Nach der Westberliner Anti-Schah-Demonstration und dem Mord am Studenten Benno Ohnesorg am 02. Juni 1967 gab es eine bundesweite Protestwelle und eine zunehmende Politisierung der studentischen Jugend. Über die Ursachen der 68er-Bewegung ist viel geschrieben worden: Autoritäre Strukturen in Gesellschaft und Familie, repressive Sexualmoral, unzureichende Entnazifizierung, der Bildungsnotstand, die erste Wirtschaftskrise von 1966 und die Große Koalition waren wesentliche Ursachen.
Die antiautoritäre Schülerbewegung stellt die GEW vor neue Fragen
Da Bremen an der Pädagogischen Hochschule und am Technikum nur wenige Studierende hatte, spielten hier die Oberstufen-Schüler*innen eine entscheidende Rolle. Bundesweit bekannt wurde ihr erfolgreicher Protest gegen die Erhöhung der Straßenbahn-Tarife vom 15. - 24. Januar 1968, gegen den es zunächst einen massiven Polizeieinsatz gegeben hatte. Die Reaktionen in der GEW waren zwiespältig. Im BLZ-Kommentar offenbarten die Schienenblockaden eine „bedenkliche Neigung oder Bereitschaft zur Mißachtung der Ordnungsfunktionen von Gesetz, Recht und Staatsautorität“. Dem widersprachen mehrere Kollegen in Leserbriefen („Wir werden gehörig umdenken müssen“ - „Die protestierende Jugend ist ein kleiner Hoffnungsschimmer“).
Als die aktiven Schüler nachlegten und am 16. März das „Faltblatt a“ herausbrachten, das den Polizeieinsatz kritisierte und provokativ unter dem Titel „Demonstranten“ eine Beardsley-Zeichnung mit übergroßem Phallus enthielt, wurden die Redakteure durch den Senator für Bildung von der Schule verwiesen. Die Landesvertreterversammlung der GEW am 28. März missbilligte auf Antrag aus dem Plenum die Disziplinierung der Redakteure. Kurz darauf gründeten ca. 25 Lehrkräfte auf Initiative von Heinz Ide, Lehrer am Alten Gymnasium, die „Aktionsgemeinschaft Demokratischer Lehrer“ (ADL), die sich die Demokratisierung der Schule in Zusammenarbeit mit dem „Unabhängigen Schülerbund“ (USB) zum Ziel setzte.
Reformen werden möglich: Gesamtschule und Projektstudium
Es kam Bewegung in die Bildungspolitik. Reformen, die schon lange von der GEW gefordert worden waren, wurden jetzt vom Bremer Senat angegangen. 1968 gab es eine Höhergruppierung der Lehrkräfte an Grund-, Haupt- und Realschulen in die Besoldungsgruppe A12. Im Februar 1969 wurde die Unterrichtsverpflichtung um eine Stunde herabgesetzt. Im April wurde eine Planungsgruppe für die erste Gesamtschule in Gröpelingen eingesetzt. Ebenfalls 1969 beschloss der Gründungssenat der Uni Bremen, dass die wissenschaftliche Ausbildung der Lehrkräfte mindestens acht Semester umfassen sollte. Die Planungsgruppe legte ein Konzept für das Projektstudium vor, das im ersten Jahrzehnt die Universität Bremen prägen sollte.
Im Bürgerschaftswahlkampf 1971 veröffentlichte der Senator für Bildung schließlich einen Schulentwicklungsplan, der in Anlehnung an den Strukturplan des Deutschen Bildungsrats (1970) die Umwandlung der Bremer Schulen in ein gestuftes Gesamtsystem mit einer integrierten Sekundarstufe I vorsah. Mit diesen Plänen für Schule und Universität stand Bremen an der Spitze der bundesweiten Reforminitiativen.
Die GEW wächst
Die hohen Geburtenzahlen der 60er Jahre und der Zuzug von ausländischen Familien erzwangen eine quantitative Ausweitung des Schulsystems. Die Zahl der Lehrkräfte stieg. Aber nicht allein das bewirkte ein Wachstum der GEW. Unter dem Einfluss der Studentenbewegung kamen jetzt auch immer mehr Gymnasiallehrer*innen in die Gewerkschaft. Mit dem Aufbau der Universität stieg der Anteil gewerkschaftlich orientierter Wissenschaftler*innen. Die Fachgruppen Gymnasien und Hochschule wurden erstmals zu bedeutenden Untergliederungen des Ortsvereins. Themen wie die Oberstufenreform und die Studienorganisation nahmen in der BLZ breiten Raum ein. Im Bemühen um ein partnerschaftliches Lehren und Lernen und mit Unterstützung der Schülerbewegung wurde das Thema der Demokratisierung der Schulverfassung wieder auf gegriffen.
Ab 1971 gab es zunehmende Eintritte von Studierenden, die aufgrund der Konstituierung marxistischer und kommunistischer Studentengruppen die Vorstände in Land und Bund in Alarmstimmung versetzten, da sie eine Unterwanderung befürchteten. Zwar hatte der Bundesgewerkschaftstag 1968 beschlossen, dass Studierende nur die außerordentliche Mitgliedschaft hatten, d.h. in Satzungsfragen, bei Vorstandswahlen und Arbeitskampfmaßnahmen kein Stimmrecht hatten, doch in den politischen Debatten auf den Mitgliederversammlungen des VBLL wurden sie ein relevanter Faktor. Dies sollte sich in den Auseinandersetzungen um die Berufsverbote zeigen.
