Zum Inhalt springen

Vom Glück, einen guten Lehrer zu haben

Auch die guten Lehrer sind nicht perfekt. Manchmal sind sie genervt, manchmal platzt ihnen der Kragen, manchmal sind sie frustriertmanchmal ungerecht. Sie sind nicht die Heiligen der Klassenzimmer und nicht die Helden des Alltags. Aber die guten Lehrer sind begeistert von dem, was sie tun. Sie unterrichten nicht einfach Biologie, Latein, Physik und Englisch; sie unterrichten junge Menschen in Biologie, Latein, Physik und Englisch. Das ist ein Unterschied. Sie tun es mit lieverboller, mit beseelter Leidenschaft.

Auch solche Leidenschaft macht Fehler, aber sie macht junge Menschen nicht kaputt. Es ist ein großes Glück für einen Schüler, einem Lehrer zu begegnen, der versucht, den Menschenfresser Schule so zu bändigen, dass er Lehrer und Schüler nicht frisst

Ein guter Pädagoge nimmt den Schülern die Angst vor der Schule

So ein Lehrer ist auch wenn man ihn nur ein oder zwei Schuljahre lang hat, ein Gefährte fürs Leben. Es ist ein Glück, so einen Lehrer zu haben. Und es gibt dieses selbstverständliche Glück an fast jeder Schule.Es wird zu viel über schlechte und zu wenig über gute Lehrer geredet.

Es wird viel über schlechte Lehrer geschrieben. Die Literatur der vergangenen hundert Jahre ist eine Schulhorrorliteratur; die Klassenzimmer sind dort Schreckenskabinette, die Schule ein Ort von Bösartigkeiten, ein System der Demütigung. So ist es bei Heinrich und Thomas Mann, bei Torberg und Ebner-Eschenbach, bei Rilke und Hesse. In den „Buddenbrooks“ sind die Lehrer grausame oder lächerliche Vernichter der Kindheit. Die Lehrer in den Romanen sind entweder Geistesgestörte, Narren oder Sadisten. In Wedekinds „Frühlingserwachen“ heißen sie Sonnenstich, Affenschmalt, Knüppeldick, Knochenbruch und Hungergurt. Und das ist nicht unbedingt lustig gemeint. Selbst in Ludwig Thomas „Lausbubengeschichten“ sind die Schulstreiche oft von bitterer Art. Das war lange vor Pisa, war also auch in Zeiten so, die als die großen und deutschen des deutschen Bildungswesens gelten. Manchmal kann man den Eindruck haben, dass die Realität der Literatur nacheifert.

Es wird zu wenig über gute Lehrer geredet, und es wird den Lehrern viel zu wenig die Möglichkeit gegeben, gut zu sein

Lehrer brauchen einen Arbeitsplatz, der die Voraussetzungen dafür herstellt, gut sein zu können. Die finanzielle und persönliche Ausstattung der Schulen entscheidet auch mit darüber, wie gut der Unterricht sein kann. Bei aller Leidernschaft und Selbstverleugnung kann ein Lehrer nicht gut sein, wenn er eine kastrierte Dreiviertelstunde lang vor 35 Kindern steht und statistisch mit jedem einzelnen eine Minute „kommunizieren kann.

Lehrer brauchen nicht ständig neue Aufgaben, sondern mehr Freiheiten – für eigene Ideen und für guten Unterricht. Sie brauchen Freiraum und Zeit für den einzelnen Schüler, für Projekte und Zusammenarbeit auch mit außerschulischen Einrichtungen; sie brauchen weniger Verwaltungsaufgaben. Ein guter Lehrer könnte ein noch besserer Lehrer sein, wenn er nicht bei jeder spontanen Initiative fragen müsste: „Ist das juristisch abgesichert?“ Solange das so bleibt, muss ein Lehrer zuallererst eine robuste Natur haben: Ein guter Lehrer ist also einer, der in einem ziemlich kranken System gesund bleiben kann. Ein guter Lehrer ist einer, der die Not von Kindern sehen kann und daran nicht zerbricht, dass er diese Not oft nur mit aushalten, aber kaum lindern kann. Ein guter Lehrer führt seine Schüler an einer langen, aber straffen Leine: Freiheiten ja, Frechheiten nein.

Ein guter Lehrer lernt mit und von seinen Schülern

Er, weiß, dass Erziehung zu zehn Prozent aus Information und zu neunzig Prozent aus Vorleben besteht. Ein guter Lehrer ist den Kindern nah, aber er missbraucht die Nähe nicht.

Lernen braucht Vertrauen. Ein Schüler muss die Gewissheit haben, dass er sich mit seinen Lücken und Schwächen, dass er sich mit seinen Ängsten, mit seiner Neugier und seinen Fragen zeigen darf, dass sie ihm nicht um die Ohren geschlagen werden wie ein nasses Handtuch. Das ist schwierig in seinem System, in dem der Lehrer viel bewerden, Klausuren korrigieren, Noten vergeben muss – also muss sich der zu Beurteilende so gut wie möglich präsentieren. Es gibt Forschungen, die sagen, dass man das unbedingt personell trennen muss: „ Lerncoach „ und „Beurteiler“.

Es ist die Kunst, den jungen Menschen eine Tür zur Welt zu öffnen, sie neugierig zu machen, es ist die Kunst, ihnen Selbstvertrauen und Orientierung zu geben

Und dann gilt der Satz, den ein Seminarlehrer gesagt hat: „Ein schlechter Lehrer, dessen Schüler ihn nicht übertrifft.“ Gute Lehrer entfachen Begeisterung. Die Schüler dieser Lehrer erkennt man daran, dass sie etwas wissen wollen, dass sie urteilsfähig sind, Kritik üben, selbständig handeln.

Das alles geht nur, wenn der Lehrer die Schüler mag und respektiert. Das wiederum setzt voraus, dass die Gesellschaft den Lehrern zeigt, dass sie auch sie mag. Wenn eine Gesellschaft mit den Lehrern schlecht umgeht, dann hat sie unverdientes Glück, wenn die Lehrer mit den Schülern gut umgehen.

Kontakt
Karsten Krüger
Schriftleiter des Bildungsmagaz!ns
Adresse Bahnhofsplatz 22-28
28195 Bremen
Telefon:  0421-33764-39
Mobil:  0173 6831678