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10 Jahre VerA – das Ziel ist verfehlt.

Am 5. Mai haben GEW, Grundschulverband und VBE ein gemeinsames Manifest in einer Pressekonferenz in Berlin vorgelegt. Es fasst die Kritik zusammen, die es in den letzten Jahren in den Bundesländern immer wieder gegeben hat. Auch in Bremen wurde in mehreren Grundschulversammlungen über einen möglichen Boykott diskutiert. Eine Unterschriftensammlung, an der sich über 500 KollegInnen beteiligten, hat erreicht, dass die Tests in Mathe und Deutsch jetzt jährlich abwechselnd und nicht mehr im selben Jahr geschrieben werden. Das Manifest geht aber darüber hinaus: Es fordert die Abschaffung von VerA. Aus diesem Grund und als Anstoß für die weitere Diskussion veröffentlichen wir hier die vollständige Erklärung:

Eine gute Schule ist Lern- und Lebensort.

Wie die Menschen in ihr zusammen leben und lernen, bestimmt ihre Qualität. Schule lässt sich nicht reduzieren auf messbare Fachleistungen,

  • sie ermöglicht Erfahrungen, die alle Kinder und Jugendlichen in ihrer Persönlichkeitsentwicklung voranbringen;
  • sie erhebt selbstbestimmtes Leben und Lernen zum Ziel und zum Gestaltungsprinzip des schulischen Alltags;
  • sie stellt jeder Schülerin und jedem Schüler – bezogen auf ihr / sein jeweiliges Können – herausfordernde Aufgaben und fördert damit Leistung;
  • sie beschämt nicht, sondern bietet jedem Kind die Unterstützung, die es für seine Entwicklung benötigt;
  • sie fragt nicht, ob Kinder und Jugendliche zu ihr passen, sondern heißt jede und jeden willkommen.

So steht es in Richtlinien und Lehrplänen, so fordern es Eltern und PädagogInnen und so hat es die UN- Kinderrechtskonvention 1989 rechtsverbindlich zum Ausdruck gebracht.

Alle Schulen können sich in diesem Sinne entwickeln.

Sie brauchen dafür Impulse, sie brauchen konstruktive Kritik und alltagstaugliche Hilfen. Diese setzen ein stimmiges Verhältnis von Pädagogik und Evaluation voraus:

  • Respekt für die Sichtweisen des Gegenübers und Bereitschaft zum Aushandeln unterschiedlicher Deutungen.
  • Verantwortung aller Beteiligten und gegenseitiges Vertrauen.

Die VerA-Tests helfen weder den Schulen noch den Kindern.

Die Maßnahmen der Bundesländer reduzieren Qualitätssicherung auf standardisierte Leistungsmessung und Inspektion von oben. Als belastend und wenig hilfreich erleben viele Schulen die jährlichen Vergleichsarbeiten (VerA), flächendeckend in allen dritten und achten Klassen:

  • VerA beschränkt sich auf leicht messbare Ausschnitte in den Hauptfächern.
  • Die Bewertungen nach falsch / richtig unterschlagen die Bedeutung von Zwischenschritten.
  • Die Aufgabentypen prägen Unterricht und Lehrwerke einseitig.
  • Die Ausrichtung an »Regelstandards« ist defizitorientiert, missachtet unterschiedliche Voraussetzungen der SchülerInnen und ist inklusionsfeindlich.
  • VerA erfasst nur, was ist, und bringt kaum Hilfe, um Schule zu verbessern – vor allem fehlt es an Unterstützung für LehrerInnen in schwierigen Situationen.
  • Der Aufwand für VerA ist hoch, verschlingt viel Geld und bindet Lern- und Arbeitszeit.
  • Der Ertrag für Förderung ist gering, Ressourcen für pädagogische Vorhaben, Schul- und Unterrichtsentwicklung fehlen.
  • Die unterschiedliche Umsetzung von VerA in den Bundesländern führt auch auf der Systemebene zu schiefen Vergleichen.

Schulen brauchen Unterstützung.

Schulen sind auf Anstöße von außen angewiesen. Der Fremdblick ist wichtig, um die Binnensicht zu ergänzen, er ist ihr nicht überlegen. Schulen sollen als aktive Partner in die externe Evaluation einbezogen und in ihrer Evaluationskompetenz gestärkt werden. Dabei können Tests das persönliche Urteil ergänzen, nicht ersetzen. Wichtiger als die technische Perfektionierung von Messmethoden ist ihr Ertrag für Schulentwicklung und individuelle Förderung. Sinnlos sind immer neue Bestandsaufnahmen bekannter Schwächen, wenn es an Mitteln zu deren Überwindung fehlt.
Die Aus-, Fort- und Weiterbildung des pädagogischen und des Leitungspersonals muss als der Schlüssel für die Schul-, Unterrichts- und Qualitätsentwicklung anerkannt und entsprechend gefördert werden.

Wir fordern:

  • die Evaluation aller Maßnahmen der Bundesländer zur Qualitätssicherung durch unabhängige ForscherInnen,
  • die Beschränkung der Systemevaluation auf Stichproben und ihre Entzerrung auf einen drei- bis fünfjährigen Zyklus statt jährlich flächendeckender Erhebungen,
  • ein Repertoire an nachhaltig wirkenden Evaluationsinstrumenten (z. B. alltagstaugliche, förderdiagnostische Instrumente, Aufgabenpools als Angebot, Supervisionsangebote), das den Schulen zur Verfügung stehen muss,
  • praxisnahe Fortbildungen für LehrerInnen in Schul- und Unterrichtsevaluationsinstrumenten, Lernbeobachtung und differenzierter Förderung,
  • Zeit und Mittel für Maßnahmen, damit Schulen Konsequenzen aus den Evaluationsergebnissen ziehen können.