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1. Mai 2022

1. Mai: Endlich wieder unter freiem Himmel

DGB-Kundgebungen in Bremen und Bremerhaven

Die Gewerkschaften haben aufgeatmet. Das erste Mal seit Ausbruch der Pandemie konnten wieder Mai-Demonstrationen und anschließende Kundgebungen wie gewohnt stattfinden.

In Bremen ging es traditionell am Weserstadion los. Die EVG verteilte großzügig Brötchen und Mandelhörnchen (Danke dafür). Bei schönstem Wetter zog der Demo-Zug zum Domshof. Kinder bemalten ein großes Friedenszeichen. Die Redner betonten die Wichtigkeit des solidarischen Miteinanders, gerade in unruhigen Zeiten. Sie forderten, dass bei der derzeit hohen Inflationsrate die Löhne entsprechend steigen müssen.

Auch in Bremerhaven gab es auch eine ausgelassene und sonnige Stimmung. Neben den Einzelgewerkschaften organisierten sich die migrantischen Vereine, Fridays-For-Future-Aktivistinnen, Jugendverbände und politischen Parteien. Nach zwei Jahren Abstinenz und im Angesicht eines in Europa geführten Krieges, zeigte sich eine große Einigkeit aller Beteiligten: Unsere Demokratie ist kostbar und schützenswert. Hauptredner Jürgen Trittin machte der störenden Gegendemonstration verbal und lautstark den Garaus. Der DGB-Vorsitzende in Bremerhaven, Sascha Kuntzmann, schwor auf die anhaltenden, krisenbedingten Veränderungen in der Berufswelt ein.

Nachwuchsförderung in der Krise
Erst nach den jungen Menschen rufen und dann ihren Ruf nicht mehr hören

Von Swantje Hüsken

1. Mai, geiles Wetter, alte Hasen und Häsinnen, neue Bewegungen. In Bremerhaven ist entgegen der Kurzfristigkeit zum Aufruf einer Präsenz-Demo einiges los gewesen. Ja, nicht so viel wie in den Jahren zuvor und dennoch mit neuen „Gesichtern“: Fridays-For-Future, feministische Aktivistinnen, LGBTQ-Arbeitsgruppen. Toll! Dazu auf dem Podium eine Schüler:innen-Rap-Band einer hiesigen Oberstufe.

Diese Begeisterung teilten einige. Wir schwelgten in den Ideen, wie sich bereits 2023 das Gesicht der Kundgebung verjüngen könnte. An allen Ecken und Kanten, nicht nur im gewerkschaftlichen Kontext, hat Corona auch an dieser Stelle aufgezeigt, wie wichtig das generationenübergreifende Denken und Handeln bleiben muss, um Menschen früh an diese Formen des Ehrenamtes heranzuführen und sie in der Auslebung ihrer Interessen zu unterstützen. Wir bekannten uns zur Jugend!

Jedenfalls für den einen Moment. So die Erkenntnis bei der Ansage zur Rap-Band. Der fette Beat, die bunten Haare, der steile Text – wohl doch nix für die Alten. Zwei Lieder, voller Bekenntnisse zur Stadt, einem Nein zu rechter Gewalt und dann ein sich in Teilen abwendendes Publikum. Schade.

Buh-Rufe in Bremen und Bremerhaven
1. Mai: Krieg und Frieden und die Gewerkschaftsbewegung

Von Wilfried Meyer

Ich habe mich nicht wohlgefühlt am 1. Mai. Es gab viele Stimmen, die weder eine Aufrüstung, noch ein Sondervermögen von 100 Milliarden für Militär befürworten, die Waffenlieferungen in die Ukraine ablehnen, die dies als Beteiligung am Krieg werten. Das wurde klar und deutlich geäußert in Transparenten und Diskussionen. Die Aussage in offizieller Rede, dass wir „keine Ausweitung des Krieges wollen“, ist mir zu schwammig. Gar eine Befürwortung der Lieferung schwerer Waffen in Kriegsgebiet auf einer DGB-Kundgebung zu äußern wie vom Verdi-Vertreter, das hat zu Buhrufen und Ablehnung geführt. Und es stellt sich mir nach Lektüre der Presse zum 1.Mai die Fragen. Wenn unser Bremer DGB-Vertreter äußert: „ …der DGB ist Teil der Friedensbewegung“, kann man dann die Befürworter von Waffenlieferungen auf DGB-Kundgebungen reden lassen? Von mir ein klares NEIN. Geschehen in Düsseldorf, wo Olaf Scholz zu „Frieden schaffen ohne Waffen“ kontert, eine solche Haltung sei „aus der Zeit gefallen“. Oder Herr Trittin in Bremerhaven „verteidigte die Bundesregierung, die Waffen an die Ukraine liefert. Dafür gab es Buh-Rufe.“

Die Gewerkschaftsbewegung sollte reflektieren, mit wem sie sich gemein macht und gemacht hat.

Kein großes Gedränge auf dem Domshof
Mai-Kundgebung: Teilnehmerzahlen bleiben unter den Erwartungen. Warum?

Von Karsten Krüger

Endlich wieder eine Mai-Kundgebung, endlich wieder in Präsenz, endlich wieder eine Demo durch die Stadt, endlich wieder (vorwiegend) rote Fahnen auf dem Domshof und danach zwei, drei Bier an der Buchte. Das hat deutlich mehr Spaß gemacht als in den Corona-Jahren, in denen wir den Tag der Arbeit nicht oder nur gestreamt feiern konnten.

Aber trotzdem war ich enttäuscht: Der Demo-Zug war kürzer als in den Vor-Corona-Jahren. Weit weniger Aktive (auch von der GEW) als erwartet und erhofft haben sich eingereiht. Zum alternativen Maidemonstrationszug am Mittag kamen nach Polizeiangaben dagegen mehr Menschen. Auch auf dem Domshof standen wir nicht so dicht gedrängt wie sonst – trotz guten Wetters, trotz brisanter und aktueller Themen, um die es sich eigentlich lohnen sollte zu streiten und zu kämpfen (Kriegsfolgen, Inflation, Corona).

Die Gewerkschaften müssen sich intensiver denn je fragen: Woran liegt das? Welche Bedürfnisse haben Arbeit-nehmer:innen wirklich? Geht der Wandel in der Arbeitswelt schneller voran als die Reaktion der Gewerkschaften darauf? War das Motto „GeMAInsam Zukunft gestalten“ zu allgemein und zu wenig kämpferisch?