Barbara Larisch übertragen. Nach seinem Abschluss wurde der Versuch im Kontext mit der Behörde evaluiert. Kurze Zeit danach gab der Bildungssenator W. Lemke bekannt, dass Schulleitungsmitglieder, die Angestellte sind, unbeschadet ihres Alters verbeamtet werden sollten. Barbara wurde das mit der Begründung verwehrt, dass sie kein Schulleitungsmitglied sei, weil die Schulleitung in einen SII-Zentrum nur aus dem Direktor und der Stellvertreterin bestehen würde. Parallel dazu wurde ein Antrag der Schule abgelehnt, mit der ein Teil von gestrichenen Funktionsstellen der Schule zurückgegeben werden sollte. Begründung : Die bei uns gestrichenen Stellen seien Schulleitungsstellen gewesen. Völlig konträre Entscheidungen derselben Juristen, die belegen, dass es nicht um Recht, sondern um die Fortführung der Sanktionierung einer Kollegin über 20 Jahre nach ihrem Berufsverbot ging.
In der Tradition geblieben
Unsere Kollegin Renate Kuhn wurde aufgrund ihrer GHR-Qualifikation auch entsprechend niedriger bezahlt, obwohl sie die gleiche Unterrichtstätigkeit wie die übrigen besser bezahlten Berufsschulkolleginnen ausübte. Aufgrund eines Arbeitsgerichtsurteils in einem anderen Fall beantragte Renate eine gleiche Bezahlung. Das lehnte die Behörde ab. Damit waren alle Bemühungen auf einen angemessenen Umgang völlig ohne Umsetzungswirkungen geblieben.
Letztes Jahr sollte ich Renate eine Urkunde zu ihrem 25-jährigen Dienstjubiläum überreichen. Mit ihrer Zeit vor dem Berufsverbot war sie jedoch bereits 31 Jahre beschäftigt. Eine entsprechende Korrekturbitte wurde nach einem halben Jahr Bearbeitung abgelehnt. Begründung: Sie sei „eigenem Verschulden“ aus dem Dienst entfernt worden. Die Anerkennung des Antrags hätte keinerlei finanzielle Folgen für die Stadt gehabt, es ging lediglich um ein Symbol – aber selbst damit waren sie überfordert.
Diese Schlaglichter zeigen deutlich, dass Entscheidungsträger des Bildungsbereichs nach wie vor von dem Geist geprägt sind, der auch die Berufsverbote hervorgebracht hat. Dabei ist bemerkenswert, dass die verantwortliche Senatorin in abgeordnetenwatch.de zwar betont, mit den Berufsverboten noch nie einverstanden gewesen zu sein, die ihr unterstellte Verwaltung praktiziert mit der Verantwortungszuweisung an die Opfer genau das Gegenteil, ohne dass die Senatorin in Kenntnis der Vorgänge dieses korrigiert. Durch die Nachfragen über abgeordnetenwatch.de wurde eine Rückdatierung der Urkunde erreicht – immerhin.
Die beiden Kolleginnen sind inzwischen nicht mehr im aktiven Dienst. Ich habe bewundert, dass sie sich bis zur letzten Unterrichtsstunde mit höchstem Engagement ihren Schülerinnen und der Schulentwicklung gewidmet haben. Danke für dieses vorbildhafte Verhalten.