Berufsverbote und Unvereinbarkeitsbeschlüsse
In Bremen hatte die Berufsverbote-Praxis bereits begonnen, bevor die Ministerpräsidenten im Januar 1972 den „Radikalenerlass“ beschlossen. Die Ablehnung des von der Universität ausgewählten Medienwissenschaftlers Horst Holzer durch den Senat wegen seiner Mitgliedschaft in der DKP war 1971 der Beginn. Das Kollegium der Gesamtschule West protestierte in einem offenen Brief, was zu kontroversen Debatten in der BLZ und zu einer Missbilligung durch den Senator für Bildung führte. Es zeigte sich schnell, dass ein großer Teil der Vorstände die Berufsverbote nicht in Frage stellte. Der Hauptvorstand forderte im Anschluss an den Ministerpräsidentenerlass lediglich ein rechtsstaatliches Verfahren und billigte den betroffenen Mitgliedern dabei Rechtsschutz zu. Der Bremer Vorstand übernahm diese Position. Von Beginn an gab es in Bremer Ortsverein heftige Kritik. Auf der Jahreshauptversammlung im Februar 1972 wurde ein genereller Antrag gegen die Berufsverbote zwar mehrheitlich abgelehnt, die Missbilligung der GSW-Kolleg*innen jedoch in einem Beschluss verurteilt.
In den folgenden Jahren gab es im Lande Bremen 47 Entlassungen und Ablehnungen von Bewerbungen. Hinzu kamen Anhörungsverfahren und schlechte Zensuren aus politischen Gründen, wie im Falle von Frank Behrens in Bremerhaven. Ein Klima der Überwachung und Bespitzelung breitete sich aus. Die Situation eines Teils der Betroffenen verschärfte sich ab Juni 1974, als der Bundesgewerkschaftstag nach Aufforderung durch den DGB die Unvereinbarkeit der Mitgliedschaft mit der im KBW, der KPD/ML und anderen Gruppen beschloss. Fortan bekamen sie gleichzeitig mit oder schon vor dem Berufsverbot ein Ausschlussverfahren und verloren damit den Rechtsschutz. So wurde gegen das Mitglied Hermann Kuhn wegen Teilnahme an einer oppositionellen Mai-Demonstration 1974 ein Ausschlussverfahren eingeleitet und ihm sein Mandat als Delegierter aberkannt.
Spaltung und Wiedervereinigung
Gegen das Berufsverbot für den Sozialpädagogen Horst Griese wegen seiner Bürgerschaftskandidatur für die DKP entwickelte sich im Herbst 1982 eine breite Protestbewegung. Auf der a.o. Hauptversammlung des VBLL im Dezember mit ca. 500 Teilnehmer*innen wurden Kampfmaßnahmen gegen die Berufsverbote gefordert. Auf zwei weiteren Hauptversammlungen mit ca. 650 und ca. 1000 Teilnehmer*innen im Januar und März standen der „Fall Griese“ und das Stimmrecht der studentischen Mitglieder wiederum zur Debatte. Ein satzungsändernder Antrag des Vorstandes, der die Mitgliederversammlung als oberstes beschlussfassendes Organ abschaffen und durch eine Delegiertenstruktur ersetzen wollte, fand auch auf einer dritten Hauptversammlung am 02. Mai keine erforderliche Mehrheit. Daraufhin beschloss eine Gruppe um den Stadtverbands-Vorsitzenden Hans-Georg Mews mit Unterstützung des Bundesvorsitzenden Erich Frister die Gründung des „Verbandes Bremer Lehrer und Erzieher“ (VBLE). Sie begründeten dies damit, dass der VBLL nicht mehr arbeitsfähig und stark von kommunistischen Gruppen unterwandert sei. Damit gab es im GEW-Landesverband neben den Vereinen in Bremerhaven und Bremen-Nord zwei stadtbremische Richtungsverbände, den VBLL und den VBLE.
Es zeigte sich jedoch bald, dass nur eine Minderheit der Mitglieder bereit war, diese Abspaltung nachzuvollziehen. Der VBLL mit seinem neuen Vorsitzenden Klaus-Peter Lörsch und dessen Stellvertreter Jan Bücking blieb der größte Verein. Außerdem verlor die GEW in dieser Spaltungsphase über 500 Mitglieder. So kam es recht bald zu Verhandlungen über eine Wiedervereinigung. Es wurde Einvernehmen über eine ganz neue Organisationsstruktur erzielt: Der Stadtverband wurde in Bezirke aufgeteilt, die eigene Vorstände wählten und Delegierte zur Landesvertreterversammlung benannten. Der damalige hohe Aktivitätsgrad ermöglichte eine solche Untergliederung, die 1992 wieder rückgängig gemacht wurde. Im Dezember 1974 beschloss die Landesvertreterversammlung die neue Satzung und im Mai fanden die ersten Bezirksmitgliederversammlungen statt. Am 23. Juni 1975 wählten die Landesvertreter*innen den neuen Landesvorstand. Landesvorsitzender blieb der Bremerhavener Hans Stelljes.