Zum Inhalt springen

Schwerpunkt

Absurdistan und Patriachat

Lebenswelten von Familien werden nicht mitgedacht

Foto: Karsten Krüger

„Irgendetwas war anders, nicht so, wie wir's kannten. Irgendwas lag in der Luft.“ Das Zitat stammt von der Band Broilers und beschreibt genau bei mir persönlich den Zeitpunkt im März im Jahr 2020. Ich, damals im letzten Drittel meines Vorbereitungdienstes, verfolgte gemeinsam mit einer Klasse den Newsticker von Buten und Binnen live – dann war es soweit, die Politik entschied und die Schulen wurden geschlossen. Plötzlich war nichts mehr normal: Masken tragen, 1,50 Meter Abstände einhalten und immer wieder steigende oder fallende Inzidenzen. Und was war bei mir los? Immerhin stand ich beruflich kurz vor der Absolvierung des zweiten Staatsexamens.

Wahnwitzige Aufgaben

Irgendwie ging es voran, so dass ich im August 2020 meine erste Stelle als Lehrer an einer Oberschule antreten konnte. Corona bestimmte aber weiterhin mein Leben als neuer Kollege und Familienvater. Die neuen Kolleg:innen konnte man nicht wirklich persönlich kennenlernen und zahlreiche neue wahnwitzige Aufgaben kamen auf mich zu: Plötzlich musste man digital und in Distanz Schüler:innen beschulen und Beziehungsarbeit leisten oder aber auch ohne ernsthafte Schulung medizinische Tests durchführen und dokumentieren.

Regelrechte Retraditionalisierung

Zwei Jahre später: Mittlerweile hat sich die Familie samt der eigenen Person und des drei Jahre alten Babys infiziert und es gibt in Europa Krieg. Aber immerhin; ich darf so zum Beispiel endlich den Kindergarten meines Kindes betreten und es persönlich abgeben. Wow, wobei doch schon vor Monaten zig tausende Menschen in Stadien Fußball konsumieren konnten. Absurdistan lässt grüßen. Das kommt dabei raus, wenn in der Politik die Lebenswelten von Kindern und Familien nicht mitgedacht werden. Da stellt sich die Frage: Aufgeben oder wegschauen? Nein, es gibt vieles, was nach wie vor verkehrt läuft und angegangen werden muss. So zeigen die vergangenen zwei Jahre eindeutig, dass die alten Rollenbilder – der Mann leistet die Lohnarbeit und die Frau kümmert sich alleine um die Kinder – nach wie vor bestehen und sogar eine regelrechte Retraditionalisierung stattfindet. In unserer heutigen vielfältigen Gesellschaft ist das ein absolutes Armutszeugnis. Unter anderem muss gleichberechtigte Aufteilung von Lohn- und Carearbeit zur Normalität werden. Letztendlich habe ich als Lehrer und Vater in der Krise deutlich zu spüren bekommen, wo in der deutschen Politik die Prioritäten liegen (das Patriarchat lässt grüßen!) und hoffe wirklich, die Broilers werden Recht behalten: Alles wird wieder okay sein.