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Klimawandel

Als Gewerkschafter mit fridays for Future nach Lützerath

Ein Bericht von Kai Reimers |Oberschule Lesum 

 Seit acht Jahren habe ich kein Auto mehr, meinen früheren Fleischkonsum habe ich drastisch reduziert und in den Urlaub fahre ich nur noch mit der Bahn. Aber auf einer Demo von friday for future war ich noch nie, weil die Kolleginnen und Kids meiner Schule, der Oberschule Lesum, leider bisher nicht mitdemonstriert haben und ich mich als verbeamtete Lehrkraft noch nicht zum aktiven Klimastreik durchringen konnte. Aber es ja kann wohl nicht sein, dass ich als ein Vertreter des Jahrgangs 1969 mir irgendwann eingestehen muss, dass ich mich zu der bedeutsamsten Menschheitskrise, dem globalen Klimawandel und der Zerstörung der Biosphäre, nicht politisch verhalten habe. 
 
Darum klingelt heute am Samstag der Wecker grausam um 4.45 und jetzt stehe ich um 5.30 mitten in der Nacht und im nasskalten Januarwind auf dem ZOB vor dem Bremer Cinemaxx und warte mit ca. 150 anderen Bremern auf zwei große Reisebusse, die uns heute zur Großdemo nach Lützerath 
bringen sollen. Für heute ist Dauerregen angesagt und darum habe ich Regenhose und -Cape eingepackt, die Wanderstiefel angezogen und einen Rucksack mit Kaffee und Broten vorbereitet. 
Ein bisschen alleine fühle ich mich schon, wie ich hier auf den Bus wartend von einem Fuß auf den anderen trete. Das liegt vor allem daran, dass ich und drei andere Ü50iger hier unter all den 20jährigen fridays-for-Future -Aktivist:innen sehr sichtbar als Fremdkörper wirken. Es wird mir hier deutlich vor Augen geführt, wie sehr der Klimaprotest doch ein Generationenkonflikt ist:  
Die junge Generation klebt sich mutig unter Einsatz ihr Gesundheit auf der Straße fest und die Mehrheit meiner Generation reagiert aversiv oder indifferent. Aber heute darf ich mich auch mal als „Klimaterrorist“ fühlen, auch wenn die heutige Großdemo ganz legal angemeldet ist und ich nicht befürchten muss als Bremer Beamter von meiner Gewerkschaftskolleginnen der Polizei weggetragen oder verhaftet zu werden. 
Die Großdemo findet in dem Bergbaustädtchen Keyenberg statt, eines der Dörfer, das ursprünglich auch für den Braunkohletagebau von RWE weichen sollten und das darum von den Bewohnern darum auch schon größtenteils verlassen wurde. Bei der Ankunft beeindrucken mich die Vielzahl der Fernbusse, die vielen Teilnehmer (die Polizei wird von 15.000 sprechen, die Organisatoren von 35.000) und die Breite des politischen Spektrums, erkennbar an den vielen Transparenten und Fahnen: natürlich die Klimaaktivist:innen von Fridays for future, die letzte Generation, Extinction Rebellion, dann aber auch traditionelle Umweltorganisationen wie greenpeace oder der BUND, Vertreter von politischen Parteien, Grüne und Linke, Gewerkschaftsmitglieder von Verdi oder der GEW, kirchliche Gruppen … 
Es ist erkennbar, der Widerstand gegen eine Klimapolitik, die das 1,5Grad-Ziel nicht wirklich ernsthaft verfolgt, erreicht immer breitere Bevölkerungsgruppen. Er reicht erkennbar bis ins wohlhabende bürgerliche Spektrum hinein, deutlich zu erkennen an den vielen parkenden zum Teil hochpreisigen Autos der Teilnehmer:innen, die sich anders als wir Bremer im Widerspruch zwischen politischer Haltung und Bequemlichkeit zur Anreise mit dem eigenen PKW entschlossen haben. 
Aber ich bin erleichtert, immerhin hier ist der Protest jetzt definitiv generationenübergreifend, von ganz jung bis ganz alt. Das macht mir Hoffnung, denn der zunehmende aversive Populismus von rechts gegen die  Klebeaktionen der Letzten Generation in den sozialen Netzwerken, aber auch im privaten Umfeld war einer der Gründe für mich, hier heute dabei zu sein. 
Und auch wenn ich Greta Thunberg auf die Entfernung nicht gesehen habe und ihre Worte über die Lautsprecher in Regen und Wind kaum verständlich bei mir ankamen, heute kann ich sagen, ich war dabei.
Und beim nächsten globalen Klimastreik von Fridays for future streike ich wirklich, egal ob die Kids und Kolleg:innen dann mitkommen. Ein Tag Gehaltsabzug und ein ehrenhafte dienstliche Rüge sollte mir das schon wert sein. 

Kolleginnen Elke Suhr und Barbara Schüll waren auch in Lützerath. Ihr Text kann hier nachgelesen werden.